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Résumés en allemand traduits du français par Isabel Georges jusqu'en 2019, puis par Hanna Georges

N°52/2024 – Sexismus im Herzen der Partnerschaft

Alexis Louvion
Portage Salarial – ein idealer Hybridstatus für Frauen?
Auf der Basis einer Erhebung bei 35 «Selbständigen» geht der Artikel den Grenzen der Lohnträgerschaft (portage salarial) nach, einer Beschäftigungsform auf halbem Wege zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit, die als Instrument der wirtschaftlichen Emanzipation von Frauen gehandelt wird. Während die Befürworter der Lohnträgerschaft zwar betonen, dass gerade Frauen sich diesen Hybridstatus zunutze machen sollten, insofern er relative soziale und finanzielle Sicherheit verspricht, zeigt die Untersuchung, dass der diffuse Charakter dieser Beschäftigungsform geschlechtsspezifische Aneignungsformen begünstigt. Der Artikel schlägt eine Typologie der unterschiedlichen Formen vor, in denen Frauen und Männer in die Lohnträgerschaft einsteigen und sie ausüben, und zeigt, dass die in dieser Form ausgeübte Selbständigkeit häufig an eheliche Arrangements geknüpft ist, die eine geschlechtsspezifische Teilung der Haushaltsarbeit aufrechterhält, welche sich selten mit ihrer beruflichen Tätigkeit vereinbaren lässt.

 

Marine Quennehen et Anne Lambert
Die gemeinsame Agenda produzieren. Zeitarbeit und Macht in Paaren mit atypischen Arbeitszeiten
Wer bestimmt über die gemeinsame Zeit bei Paaren, in denen beide Partner Beschäftigungen mit atypischen Arbeitszeiten nachgehen, etwa Nachtarbeit, Arbeit am späten Abend, am frühen Morgen oder am Wochenende? Wie werden konkret die individuellen Zeitpläne aufeinander abgestimmt? Differiert die Art und Weise, wie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Zeiten organisiert und priorisiert werden, zwischen den Ehepartnern? Das – diffuse, aber allgegenwärtige – Arbeiten an der Zeit lässt sich nur schwer erfassen. Ebenso wenig wie es von den Ehepartnern gemessen zu werden scheint, wird es auch von der öffentlichen Statistik erfasst, was seine Unsichtbarkeit noch erhöht. Der vorliegende Artikel leistet daher einen Beitrag zu seiner Sichtbarmachung, indem er die Praktiken der Produktion und des Umgangs mit der Familienzeit bei Paaren, bei denen beide einer Beschäftigung mit atypischen Arbeitszeiten nachgehen, zum Gegenstand macht. Damit wirft er die Frage nach der subversiven Kraft der so geleisteten Zeitarbeit auf. Könnte diese ja überwiegend von den Frauen geleistete Arbeit ihnen mehr Kontrolle über ihre persönliche, familiale und berufliche Zeit verschaffen?

 

Céline Lesourd
Im Schatten eines Mannes?
In Dire Dawa hat nun Mouna das Wort, eine bekannte Verkäuferin von Khat, den Blättern eines Strauchs, die meist von Männern gekaut und von Frauen verkauft werden. Basierend auf ihrer Erzählung wird diese Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern beleuchtet werden, indem der Einstieg der Verkäuferinnen in den Handel, die Wege, auf denen sie ihr Kapital akkumulieren, sowie ihre Mobilität über Grenzen hinweg analysiert wird. Wollen sie sich einen Kapitalstock aufbauen, müssen sie die Abhängigkeitsbeziehungen zu ihrer Familie, der Sippe oder in ihrer Ehe aktivieren und zwischen Zwängen und Ressourcen einen Umgang mit der Sexualisierung finden, der sie aufgrund der gesellschaftlichen Repräsentationen des Khat ausgesetzt sind. Über den Zeitraum von den 1980er Jahren bis heute, von vertraulichen Verhandlungen über den Preis ihrer Waren bis hin zu Erpressungen bezüglich ihrer transnationalen Zirkulation zeigt dieser Artikel die Handlungsfähigkeit dieser Händlerinnen auf, die sich angesichts der durch die Männer und den Staat ausgeübten Gewalt den Geschlechternormen widersetzen oder mit ihnen spielen, um ihr Business am Laufen zu halten und/oder zum Florieren zu bringen.

 

Sandrine Dauphin
Der Kampf gegen häusliche Gewalt im Spannungsfeld von Sozial- und Sicherheitspolitik
Der Kampf gegen häusliche Gewalt stellt seit einigen Jahren einen der wichtigsten Interventionsbereiche des Ministeriums für Gleichstellung von Frauen und Männern dar, nach wie vor sehen sich die Vereine jedoch veranlasst, das Scheitern sowie das Fehlen von Mitteln in diesem Politikbereich anzuprangern. Die Organisationen für Frauenrechte tun sich schwer damit, der strukturellen Besonderheit dieser Form von Gewalt Geltung zu verschaffen. Der Artikel erklärt die mangelnde Wirksamkeit durch das Stückwerk an Maßnahmen, welches auf mangelnde Koordination zwischen der Gleichstellungs- und der Sozialpolitik sowie der Politik der Bekämpfung von Delinquenz zurückzuführen ist. Das Kräfteverhältnis fällt zum Nachteil des mit der Gleichstellung befassten Ministeriums aus, dessen Aktivitäten im Wesentlichen symbolischer Natur sind. Die Ministerien für Soziales, Inneres und Justiz fördern ihrerseits die Betreuung von als „gefährdet“ bezeichneten Personen mittels individualisierter und psychologisierender Ansätze und setzen auf eine strafrechtliche Verfolgung der Täter, wobei der Repression Vorrang vor der Prävention eingeräumt wird.

 

N° 51/2024 – Das Geschlecht der Belastungen am Arbeitsplatz

Julie Jarty
Die unsichtbaren Arbeitsbelastungen weiblicher Lehrkräfte. Ein stummer Verschleiss im Klassenzimmer
Den von Androzentrismus geprägten Wissenschaften ist es zuzuschreiben, dass bezüglich der Arbeitsbelastungen von weiblichen Lehrkräften der Fokus überwiegend auf den «objektiven» Arbeitsbedingungen liegt. Der vorliegende, auf einer Langzeitstudie basierende Artikel beleuchtet aus einer feministischen Perspektive die in der soziologischen Analyse wie auch der subjektiven Wahrnehmung des Leidens französischer Lehrkräfte unbemerkt bleibenden Belastungen. Er widmet sich der Reihe nach und dialektisch den für gewöhnlich stillschweigend übergangenen Belastungen körperlicher und sexueller Art sowie solcher aufgrund von Mutterschaft. Diese drei Belastungsarten nehmen die Form organisationeller Misshandlungen an, die aufgrund ihrer Alltäglichkeit, ihrer mangelnden Artikulierbarkeit und der sich daraus ergebenden Hinnahme in ihrer Bedeutung kleingeredet werden und in der Folge eine Spirale beruflicher Deklassierung in Gang setzen und die psychische Gesundheit der Frauen angreifen. Dieser Artikel tritt ein für eine gesteigerte Aufmerksamkeit seitens der Wissenschaft für das, was in Organisationen unbemerkt bleibt, eine Aufmerksamkeit, wie sie feministische Lehrkräfte an den Tag legen, um den ihren gesamten Berufsalltag prägenden Zumutungen Anerkennung zu verschaffen.

 

Marion Gaboriau
Geschlechterungleichheiten angesichts von arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit
Ziel des Artikels ist es, auf der Grundlage einer in Paris durchgeführten soziologischen Erhebung die sozialen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten hinsichtlich der Anerkennung von gesundheitlich begründeter arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit im öffentlichen Dienst statistisch zu objektivieren und qualitativ zu analysieren. Insbesondere gilt es die Überrepräsentation von Frauen in Servicefunktionen und im Care-Sektor unter den bezogen auf ihren Arbeitsplatz für arbeitsunfähig erklärten Beschäftigten zu verstehen. Im Fokus stehen dabei ihre besonders belastenden, jedoch wenig als solche anerkannten Arbeitstätigkeiten, ihr häufig prekärer Beschäftigungsstatus sowie ihre diskontinuierlicheren Erwerbsverläufe. Die Anerkennung arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit scheint für die Frauen eine Art Notbehelf darzustellen, erweist sich aber als ein Abstiegsstatus für diejenigen, die nicht in den Genuss von mehr Schutz und/oder Ressourcen gewährenden Rechten kommen (Statuserhalt oder kollektive Sicherungen, Vorruhestandsregelungen wegen belastender Tätigkeiten), so dass es für sie in Frage käme, sich in die Massnahme zu finden oder darauf zu verzichten, wenn sie dabei mehr zu verlieren als zu gewinnen haben.

 

Delphine Serre
Die Richter und die arbeitsbedingten Missständen: eine geschlechtsspezifische Invisibilisierung
Wenn den Beschäftigten des Privatsektors die Anerkennung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verwehrt bleibt, können sie vor Gericht Widerspruch gegen die Ablehnung durch die Sozialversicherung einlegen. Auf der Grundlage von in acht Gerichten durchgeführten Erhebungen geht es in dem Artikel um die Frage, wie die Rechtsfindung die Ungleichheitseffekte der geschlechtlichen Arbeitsteilung und der Betroffenheit von beruflichen Risiken reproduziert oder abmildert. Die Rechtssuchenden, überwiegend Angehörige der unteren Klassen, teilen alle die gleiche Ohnmacht hinsichtlich ihres Verfahrens. Die Chancen, Recht zu bekommen, sind jedoch ungleich verteilt und abhängig vom Geschlecht. Die Richter, die für sich Neutralität bei der Behandlung von Frauen und Männern in Anspruch nehmen, tragen in ihren Entscheidungen zur indirekten Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen bei, indem sie nämlich ein und dasselbe Recht, das häufig im neutralen Maskulinum formuliert wurde, auf Situationen anwenden, die de facto unterschiedlich und ungleich sind. Damit bestärken sie nur die Geschlechterhierarchie hinsichtlich arbeitsbedingter Missstände.

 

Zoé Rollin
Unter dem Lack der Fingernägel und der Motorhauben: die Berufsrisiken
Hinnahme und Verharmlosen als Folge eines Lernprozesses
Auf der Grundlage einer ethnographischen Forschung in überbetrieblichen Ausbildungsstätten geht der Artikel der Frage nach dem Verhältnis zur Ausbildung, zur Arbeit und zu den beruflichen Risiken bei Auszubildenden beiderlei Geschlechts im Bereich Schönheitspflege (Kosmetik und Friseurhandwerk) sowie Instandhaltung von Kraftfahrzeugen (Automechanik und Karosseriebautechnik) nach. Die je nach Geschlecht differierende Haltung gegenüber Arbeitsbelastungen bildet sich im Zuge einer zugleich familialen, schulischen und beruflichen Sozialisation langsam aus. Der Artikel zeigt diesen schrittweise sich aufbauenden Wirkungszusammenhang auf, der zu einer Normalisierung der Arbeitsbelastungen führt, die eng an eine fortwährende Invisibilisierung der durch Chemikalien erzeugten ausbildungsspezifischen Risiken gekoppelt ist.

 

Karen Messing, Rachel Cox
Eine Tonne Federn wiegt genauso viel wie eine Tonne Blei. Hin zu einer Anerkennung und Ausmerzung der Gefahren durch Frauenarbeit in Québec
Die berufsbedingten Gesundheitsprobleme von Frauen unterscheiden sich von denjenigen der Männer unter anderem aufgrund der Segregation der Berufe und der ihnen darin zugewiesenen Aufgaben. Da die Risiken, denen sie ausgesetzt sind, weniger sichtbar sind, zögern Frauen aus Furcht als schwach zu gelten oder aus Sorge um ihre Anstellung, diese zu melden. Diese Situation, in der das Bemühen um die Erhaltung der Gesundheit mit dem Bemühen um Gleichheit kollidiert, hemmt ihr berufliches Fortkommen und hat eine mangelnde Anerkennung beruflich bedingter Schädigungen zur Folge. Wir zeigen unter Berücksichtigung der «Besonderheiten» des weiblichen Körpers und der sozialen Rolle der Frau die Herausforderungen auf, die sich bei einer Reform des Arbeitsschutzsystems in Québec gezeigt haben, und analysieren einige Verbesserungen, die im Zuge der parlamentarischen Debatten im Jahr 2020-2021 von einem Bündnis aus Forscherinnen, Gewerkschaften und feministischen Organisationen sowie Akteurinnen aus dem Public Health-Bereich errungen wurden.

n° 50/2023 – Die Reproduktion und ihre Ungerechtigkeiten

Sarah Franklin, propos recueillis par Delphine Gardey
40 Jahre künstliche Befruchtung: Eine anthropologische und feministische Lesart
In diesem Interview blickt Sarah Franklin auf ihren bisherigen Lebenslauf zurück und schlägt Wege vor, um sich mit den Transformationen zu befassen, die sich in den letzten 40 Jahren im Bereich der künstlichen Befruchtung vollzogen haben. Mit ihren Untersuchungen zur regenerativen Medizin, zum Klonen oder zu den Märkten für reproduktive Körpergewebe und Dienstleistungen ist Sarah Franklin eine unverzichtbare Figur bei der Analyse der zeitgenössischen medizinischen und sozialen Veränderungen im Bereich der Reproduktion und der Elternschaft. Sie verortet ihren Werdegang im Kielwasser der Pionierinnen der feministischen Kritik der Kulturanthropologie, der Technik und der Wissenschaft: Marylin Strathern, Shulamith Firestone oder Donna Haraway. Sie zeigt die politischen und wissenschaftlichen Probleme auf, die sich aus dem Einsatz von Reproduktionstechnologien ergeben, und die Veränderungen, die sich bei der Definition von Elternschaft vollziehen. Sie unterstreicht die Bedeutung der von LGBTQ+-Personen erkämpften Rechte und hinterfragt die Grenzen dieser Transformationen, indem sie die Frage der „reproduktiven Gerechtigkeit“ aufwirft.

Virginie Rozée, Élise de La Rochebrochard
PMA in Frankreich: Reproduktion von Geschlechterungleichheiten?
Die künstliche Befruchtung (procréation médicalement assistée – PMA) steht in einem komplexen Verhältnis zum Geschlecht: Sie ermöglicht die Befreiung von dominanten Geschlechternormen und (re)produziert gleichzeitig eine stratifizierte Reproduktion und damit Ungleichheiten in Bezug auf Geschlecht, Klasse und Rasse. 2010 schrieben wir einen Artikel über die PMA in Frankreich, in dem wir zeigten, dass die PMA in der Art und Weise, wie sie umrahmt, organisiert und praktiziert wird, die reproduktive Norm widerspiegelt und somit all jene ausschließt, die sich nicht an diese Norm halten. Wie sieht es heute aus, nach der Überarbeitung des Gesetzes zur Bioethik im Jahr 2021? Anhand unserer verschiedenen Forschungsarbeiten zeigen wir, dass das Gesetz einen Fortschritt darstellt, da es inklusiver ist, der Zugang zur künstlichen Befruchtung jedoch weiterhin auf einer geschlechtsspezifischen Vorstellung der reproduktiven Arbeit beruht.

Solène Gouilhers, Delphine Gardey, Raphaël Albospeyre-Thibeau
Von der erzwungenen Sterilisation zur Erhaltung der Fruchtbarkeit von Transpersonen: Ärzt*innen bei der Arbeit
Dieser Artikel befasst sich mit dem praktischen und normativen Engagement von Pflegekräften für den Zugang zur selbstständigen Gametenkonservierung für Transpersonen in Frankreich und der Schweiz. Während Transpersonen früher zur Sterilisation gezwungen wurden, um eine legale Geschlechtsumwandlung zu vollziehen, wird seit kurzem dem Erhalt ihrer Fruchtbarkeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Anhand einer Studie bestehend aus Interviews mit Transitions- und Reproduktionsmediziner*innen beschreiben wir, wie diese sich um die Normalisierung des Zugangs von Transpersonen zu Gametenkonservierung bemühen. Durch die Arbeit an der administrativen, technischen, räumlichen und relationalen Ausstattung, die über die Geschlechter- und Fortpflanzungsordnung hinausgeht, entwickeln sie praktische Unterstützung, um die historisch cis-heteronormative fertilitätsmedizinische Infrastruktur inklusiver zu gestalten. Durch diese alltäglichen Pflegepraktiken tragen sie dazu bei, sowohl das Recht als auch die Pflegeeinrichtungen zu gestalten, und setzen sich so für die reproduktiven Rechte von Transpersonen ein.

Mwenza Blell, Riikka Homanen
Reproduktive Gerechtigkeit in Finnland? Der Mythos der Homogenität in einer nordischen Sozialdemokratie
Obwohl die finnische Sozialdemokratie auf sozialer Gleichheit beruht, ist die reproduktive Gerechtigkeit in diesem Land noch immer nicht Realität. Die Ursachen dafür werden anhand von zwei Ethnographien über Verfahren künstlicher Befruchtung und insbesondere über die mangelnde Gleichbehandlung aufgrund von Rasse, Klasse, Geschlecht und sexueller Orientierung erforscht. Die Interviews mit finnischen Wissenschaftler*innen und Gesundheitsfachkräften offenbaren die Auswirkungen, die Last der Vergangenheit und die Logik, die zu diesem ungleichen Zugang zur reproduktiven Gesundheitsfürsorge geführt haben, wie z. B. die Aufrechterhaltung des Mythos der weißen Homogenität, das Erbe der Eugenik, die Konzentration von Macht und ethischen Entscheidungen in den Händen von Ärzt*innen, die Interpretation von Diskriminierung als Ressourcenproblem, die Leugnung von Ungleichheiten und ein rein ideologisches Festhalten am Wohlfahrtsstaat, das die Realität der Diskriminierung unsichtbar macht.

Laura Mamo
Hin zu einer queeren reproduktiven Gerechtigkeit im Herzen der transnationalen Bioökonomien
Dieser Artikel befasst sich mit der transnationalen Ausweitung der Fortpflanzungsmedizin und wirft die Frage nach verantwortungsvollem Verhalten im Kontext der Bioökonomien des 21. Jahrhunderts auf. Er befasst sich insbesondere sowohl mit den Vorstellungen, die mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und queeren (LGBTQ+) Familien verbunden werden, als auch mit der Frage, wie LGBTQ+ Personen unter den heutigen Bedingungen ihre Pläne für Elternschaft umsetzen. Dieser Artikel schlägt ein eigenes Analyseraster im Bereich der „queeren reproduktiven Gerechtigkeit“ („justice reproductive queer“(JRQ)) vor, das es ermöglichen soll, die Variabilität der Unterdrückungen und Möglichkeiten zu erfassen und zu beschreiben, denen die verschiedenen Bestrebungen, eine Familie zu gründen, ausgesetzt sind, ohne dabei bestimmte Familienkonfigurationen zu verteufeln oder aufzuwerten. Insgesamt soll ein solcher Ansatz dazu beitragen, verantwortungsbewusste Verhaltensweisen zu etablieren.

 

N° 49/2023 – LGBTQ am Arbeitsplatz

Lisa Buchter
Widerstand von innen heraus: Strategien berufsbezogener lgbt-Netzwerke

Trotz des Erstarkens der Diversity-Politik in Frankreich seit den 2000er Jahren haben sich nur wenige Unternehmen und Behörden mit der Bekämpfung von Homophobie und Transphobie befasst. Auf der Grundlage einer Text- und Längsschnittanalyse von Archivmaterial, ergänzt durch Interviews, untersucht der Artikel die Strategien von fünf internen Netzwerken, die von „aktivistischen Arbeitnehmer*innen“ angeführt werden, welche sich an ihrem Arbeitsplatz sichtbar für die Belange von lgbt engagieren. Diese internen Netzwerke großer Unternehmen oder Behörden entwickeln selbst Ressourcen und Angebote zur Prävention und Sensibilisierung und nutzen als Hebel den Ruf der Arbeitgeber hinsichtlich ihres Engagements für Diversität. Diese Akteure können, wenn sie durch ihre Organisation Sichtbarkeit und Legitimität erlangen, den Rahmen ihrer Forderungen und den Umfang ihrer Aktionen ausweiten und dabei immer energischer die Untätigkeit ihres Arbeitgebers im Hinblick auf die Diskriminierung von sexuellen und geschlechtsbezogenen Minderheiten anprangern. Auch wenn sie gemäßigte oder reformorientierte Maßnahmen vorschlagen, tragen diese Netzwerke dazu bei, die Personalpolitik von innen heraus zu verändern.

Alice Caudron
Queere Karriere und berufliches Engagement vs. beruflicher Ausstieg: Auf der Suche nach einer tragbaren Radikalität

Im Englischen bedeutet der Begriff queer „seltsam“, „zwielichtig“, aber auch „Schwuchtel“ oder „Lesbe“. Diese Beleidigung wurde sich nach und nach von den Personen, gegen die sie gerichtet war, angeeignet, um daraus ein politisches Aushängeschild zu machen. Dieser Ausdruck, den einige Kollektive in Anspruch nehmen, wird in Frankreich manchmal mit „transpédégouines“ übersetzt. Dieser Artikel zielt darauf ab, einen Beitrag zu den neu entstehenden Forschungsfeldern zu leisten, welche Arbeit, Erwerbstätigkeit, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität miteinander verknüpfen. Er basiert auf einer Studie zu Personen, die sich selbst als queer bezeichnen, die einer Untergruppe von Minderheiten angehören (mehrheitlich bisexuell oder pansexuell, häufig trans) und politisch anarchistischen und libertären Kreisen nahestehen. Er untersucht die wechselseitigen Beziehungen zwischen queerer und beruflicher Karriere, indem er queere Menschen als Aktivist*innen betrachtet, aber auch als Personen, die in soziale Bahnen eingebunden sind, deren Tragfähigkeit nicht von vornherein gegeben ist. Er stützt sich auf etwa 60 biografische Interviews mit Personen, die Teil der queeren Bewegung oder des queeren Milieus waren oder sind. Diese Personen wurden über queere Kollektive (auf Veranstaltungen oder in der politischen Szene) und soziale Netzwerke und anschließend im Schneeballverfahren kontaktiert. Die untersuchten queeren Personen lassen sich aufgrund ihrer sozialen Merkmale und ihres Alters in drei Gruppen einteilen : eine „kostspielige queere Radikalität“, bei der das Vorrangige des queeren Lebensstils auf Kosten der Erwerbstätigkeit geht ; „eine queere Karriere machen“, bei der die berufliche Sphäre als ein Ort des Kampfes betrachtet wird, den es zu erobern und zu unterwandern gilt (Gesundheit, Bildung und Sozialarbeit) ; schließlich „die queere Community auf Distanz halten, um Karriere zu machen“, wenn der transgressive queere Lebensstil sich als unvereinbar mit den Normen des beruflichen Umfelds erweist.

Hadrien Clouet
Youmna Makhlouf, eine Anwältin für sexuelle Freiheiten im Libanon

In diesem Interview, das in Beirut geführt wurde, erläutert die libanesische Anwältin und Aktivistin Youmna Makhlouf ihren Kampf für die Entkriminalisierung von einvernehmlichen sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen, welche derzeit durch das libanesische Strafgesetzbuch behindert werden, das „unnatürliche fleischliche Beziehungen“ untersagt. Dieser Artikel, der häufig gegen lgbt-Personen verwendet wird, ist zunehmend umstritten und wird von Gericht zu Gericht sehr unterschiedlich und widersprüchlich ausgelegt. Youmna Makhlouf erläutert die Hintergründe der Anti-lgbt-Repression im Libanon und liefert gleichzeitig eine soziologische Studie des Rechts, die auf die Normen der sozialen Akteure, die dieses Recht formulieren, und auf die Ermessensbefugnis bestimmter Beamter eingeht. Darüber hinaus teilt sie ihre politische Strategie, Gerichtssäle zu unterwandern, indem sie ihre Gesprächspartner*innen dazu zwingt, die Maske der richterlichen Neutralität fallen zu lassen.

Estelle Fisson
Ist Vielfalt im Klassenkampf vereinbar ? lgbt-Rechte – eine neue Herausforderung für die Gewerkschaften

Die Antidiskriminierungspolitik in Unternehmen wurde als „trojanisches Pferd des Neoliberalismus“ gebrandmarkt, zumal sie zunächst ohne die Gewerkschaften durchgeführt wurde. Obgleich sie sich nicht von der Unternehmerrhetorik täuschen lassen, versuchen sie, sich den Kampf gegen Diskriminierung wieder anzueignen, indem sie ihm wieder eine politische Dimension verleihen. Der vorliegende Artikel fragt nach den Gründen, Bedingungen und Hindernissen für die Auseinandersetzung mit der Diskriminierung von lgbt-Personen durch die Arbeitergewerkschaften in Frankreich und Spanien ab den 2000er Jahren. Er stützt sich auf eine ethnografische Studie, die zwischen 2019 und 2021 in der französischen cgt[1] und den spanischen cc.oo. [2] durchgeführt wurde, sowie auf Archivmaterial von Gewerkschaften und Verbänden. Gelingt es diesen Gewerkschaftsorganisationen, einen kapitalismuskritischen Ansatz auf dem Gebiet der Gay Pride oder der „Diversität“ am Arbeitsplatz durchzusetzen ? Der Artikel zeigt, dass sie diese Herausforderungen aufgreifen und dabei ihren eigenen Stil einbringen, wobei ihre Beteiligung einen Synkretismus von Handlungsrepertoires und Forderungen erzeugt. Der Vergleich zwischen Frankreich und Spanien zeigt, dass die spanischen Gewerkschaften historisch gesehen besser in das Gebiet der lgbt-Anliegen integriert sind und dass der Kampf gegen Diskriminierung weniger mit dem Klassenkampf verwoben ist.

Alice Olivier
Männer mit Qualität. Geschlecht und (De-)Qualifikation in „weiblichen“ Ausbildungsberufen des Hochschulbereichs

Wie wird die Arbeit von Männern in „weiblichen“ Berufen bewertet, und welche Einblicke bietet dies in die Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Qualifikation ? Der Artikel untersucht diese Frage anhand von Interviews und Beobachtungen, die in der Ausbildung von Hebammen und Sozialarbeiter*innen durchgeführt wurden, und konzentriert sich dabei auf die berufliche Praxis der Begleitung. Um Patient*innen und Klient*innen zu begleiten, müssen die wenigen männlichen Studierenden bestimmte, als „weiblich“ bezeichnete Dispositionen an den Tag legen. Bei Frauen oft als selbstverständlicher angenommen, werden diese Dispositionen als Ergebnis einer Arbeit für sie konstruiert und anerkannt und sind insofern kennzeichnend. Diese Studierenden werden darüber hinaus auf vielfältige Weise aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit aufgewertet, was eine entsprechende Qualifizierung der „männlichen Natur“ erkennen lässt. Schließlich werden diese Männer als mit ausgeprägter Professionalität ausgestattet wahrgenommen und sehen sich vor allem selbst so, was ihre Arbeit stark qualifiziert und die Arbeit der Frauen abwertet.

Kristen Schilt
Ein Typ wie alle anderen ? Wie Transmänner Geschlecht am Arbeitsplatz sichtbar machen

Dieser Artikel untersucht die Reproduktion von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten am Arbeitsplatz mittels Tiefeninterviews mit Transmännern. Vor ihrer Transition haben einige von ihnen erste Berufserfahrungen als Frau gesammelt, was ihnen eine spezifische Perspektive als Outsider within auf die Vorteile verleiht, die Männer im Allgemeinen aus der untergeordneten Stellung von Frauen ziehen. Sie stellen fest, dass sie als Männer am Arbeitsplatz mehr Autorität, Anerkennung und Respekt erhalten als als Frauen, selbst wenn sie dieselbe Arbeitsstelle behalten. Ihre Erfahrungen tragen dazu bei, zu beleuchten, auf welche Weise die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Interaktionen am Arbeitsplatz reproduziert werden. Sie veranschaulichen auch, wie die Vorteile von Männern am Arbeitsplatz – die „patriarchale Dividende“ – in Abhängigkeit von Merkmalen wie Rasse/Ethnizität und körperlicher Erscheinung variieren, da diese Vorteile für rassifizierte und/oder kleine Transmänner weniger deutlich sind

Laurine Thizy
Familienmütter am Krankenbett von Abtreibungspatientinnen : Erneute Stigmatisierung in Zentren für freiwilligen Schwangerschaftsabbruch

Dieser Artikel befasst sich mit der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen, wie sie in Geburtenkontrollezentren öffentlicher Krankenhäuser vorgenommen werden. Ziel ist es, zu zeigen, dass die soziale Kontrolle über Abtreibungspatientinnen von der geschlechtsspezifischen Rekrutierung des medizinischen und pflegerischen Personals abhängt. Die Fachkräfte im Bereich Geburtenkontrolle, fast ausschließlich Frauen, die bereits Mütter sind, entscheiden sich für dieses vernachlässigte Fachgebiet weniger aus aktivistischen Gründen als vielmehr, um mehr Zeit für ihr Familienleben zur Verfügung zu haben, und verzichten damit faktisch auf eine höher bewertete berufliche Tätigkeit. Eine solche Gestaltung dieser Arbeit bewirkt, dass die Abtreibungspatientinnen von Fachkräften betreut werden, die eine eher essentialistische Auffassung bezüglich der Themen Geschlecht und Mutterschaft haben. Die hier angebotene Betreuung basiert auf emotionaler Sorgearbeit, die umso notwendiger ist, als sie die Hauptquelle für Anerkennung am Arbeitsplatz darstellt, wenn keine hohen fachlichen Anforderungen gestellt werden. Diese Care-Arbeit, die kaum politisiert ist, führt jedoch zu geschlechtsspezifischen Erwartungen an die Klientinnen und trägt paradoxerweise dazu bei, das Stigma der Abtreibung zu wiederholen.

Tessa Wright
Gibt es einen „Lesben-Vorteil“ in von Männern dominierten Berufen ? Eine intersektionale Analyse

Bisweilen wird suggeriert, dass lesbische Arbeitnehmerinnen gegenüber ihren heterosexuellen Kolleginnen einen „Vorteil“ hätten : Sie hätten höhere Löhne, würden als kompetenter wahrgenommen und seien seltener Zielscheibe unerwünschter sexueller Annäherungen und sexueller Belästigung. Dieser Artikel geht der Frage nach, ob es einen solchen Vorteil gibt, und stützt sich dabei auf qualitative Erhebungen, in denen die Erfahrungen von lesbischen und heterosexuellen Frauen verglichen werden, die in drei männerdominierten Branchen im Vereinigten Königreich beschäftigt sind : Feuerwehr, Baugewerbe und Transportwesen. Unter den offen lesbischen Frauen, die in diesen männlichen Arbeitsumgebungen arbeiten, gelingt es einigen tatsächlich, sich leichter in das männliche Umfeld zu integrieren und ungewollte sexuelle Interaktionen zu vermeiden. Jedoch gibt es weitere Faktoren, welche die Erfahrungen dieser Frauen erschweren, darunter die Generation, die soziale Klasse und die Unternehmenskultur. Außerdem beschränken sich diese Vorteile auf Lesben, die sich mit Umgangsformen, die man als „männlich“ bezeichnen kann, wohlfühlen, was bei vielen von ihnen nicht der Fall ist. Diese Ergebnisse verdeutlichen daher die Notwendigkeit eines intersektionalen Ansatzes, um die Beziehungen zwischen Geschlecht, Sexualität und sozialer Klasse aufzuzeigen.

n°48/2022 – Behinderung, Geschlecht und Arbeit

Mathéa Boudinet und Anne Revillard
Beschäftigungspolitik, Behinderung und Geschlecht
Wie wird bei politischen Maßnahmen, die auf die Berufstätigkeit von Menschen mit Behinderungen ausgerichtet sind, das Thema Geschlecht berücksichtigt? Ausgehend von einer Literaturauswertung und zwei Befragungen mit gemischten Methoden bietet dieser Artikel drei wesentliche Beiträge zur Reflexion. Zunächst einmal basieren die Maßnahmen zur Berufstätigkeit von Menschen mit Behinderungen historisch gesehen auf dem Modell einer männlichen Arbeitskraft, das insbesondere auf die Figur des Kriegsversehrten zurück geht. Dieses Erbe hat trotz einer formalen Neutralisierung der Maßnahmen in Hinblick auf Genderaspekte aufgrund der Arten von Behinderungen, auf welche diese Politik vorrangig abzielt, geschlechtsspezifisch unterschiedliche Auswirkungen. Schließlich reproduzieren sich in den Maßnahmen, die auf „behinderte Arbeitnehmer*innen“ abzielen, klassische Geschlechterungleichheiten, die beispielsweise mit der Erwartung einer uneingeschränkten Verfügbarkeit bei der Arbeitssuche oder mit einer geschlechtsspezifischen Hierarchie der Berufe innerhalb der geschützten Arbeit zusammenhängen.

Charlène Calderaro
Feministisch-marxistische Kritik: Von der Analyse der Hausarbeit hin zu Theorien sozialer Reproduktion
Der Artikel zeichnet die Grundzüge des feministisch-marxistischen Denkens nach, ausgehend von seinen Anfängen in den 1920er Jahren bis hin zu seinen jüngsten Entwicklungen rund um die Theorie der sozialen Reproduktion. Definiert als die Gesamtheit der täglichen Aufgaben und Tätigkeiten, die für die Erhaltung des Lebens und der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind, steht die reproduktive Arbeit im Mittelpunkt dieser theoretischen Entwicklungen. Nach einem Überblick über die frühe feministische Kritik an Marx Werk geht der Artikel auf die Debatte über Hausarbeit in den 1970er Jahren ein. Anschließend wird aufgezeigt, wie sich das feministisch-marxistische Denken seither zu einem breiteren Analyserahmen entwickelt, der es ermöglicht, die reproduktive Arbeit innerhalb und außerhalb der häuslichen Sphäre zu erfassen: bezahlt und unentgeltlich, anerkannt und nicht anerkannt. Schließlich werden in dem Artikel die jüngsten Entwicklungen im feministisch-marxistischen Denken aufgezeigt, die über die Entwicklung einer Theorie der sozialen Reproduktion einen einheitlichen Ansatz in Bezug auf Unterdrückungen hervorbringen.

Marc Collet und Bertrand Lhommeau
Berufliche Einbindung in Abhängigkeit von Behinderung und Geschlecht
In den Jahren 2018 bis 2020 sind 37 % der Personen mit anerkannter Behinderung im Alter von 15 bis 64 Jahren berufstätig, verglichen mit 67 % der anderen Personen dieser Altersgruppe. Darüber hinaus ist die Beschäftigungsquote der Frauen im Jahr 2020 um 6 Prozentpunkte niedriger als die der Männer (62 % gegenüber 68 %). Eine Behinderung beeinflusst die Chancen auf einen Arbeitsplatz stärker als das Geschlecht: Bei gleichen Merkmalen unterscheidet sich der Zugang zur Berufstätigkeit zwischen Frauen und Männern mit anerkannter Behinderung nicht signifikant, während die Chancen auf eine Beschäftigung bei Männern 1,5-mal höher sind als bei Frauen unter den Personen ohne anerkannte Behinderung. Und wenn sie arbeiten, ist das Tätigkeitsspektrum für Frauen mit anerkannter Behinderung sehr begrenzt: Die Hälfte der Arbeitsstellen, die sie ausüben, konzentrieren sich auf nur 20 Berufe. Einerseits üben Frauen, unabhängig davon, ob sie behindert sind oder nicht, eine geringere Vielfalt an Berufen aus als Männer. Andererseits ist das Spektrum der Berufe von Menschen mit anerkannter Behinderung kleiner als das ihrer Kolleg*innen.

Im Gespräch mit Claire Desaint
Frauen mit Behinderungen, die Unsichtbaren in der Arbeitswelt
Frauen mit Behinderungen stehen im Hinblick auf ihr Berufsleben vor Hindernissen, die sich aufgrund ihrer Behinderung, der Unzugänglichkeit, aber vor allem, weil sie Frauen sind, vervielfachen. Ihre Teilhabe am Berufsleben wird durch Vorurteile und Stereotypen in allen Bereichen der Berufstätigkeit behindert: Bildung, Berufswahl, Einstellung, Arbeitslosigkeit, berufliche Laufbahn, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Ruhestand. In den Veröffentlichungen von Studien und Statistiken sind sie weitgehend unsichtbar, weshalb sie bis vor kurzem in der öffentlichen Politik zu Behinderung und zu Gleichstellung von Frauen und Männern nicht berücksichtigt wurden. Frauen mit Behinderungen gehören zu den am stärksten marginalisierten und in prekären Verhältnissen lebenden Bevölkerungsgruppen. Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft ihren Blick ändert und Frauen mit Behinderungen nicht mehr als Last, sondern als Menschen mit Talenten, Fähigkeiten und Fachwissen ansieht. Frauen mit Behinderungen sind Triebkräfte für Veränderungen und ein Gewinn für Unternehmen und Institutionen.

Dominique Masson
Angelsächsische feministische Disability Theorien. Kartografie der Feminist Disability Studies
Während es in den angelsächsischen feministischen Studien zu Behinderung oder Feminist Disability Studies immer mehr Arbeiten zu diesem Thema gibt, besteht das Ziel dieses Artikels darin, die französischsprachigen feministischen Studien zu bereichern, indem er eine Kartographie der Entwicklung des Forschungsfeldes vorschlägt mit Fokus auf Hauptströmungen und ihren wichtigsten theoretischen und konzeptionellen Ansätzen. Im ersten Teil des Artikels werden die wesentlichen Inhalte des medizinischen und sozialen Modells von Behinderung wiedergegeben. Der Zweite konzentriert sich auf die Beiträge der materialistischen feministischen Ansätze zu Behinderung und der Dritte auf die Beiträge der poststrukturalistischen und postmodernen feministischen Perspektiven. Im vierten Teil werden drei neuere Entwicklungen in den Feminist Disability Studies vorgestellt, die den Einfluss des Crip- und Queer-Denkens, die zunehmende Komplexität intersektionaler Analysen von Behinderung und das Aufkommen von Perspektiven aus dem Süden veranschaulichen.

Michel Lallement
Konkrete Utopie, Arbeit und Geschlecht: der Fall Oneida
Im 19. Jahrhundert werden Utopien vor allem in den USA immer konkreter. Es werden zahlreiche Lebens- und Arbeitsweisen ausprobiert, die sich von den vorherrschenden Normen abheben. Aufgrund der Radikalität ihrer Entscheidungen, aber auch wegen ihrer Langlebigkeit ist Oneida (New York) wahrscheinlich eine der bemerkenswertesten utopischen Gemeinschaften. Unter der Führung ihres Gründers John H. Noyes erfindet sie neue Formen der Arbeitsorganisation (free labor) und der Beziehungen zwischen Frauen und Männern (free love). Der Artikel zeigt zunächst, dass dieses kollektive Abenteuer an der Schnittstelle zwischen den Debatten über den Abolitionismus, die dem Bürgerkrieg vorausgingen, und der Utopie Charles Fouriers (wie sie insbesondere durch seine Schriften über die Industrie- und Liebeswelt in Erscheinung trat) analysiert werden muss. Anschließend zeichnet er ein schemenhaftes Bild der Innovationen in Bezug auf das Gemeinschaftsleben, die Arbeit und das Geschlecht in Oneida sowie ihrer wichtigsten Veränderungen zwischen 1848 und 1880.

 

n°47/2022 – Das Geschlecht gegenüber den Armeen

Camille Boutron und Claude Weber
Die Feminisierung der französischen Streitkräfte: zwischen institutionellem Voluntarismus und internen Widerständen
Die Integration von Frauen in die Streitkräfte stellt sich als ein noch nicht abgeschlossener Prozess dar. Bereits im Zweiten Weltkrieg eingeleitet, erlebte er mit dem Ende der Wehrpflicht und der Professionalisierung der Streitkräfte in den späten 1990er Jahren eine Beschleunigung. Zu einem öffentlichen Problem formiert sich das Thema jedoch erst seit den 2010er Jahren. Die Feminisierung der französischen Armee ist Gegenstand eines klaren institutionellen Willens. Dennoch stößt sie im Militär weiterhin auf zahlreiche Widerstände. Abgesehen von der Logik der Reproduktion sexistischer Diskriminierung ist unsere Hypothese, dass die Präsenz von Frauen in den Streitkräften, insbesondere wenn es um die Übernahme explizit kämpferischer Funktionen geht, eine Reihe von Vorstellungen in Frage stellt, die das Regime hegemonialer Männlichkeit gefährden, welches die militärischen Strukturen organisiert und den Einsatz bewaffneter Gewalt im Namen des Gemeinwohls legitimiert.

Rosane Braud und Marie Loison-Leruste
Weibliche Aspekte von Obdachlosigkeit. Wenn Notunterkünfte für Frauen die Maßnahmen sozialer Nothilfe in Frage stellen
Dieser Artikel präsentiert die Ergebnisse einer ethnografischen Feldstudie, die zwischen November 2018 und Oktober 2019 in Notunterkünften für obdachlose Frauen in Paris durchgeführt wurde. Er zeigt, wie schwierig es ist, eine Zielgruppe zu definieren und aufzunehmen, mit der die institutionellen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen nicht gerechnet haben. Die Notunterkünfte nehmen keineswegs nur isolierte, sozial stark ausgegrenzte Frauen auf, die eine Unterbringung ablehnen oder von bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten weit entfernt sind. Sie machen Frauen sichtbar, die sich in einer sehr prekären Lage befinden und deren soziale Merkmale sich stark von denen der Männer unterscheiden, die in vergleichbaren Notunterkünften aufgenommen werden. Dabei hinterfragen diese Anlaufstellen das Prinzip der einfachen Notunterbringung angesichts des besonderen Betreuungsbedarfs dieser Frauen, die in den gesellschaftlichen Darstellungen, der öffentlichen Politik und den wissenschaftlichen Arbeiten lange Zeit unsichtbar geblieben sind.

Helena Carreiras, Cristina Rodrigues da Silva und Luís Malheiro
Die Auswirkungen des UN-Programms für Frauen, Frieden und Sicherheit auf die nationalen Richtlinien zur Integration der Geschlechterdimension in der Armee. Das Beispiel Portugal
Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, wie das Programm „Frauen, Frieden und Sicherheit“ der Vereinten Nationen die Entwicklung nationaler Richtlinien zur Integration der Geschlechterdimension in die Streitkräfte beeinflusst hat. Er hebt Hürden und förderliche Bedingungen für ihre Umsetzung hervor. Anhand von Daten aus dem portugiesischen Fallbeispiel untersucht er den Aufschwung der öffentlichen Richtlinien auf Regierungsebene sowie die Instrumente und Mechanismen, mit denen die Streitkräfte die Ziele des Programms integriert haben. Wir argumentieren, dass die Verabschiedung formeller öffentlicher Richtlinien eine notwendige, aber nicht ausreichende Bedingung für eine erfolgreiche Umsetzung ist. Größere Aufmerksamkeit sollte auch den spezifischen Maßnahmen gewidmet werden, mit denen die Akzeptanz der offiziellen Richtlinien gefördert wird, sodass diese Eingang in die praktische Arbeit von Institutionen finden können.

Xavier Clément
Die Beeinträchtigung der Produktivität von Frauen in der Wissenschaft. Der Fall eines Ökologielabors in Quebec
Dieser Artikel basiert auf einer mehrjährigen Studie in einem Labor für Tierökologie in Quebec. Er befasst sich mit den Erfahrungen von Studentinnen, hauptsächlich im Vorfeld der Aufnahme einer Postdoktoratsstelle, und mit den Barrieren, die sie daran hindern, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen. Einerseits wird die ungleiche Arbeitsteilung/-wertung und die Mechanismen der Behinderung/Aberkennung der Arbeit von Studentinnen innerhalb des Labors behandelt. Zum anderen die Wahl bestimmter Studenten innerhalb der Abteilung zu künftigen „Spitzenwissenschaftlern“ als Spiegelbild der Abwertung von Studentinnen, die in engem Zusammenhang mit der Bildung von Netzwerken zur bevorzugten Kooptation unter Männern steht. Und schließlich geht es in einem dritten Teil um Mechanismen zur Unsichtbarmachung dieser Ungleichbehandlung der Geschlechter. In einem offiziell gleichberechtigten, faktisch aber von großen Ungleichheiten geprägten Umfeld wird die Marginalisierung von Frauen auf unauffällige, diffuse und ambivalente Weise kollektiv produziert, weshalb die Wichtigkeit von ethnografischen Ansätzen, die jedoch noch selten sind, hervorzuheben ist.

Angeliki Drongiti
Der Militärdienst in Griechenland: Herstellung „echter Männer“
Anhand von halbstandardisierten Interviews mit griechischen Wehrpflichtigen und Berufssoldaten der griechischen Armee untersucht dieser Artikel den Militärdienst als sozialisierende Erfahrung aus der Perspektive des materialistischen Feminismus und der Geschlechterverhältnisse in Verbindung mit dem Goffmanschen Ansatz der Institutionen. Die zentrale Idee ist es, die Auswirkungen der Institution auf die Individuen zu erklären und dabei zugleich die institutionellen Mechanismen und Funktionsweisen zur Herstellung „echter Männer“ zu beleuchten. Dieser Prozess der Vermännlichung beruht nicht nur auf männlichen Aktivitäten, die der Maskulinisierung junger Männer dienen: Umgang mit Waffen, körperliche Übungen und heldenhafte Taten. Im Gegenteil, dieses Erlernen von Dominanz konkretisiert sich durch die Erfahrung, dass der Status der Beherrschten den Status der Herrschenden noch attraktiver macht.

Isadora Xavier Do Monte
Maskulinität und Friedenssicherung: Gewalt tötet. Der Fall der Brasilianer auf Haiti
Auf Grundlage von vierzig halbstandardisierten Interviews mit brasilianischen Soldaten, die im Rahmen einer UN-Mission auf Haiti eingesetzt waren, befasst sich dieser Artikel mit den Erzählungen, die brasilianische Blauhelme entwickeln, um ihre friedenserhaltenden Aktivitäten zu beschreiben. Sein Hauptziel ist es, die Entwicklungen des zeitgenössischen Verständnisses des Kriegers in neuen Kontexten der Anwendung militärischer Gewalt zu hinterfragen. Diese Neukonfiguration stellt jedoch die Verbindung zwischen Männlichkeit und Militarismus nicht in Frage. Soldaten aus peripheren Ländern wie Brasilien finden in der Friedenssicherung neue Möglichkeiten, sowohl ihre staatlichen Kompetenzen als auch ihre Männlichkeit vor einem internationalen Publikum zu behaupten. Der Artikel geht der Frage nach, welchen Beitrag diese neuen militärischen Beschäftigungskontexte zum zeitgenössischen Verständnis des Kriegers leisten.

 

n°45/2021 – Landwirtinnen

 

Sarah Barrières

Rebellinnen bei der Arbeit. Widerstand unter Arbeiterinnen in der tunesischen (Post-) Revolution.

Während der tunesischen Revolution, die Ende 2010 begann, wurden die Geschlechterverhältnisse durch die massive Beteiligung von Frauen an den Protesten neu definiert. In diesem Kontext findet von 2011 bis 2014 in einer Niederlassung eines französischen multinationalen Unternehmens ein Arbeiterinnenkampf statt, der sowohl in Bezug auf seine Dauer als auch seine Organisations- und Aktionsformen einzigartig ist. Um gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wie Erniedrigung, sexuelle Belästigung, lange Arbeitszeiten usw. vorzugehen, organisieren sich die Arbeiterinnen unter dem Banner des wichtigsten Gewerkschaftsdachverbandes des Landes, der UGTT. Die fast ausschließlich weibliche Basisgewerkschaft schafft durch die Förderung einer inklusiven Funktions- und Arbeitsweise mit flachen Hierarchien Freiräume und ermöglicht eine Verschiebung der Geschlechtergrenzen. Indem der Artikel sich auf die beiden weiblichen Gewerkschaftsführerinnen konzentriert, deren Einsatzbereitschaft sich im Zuge der Ereignisse verändert und weiterentwickelt, zeigt er auch, wie aufgrund des ambivalenten Verhältnisses zwischen dem Kampf in den gewerkschaftlichen Strukturen und seiner Radikalisierung angesichts der immer härteren Repression durch die Arbeitgebenden verschiedene Aktionsregister mobilisiert werden.

 

Clémentine Comer

Die moralischen und politischen Komponenten der Elternarbeit von Landwirtinnen

Dieser Artikel befasst sich mit den familialistischen Grundlagen der Erziehungs- und Haushaltspraktiken von Landwirtinnen. Als Identitätsressource und politisches Ausdrucksmittel für beruflich abgewertete Frauen im landwirtschaftlichen Bereich wird das Festhalten an einer strikten Geschlechterrollenteilung moralisch verteidigt und kollektiv verordnet. Das Eintauchen in landwirtschaftliche Frauengruppen und Interviews mit ihren Teilnehmerinnen zeigen also ein Streben nach Anerkennung, das auf der Förderung von Familienmoral und der Achtung von Geschlechternormen beruht. Indem sie als Sprecherinnen einer Familienordnung und eines vermeintlich authentischen und tugendhaften landwirtschaftlichen Kulturmodells auftreten, erfinden die Landwirtinnen achtenswerte Formen des Engagements, die zwar nicht offen systemkritisch sind, aber dennoch nicht weniger abwehrend.

 

Alexandre Guérillot

Der Beruf der Bio-Landwirtin. Eine neue Beziehung zur Arbeit?

Durch eine ganzheitliche Annäherung an die Antworten der Fragebogenerhebung, die von der Fédération nationale d’agriculture biologique (Nationaler Verband des ökologischen Landbaus) und der Agence Bio (Bio-Agentur) im Jahr 2018 durchgeführt wurde, versucht dieser Artikel, Bio-Landwirtinnen anhand der komplexen und ambivalenten Beziehung zu ihrer Arbeit in ihren Betrieben zu zeigen. Ihre Vorliebe für technische und mechanische Tätigkeiten im Freien steht in starkem Kontrast zu einer geschlechtsbezogenen Arbeitsteilung, die ihnen klassischerweise andere Rollen zuweist, wie z.B. Verwaltungsaufgaben, die sie vehement ablehnen. Sie streben auch nicht nach « neuen » Diversifizierungsaktivitäten wie dem Verkauf auf „kurzen Wegen“. Das Leben als Bio-Landwirtin scheint daher heute eine vollständige Übernahme der Vorrechte der Betriebsleitung zu implizieren und die traditionelle geschlechtsbezogene Aufteilung der landwirtschaftlichen Arbeit in Frage zu stellen.

 

Pierre Guillemin und Michaël Bermond

Neuzugezogene Landwirtinnen vor der Herausforderung einer Scheidung

In der wissenschaftlichen Literatur lässt sich die Aufrechterhaltung der männlichen Dominanz in der Landwirtschaft besonders durch das Prisma der Scheidung analysieren. Basierend auf zwei Fallstudien aus einer Presseschau (in der Tageszeitung Ouest-France) werden in diesem Artikel Forschungsfragen vorgeschlagen zu den Rollen verschiedener Kapitalformen und den Auswirkungen in Bezug auf die Atypizität von Landwirtinnen, die von ihren Ehepartnern getrennt sind und die an der Spitze des Familienbetriebs bleiben. Im Gegensatz zu anderen neuzugezogenen Landwirtinnen scheinen sie in der Lage zu sein, bestimmte Geschlechternormen in der Landwirtschaft zu überwinden, trotz anhaltender männlicher Dominanz.

 

Rose-Marie Lagrave

Ein Rückblick auf die « Landwirtinnen »: von Forschung und Feminismus Vergessene.

In diesem Artikel interviewen Clotilde Lemarchant und Pauline Seiller Rose-Marie Lagrave, Soziologin und emeritierte Studiendirektorin an der École des hautes études en sciences sociales (Hochschule für Sozialwissenschaften), die bereits in den 1980er Jahren dazu beitrug, der Forschung über Landwirtinnen den Weg zu bereiten, indem sie die Soziologie des ländlichen Raums mit der Soziologie der Geschlechterverhältnisse verband. Rose-Marie Lagrave blickt auf ihre Laufbahn zurück und erklärt, wie sowohl die Sozialwissenschaften als auch die feministische Bewegung bestimmte Kategorien der Bevölkerung mehr oder weniger sichtbar machen.

 

 

Héloïse Prévost

Frauen auf dem Land im Angesicht der patriarchalischen Kolonialgeschichte in Brasilien

Dieser Artikel analysiert die Bedingungen der Politisierung von Frauen auf dem Land in ihrer Beziehung zu Land, als Territorium, als Objekt der Arbeit und der Versorgung. Ausgehend von einem sozio-historischen Ansatz wird die Landfrauenbewegung in ihrer Verbindung mit vergangenen und gegenwärtigen Kämpfen um Land verstanden. Anhand der Fallstudie des assentamento Maceió im Nordosten Brasiliens untersucht die Analyse die Artikulation von produktiver, aktivistischer und Care-Arbeit. Drei Achsen werden vorgestellt: die Überschneidung der lokalen Geschichte mit der kolonialen, patriarchalen und neoliberalen Geschichte; die Bedingungen der Politisierung und der Organisation von aktivistischer und Care-Arbeit auf der Ebene einer Gruppe von Landfrauen; die politische Dimension von produktiver Arbeit, verwoben mit sozial-ökologischer Care-Arbeit. Diese Achsen ermöglichen die Darstellung einer Reihe von ländlichen Strategien zur Wiederaneignung des Territoriums und zum Aufbau eines Projektes des Widerstands/der Existenz.

 

n°46/2021 – (Um-)Gestaltung von Hausarbeit

 

Lorraine Bozouls

Hausarbeit und die Herstellung eines Lebensstils.
Hausfrauen der Oberschicht

Dieser Artikel analysiert die Form und Verteilung von Hausarbeit in Oberschichtshaushalten, welche stärker mit ökonomischem als kulturellem Kapital ausgestattet sind und in denen Frauen zu Hause bleiben bzw. keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Indem wir das Verhältnis dieser Frauen zur Hausarbeit detailliert darstellen, beleuchten wir wenig bekannte asymmetrische Konstellationen, die weiterreichende Informationen über die Artikulation sozialer Beziehungen in Bezug auf Geschlecht und Klasse liefern. Weil die betroffenen Haushalte die unter den meisten Paaren vorherrschende geschlechtsbezogene Arbeitsteilung auf die Spitze treiben, bieten die Situationen der Hausfrauen einen Lupeneffekt hinsichtlich geschlechtsbezogener Logiken. Dieser Artikel demonstriert, dass diese Hausfrauen keineswegs « untätig » sind und dass sie voll an der sozialen Positionierung des Haushalts teilhaben, indem sie u. a. die Arbeit der Erziehung, des Konsums und der Aufrechterhaltung des sozialen Kapitals verrichten, das den Lebensstil dieser in der Oberschicht verankerten Haushalte bestimmt.

 

Jérémie Brucker

Der Stoff des Arbeiters.
Berufskleidung im Prisma von Geschlecht in Frankreich (1870er – 1920er Jahre)

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wird der Arbeitskleidung von den verschiedenen Akteuren der Berufswelt erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Die Arbeitskleidung ist weit davon entfernt, harmlos und von den Arbeiter*innen frei gewählt zu sein. Sie ist Teil von sozioökonomischen Dynamiken und politischen, kulturellen und beruflichen Kontexten, die auf unterschiedliche Weise einschränkend wirken. Führende Persönlichkeiten, Gesetzgeber*innen, zivilgesellschaftliche Akteur*innen und Arbeiter*innen sind an Prozessen der Kleiderkodifizierung beteiligt, die Arbeitskleidung zum Produkt eines sozialen Unternehmens am Ende des 19. Jahrhunderts machen. Soziale Geschlechterpraktiken und -verbote neigen dazu, Bekleidungspraktiken in der Berufswelt zu normalisieren, insbesondere unter Arbeiter*innen und Beschäftigten.

 

Marie Cartier, Anaïs Collet, Estelle Czerny, Pierre Gilbert, Marie-Hélène Lechien, Sylvie Monchatre und Camille Noûs

Na los, Väter!
Bedingungen für die Beteiligung von Männern an der Haus- und Erziehungsarbeit

Ausgehend von Untersuchungen an dreißig heterosexuellen Paaren untersucht dieser Artikel die sozialen Voraussetzungen der Beteiligung von Vätern an der Haus- und Erziehungsarbeit in Hinblick auf Geschlecht und Klasse. Der Artikel betont die Rolle von zeitlich versetzten Arbeitszeiten sowie Hypogamie, die dazu führen, dass Väter allein zu Hause sind. Während Väter vor allem für spezifische Aufgaben um die Absicherung der Gegenwart und Zukunft zuständig sind, übernehmen sie im Alltag auch die Rolle des Helfers für ihre Ehefrau. Ihre Einbindung ist das Ergebnis der Sozialisierungs- und Aufklärungsarbeit, welche die Mütter zusätzlich zu ihren häuslichen und elterlichen Aufgaben leisten. Schließlich betrachtet der Artikel die Dynamik der Machtverhältnisse und die manchmal widersprüchlichen Vereinbarungen der Paare: Während die Ökonomie der ehelichen Gefühle durch Krisen eine verstärkte Inanspruchnahme der Väter hervorrufen kann, trägt sie in den meisten Fällen dazu bei, die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im privaten Bereich zu verstärken.

 

Alizée Delpierre

Priviligierte Frauen ? Der Überdruss, von Hausangestellten bedient zu werden

Im Rahmen einer Umfrage über die Haushaltsführung von Wohlhabenden, geben die wohlhabenden Frauen, welche ein, zwei, drei oder sogar Dutzende von Vollzeit-Hausangestellten beschäftigen, die täglich für ihre Familien arbeiten, an, dass sie eine beträchtliche Menge an Zeit und Energie für die Verwaltung ihres Haushalts aufwenden. Vorbehalten für eher wohlhabende Haushalte in den betreffenden Kontexten, ist der Rückgriff auf die Häuslichkeit dennoch ein Privileg: Frauen delegieren die Reproduktionsarbeit an andere, um sich der produktiven Arbeit und/oder der Freizeit zu widmen. Aber die Klagen dieser besonders privilegierten Frauen, die befragt wurden, verdienen es, ernst genommen zu werden. Dieser Artikel zielt darauf ab, das Paradoxon ihrer häuslichen Inanspruchnahme trotz umfangreicher Hilfe durch Hausangestellte zu erörtern. Er hinterfragt, inwieweit diese Frauen einerseits von der Reproduktionsarbeit entlastet werden und ob sie andererseits ebenso von der Reproduktionsarbeit entlastet werden wie ihre Ehemänner. So zeigt der Artikel, dass die Beschäftigung von Angestellten eine ungleiche und andauernde Arbeitsteilung zwischen männlichen und weiblichen Arbeitgebenden erzeugt, selbst wenn letztere arbeiten: An erster Stelle stehen die für die Entlohnung der Angestellten notwendigen finanziellen Angelegenheiten und an zweiter Stelle die wesentlich anspruchsvollere zwischenmenschliche und emotionale Arbeit, welche notwendig ist, um das Personal auszuwählen und zu betreuen.

 

Elie Guéraut, Fanny Jedlicki und Camille Noûs

Studentische Abwanderung von Frauen aus der Peripherie
Zwischen sozialer Emanzipation und räumlicher Neuzuordnung

Dieser Artikel befasst sich mit dem Thema der durch das Streben nach Hochschulbildung in Frankreich ausgelösten Wohnmigration. Obwohl der Zugang zu Universitäten seit den 1990er Jahren viel mehr Menschen offensteht, ging diese Öffnung auf Kosten einer starken Hierarchisierung der Studienrichtungen, innerhalb derer die jeweilige Positionierung weitgehend von Geschlecht und sozialer Herkunft abhängt. Im ersten Teil wird anhand von statistischen Daten und Fallstudien die räumliche Dimension der Verteilung von Studierenden im Hochschulbereich untersucht. Frauen verlassen nach dem Abitur häufiger als Männer ihren Wohnort, kehren aber nach dem Studium auch wieder dorthin zurück – darunter vor allem Frauen aus der Arbeiterschicht. Der zweite Teil dieses Artikels zeigt, dass sich dieses Phänomen, das vor allem junge Frauen aus ländlichen Gebieten und Klein- und Mittelstädten betrifft, durch einen Mangel an sozialen Ressourcen und durch die vielfach auf sie einwirkendenVerweise auf ihre Herkunft erklärt. Schließlich hebt der Artikel die kleinen Unterschiede in den Lebensläufen von Studentinnen aus der Peripherie hervor, je nachdem, aus welchem Bereich der Arbeiterschicht sie kommen.

 

Martine Gross und Michael Stambolis-Ruhstorfer

Wer wäscht die Schmutzwäsche in der Familie?
Aufteilung der Haushaltsarbeit von gleichgeschlechtlichen und nicht gleichgeschlechtlichen Elternpaaren

Dieser Artikel untersucht die Aufteilung der Haushaltsaufgaben von gleichgeschlechtlichen und nicht gleichgeschlechtlichen Elternpaaren in Frankreich. Dabei finden quantitative Daten aus der « Elfe » – Studie (französische Longitudinalstudie seit der Kindheit) und der « Devhom » – Studie (gleichgeschlechtliche Elternschaft, Familienfunktion, Entwicklung und Sozialisation von Kindern) Eingang. Bislang hat die vergleichende Literatur Hausarbeit als einen Block untersucht. Anhand von sechs Teilaufgaben identifiziert unsere Analyse geschlechtspezifische Schemata, durch die sich die beiden Familientypen aus diesen Stichproben unterscheiden. Während sich die befragten gleichgeschlechtlichen Paare die Hausarbeit eher gleichberechtigt teilen oder gemeinsam erledigen, gibt es bei den nicht gleichgeschlechtlichen Paaren in der Untersuchungsstichprobe eine geschlechtsspezifische Aufgabenzuweisung, die mit Ausnahme von Reparaturen und Abwasch die Mütter allein übernehmen. Diese gleichgeschlechtlichen Familien scheinen also weniger die Normen zu reproduzieren, in denen sich die männliche Dominanz in der Aufgabenverteilung widerspiegelt.

 

Dominique Pasquier

Hausarbeit online
Eine Studie zu Facebook-Konten im Bereich der Arbeiterschicht

Basierend auf der Analyse des Austauschs und der geteilten Links auf 46 Facebook-Accounts von Arbeiter*innen und Angestellten im Dienstleistungssektor untersucht dieser Artikel aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive die Entstehung und die Reaktion auf Nachrichten über Hausarbeit. Es gibt drei Arten von Äußerungen zu diesem Thema: Klagen über die Arbeitsbelastung von Frauen in Form von schriftlichen Nachrichten, die eine Kette von empathischen Reaktionen unter Frauen auslösen; online gefundene Spruchbilder, die Anerkennung der von Frauen geleisteten Arbeit fordern und die nur auf Accounts von Frauen zirkulieren; Karikaturen oder lustige Geschichten gegen die männliche Vorherrschaft, die es schwer haben, ein Publikum zu finden. Der Artikel stellt die große Abwesenheit von männlichen Gesprächspartnern in den Austauschen fest und wirft die Frage auf, unter welchen Bedingungen in Arbeiterkreisen von Frauen formulierte Bestrebungen nach mehr Gleichberechtigung aufkommen, die bei Männern so wenig Widerhall finden.

n°44/2020 – Intersektionalität in der Arbeit

 

Margot Beal

Rassenpolitik in der Haushaltsarbeit im französischen Großstadtraum zwischen den 1850er und 1930er Jahren : die Herstellung einer weißen Haushaltsarbeit und ihrer rassifizierten Ränder

Der Artikel erforscht den Prozess der Rassifizierung im Bereich der Haushaltsarbeit zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region Saint-Etienne (Frankreich). Wie sieht die Rassenpolitik in Bezug auf die Einstellung und Behandlung von Hausangestellten im französischen Großstadtraum aus?Unter Verwendung juristischer und administrativer Quellen untersucht dieser Artikel, wie der französische Staat es vorzieht, dass Arbeitskräfte im Bereich der Haushaltsarbeit im großstädtischen Raum weiß bleiben, und wie die Minderheit der rassifizierten Hausangestellten sowohl von staatlichen Institutionen, Arbeitgebenden und, in abgeschwächter Form, von Gleichgestellten behandelt werden. Klasse, Geschlecht und Nationalität der Protagonist*innen sind Teil dieser Rassifizierung, welche zur Konstruktion eines Privilegs für weiße Arbeiter*innen in einem Kontext führt, in dem Arbeitgebende im Bereich der Haushaltsarbeit einheitlich weiß sind.

 

Jennifer Jihye Chun, George Lipsitz und Young Shin

Intersektionalität als Strategie sozialer Mobilisierung
Fürsprecherinnen von asiatischen Immigrantinnen in den Vereinigten Staaten

Die Geschichte der Asian Immigrant Women Advocates (AIWA) in Oakland und San Jose, Kalifornien, über fast drei Jahrzehnte hinweg, liefert ein eindrucksvolles Beispiel für die Umsetzung von Intersektionalität innerhalb einer sozialen Bewegung und dem Nutzen von Intersektionalität, um die diffuse und differentielle Dimension ineinander greifender Formen von Unterdrückung aufzudecken. Der Artikel erörtert die Ursprünge des Konzepts der Intersektionalität, sowohl in akademischen Kreisen als auch in der langen Geschichte der sozialen Kämpfe in den Vereinigten Staaten. Ausgehend von ethnographischen Arbeiten und Archivdokumenten wird gezeigt, wie diese gemeinschaftsbasierte Organisation die Intersektionalität in den Mittelpunkt der täglichen Mobilisierungsarbeit gestellt hat: als analytisches Raster zum Verständnis der Verflechtung von Geschlecht, Familie, Arbeit und Nation in der Erfahrung eingewanderter Arbeiterinnen; als Instrument zur Reflexion der  Verbindung von Theorie und Praxis sozialer Bewegungen; und schließlich als Rahmen für « Peer Leadership » und neue, inklusivere Formen der Mobilisierung.

 

Hou Renyou
Die geschlechtsbezogene Arbeitsteilung im ländlichen China neu betrachtet
(Neu-)Bewertung der weiblichen Berufstätigkeit und andauernde familiäre Unterordnung

Seit den 1980er Jahren könnte der zunehmende Beitrag chinesischer Frauen zu Produktionsaktivitäten durch die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der weiblichen Erwerbsbevölkerung sowie ihre signifikante Beteiligung an sozialen und gemeinnützigen Aktivitäten a priori den Eindruck erwecken, dass die konfuzianische Ideologie der Geschlechtertrennung in der chinesischen Gesellschaft, bekannt als «der Mann kümmert sich um die äußeren Angelegenheiten, die Frau um die inneren Angelegenheiten » (nanzhuwai, nüzhunei), tendenziell abnimmt. Auf der Grundlage einer ethnographischen Studie, die zwischen 2013 und 2016 im Dorf Zhang (Provinz Henan) durchgeführt wurde, zeigt dieser Artikel, dass die geschlechtsbezogene Arbeitsteilung bei produktiven und sozialen Aktivitäten das, was «innen» und das, was «aussen» ist, in einem Kontext starker Migration neu konfiguriert und definiert. Jedoch bestimmt die bestehende Bedeutung von  « Mann im Aussen » / « Frau im Innen » weiterhin die Ordnung des Lebens der Dorfbewohner*innen.

 

Hanane Karimi

Vernetzte muslimische Unternehmerinnen in Frankreich
Umgang mit Mehrfachdiskriminierung

Dieser Artikel analysiert die indirekten Auswirkungen struktureller und intersektioneller Diskriminierung auf die Arbeit von muslimischen Frauen in Frankreich, die Hijab tragen. Die Verflechtung von Rasse, Klasse, Geschlecht und Religion im Falle des Tragens des Hijab erweist sich als äußerst nachteilig für die Berufsaussichten dieser Frauen. Indem wir sowohl das Kontinuum Schule-Beruf in den Blick nehmen, das körperorientiertes Lernen konstruiert, als auch Untersuchungen zu den direkten Folgen des Tragens des Hijab bei der Arbeit, schlagen wir vor, zwei Netzwerke muslimischer selbständiger Frauen zu beschreiben und zu analysieren, die sich als Reaktion auf Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit organisieren. Die Unternehmerinnen, die wir getroffen haben, verfügen über keine ererbten unternehmerischen Dispositionen. Sie kompensieren diesen Mangel an unternehmerischen Ressourcen durch Networking und Coworking. Die islamische Religiosität wird analysiert, um ihre Funktion in Bezug auf das symbolische Kapital und eine Umkehrung der Stigmatisierung zu klären. Es scheint, dass ihr religiöses Engagement sowie ihre familiären Verpflichtungen die berufliche Unabhängigkeit zum einzig akzeptablen Weg machen, ohne über ihre Religiosität verhandeln zu müssen. Dabei handelt es sich um eine periphere Geschäftstätigkeit, die nur geringe Gewinne abwirft.

 

Amélie Le Renard

Intersektioneller und postkolonialer Ansatz zu einem Privileg
Westlichkeit und Weißsein auf dem Arbeitsmarkt in Dubai

Ausgehend von einer soziologischen Untersuchung des westlichen Privilegs, wie es sich zwischen Dubai und Frankreich ausbildet, befasst sich dieser Artikel mit zwei Debatten innerhalb des Bereichs der Intersektionalität: Wie lässt sich dieses Konzept mit transnationalen und postkolonialen Ansätzen verbinden? Ist es sinnvoll, Intersektionalität zu nutzen, um zu Menschen in einer dominanten Position zu arbeiten? Der Artikel zeigt, dass in Dubai alle westlichen Passinhaber*innen Vorteile genießen, aber nicht alle die Gleichen: Auslandsverträge und die Bereitstellung von Familienleistungen übervorteilen weiße Männer. Die Kluft zwischen den Erfahrungen vergrößert sich mittelfristig. Einige sind flexibel, während andere sich gezwungen sehen, in Dubai zu bleiben. Einige Karrieren, vor allem von nicht-weißen Frauen, sind kurzlebig. Die Privilegierungserfahrung ist dann unsicher und vergänglich. Schlussendlich betreffen die Erwartungen aus Frankreich in Bezug auf die Golfregion nicht alle von dort Zurückkehrenden in gleicher Weise.

 

Myriam Paris
Staatsbürgerschaft verweigert: weibliche Hausangestellte konfrontiert mit staatlichen Arbeitsbestimmungen auf La Réunion (1945-1960)

1945 gründete eine Gruppe von weiblichen Hausangestellten auf La Réunion die Syndicat des bonnes et des blanchisseuses (Gewerkschaft der Dienstmädchen und Wäscherinnen) und beteiligte sich an einer breiten antikolonialen Bewegung, die gleiche politische und soziale Rechte für Französ*innen und Bewohner*innen von La Réunion forderte. Auf der Grundlage von Quellen aus dem militärischen und administrativen Bereich soll dieser Artikel zeigen, dass die Analyse der Mobilisierungen dieser Angestellten einerseits und die Analyse der Antworten von institutioneller Seite, die zwischen 1945 und 1960 gegeben wurden, andererseits einen ausgezeichneten Blickwinkel darstellen, um die Modalitäten der Aufrechterhaltung und Erneuerung eines kolonialen Regimes zu erfassen, das auf den sozialen Unterschieden nach Geschlecht, Klasse und Rasse beruht, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als im Rahmen der 1946 eingeleiteten Umwandlung in Departements eine politische und soziale Bürgerschaft Frankreichs vor Ort entstand.

 

N° 43/2020 Schmutzige Jobs

Christelle Avril und Irene Ramos Vacca

Sich für andere die Hände schmutzig machen
Frauenberufe und die der moralischen Arbeitsteilung

Was ist ein « Frauenberuf » ? Dieser Artikel bereichert die feministische Antwort auf diese Frage aus einem vernachlässigten Blickwinkel des Ansatzes von Everett Hughes zur schmutzigen Arbeit bezüglich der Rollen in der moralischen Arbeitsteilung. Ausgehend von drei Untersuchungen – eine Erste zu Haushaltshilfen, eine Zweite zu Pflegekräften und Kinderkrankenpflegerinnen und eine Dritte zu Sekretärinnen in Krankenhäusern – zeigt er, dass ein « Frauenberuf » sich weniger über die spezifische Zulassung für bestimmte Aufgaben definiert, als vielmehr darüber, dass es bedeutet, das zu machen, was übrig bleibt. Während Frauen diese Deligierung positiv erleben können, wenn es darum geht, « gute Rollen » zu übernehmen, gilt dies weniger, wenn sie sich die Hände für andere schmutzig machen müssen. Tatsächlich übernehmen sie « schlechte Rollen », indem sie höhergestellte Bereiche von weniger moralischen und sogar unmoralischen Aufgaben entlasten. Dieser Artikel trägt dazu bei, die Zusammenhänge zwischen der geschlechterbezogenen Rollenverteilung und der Konstruktion von Macht- und Prestigepositionen zu ergründen.

 

Leïla Boudra

Geschlechterungleicheit und Gesundheit am Arbeitsplatz
Die Hausmülltrennung

Der Bereich der Abfallwirtschaft und -sortierung wird oft als Beispiel für einen der von Hughes definierten Bereiche der « schmutzigen Arbeit » angeführt, sowohl hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der dadurch entstehenden sozialen und geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung als auch der subjektiven Dimensionen der Tätigkeit. Anhand der Konzepte Schmutzarbeit und Geschlecht bieten wir in diesem Artikel eine Lektüre der Ergebnisse einer Untersuchung zur Ergonomie in Hausmüllsortierzentren in Frankreich. Durch die Untersuchung der Bedingungen dieser am Fließband in gemischten Teams durchgeführten industriellen Arbeit, zeigen wir die geschlechtsspezifischen, sozialen und räumlichen Trennungen, die mit der Verteilung der Aufgaben und Positionen in der Sortieranlage verbunden sind. Diese Ergebnisse hinterfragen erneut die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und implizieren, dass die Auswirkungen nach Geschlecht differenziert werden sollten. Sie bieten ein Lesart, um die Prüfung des Sensiblen in der Tätigkeit und deren Auswirkungen wie die soziale Aufwertung der Tätigkeit mit grünem Zweck zu hinterfragen.

 

Hugo Bret

Sich anstrengen und sich schützen. Müllsammlern und Straßenkehrern im öffentlichen Dienst

Virilität nimmt traditionell einen zentralen Platz in der Zusammensetzung männlicher Identität – bezüglich Lebensstilen als auch in der Beziehung zur Arbeit unter Arbeitern – ein. Bei den Müllsammlern und Straßenkehrern bilden virile Werte (Mut, Körperkraft, Ausdauer, Schmerzresistenz etc.) noch immer die Grundlage der Berufskultur und des Umgangs mit « schmutziger Arbeit ». Diese werden aber auch ergänzt oder stehen sogar in Konkurrenz mit einer professionellen Einstellung zum Schutz des Körpers und der Gesundheit, die notwendig ist, um den Arbeitsplatz zu behalten. Die Art der Tätigkeit und die Veränderungen in der Branche (Modernisierung, « Medikalisierung », soziale Neuzusammensetzung der Gruppe) sowie der Werdegang und die sozialen Eigenschaften der Befragten geben Aufschluss über die Neuzusammensetzung von Männlichkeiten und Abweichungen von virilen Normen innerhalb der Gruppe.

 

Caroline Ibos

Männlichkeit von Lumpensammlern und Disqualifizierung von Lumpensammlerinnen in Paris (1830-1880)

Die Beobachtung der Situation sozial abgewerteter Männer ermöglicht es, männliche Dominanz anders zu hinterfragen, bzw. Männlichkeit nicht als substanziell, sondern als politisch zu verstehen, d.h. als eine Herrschaftsordnung, die, indem sie Männer von Frauen unterscheidet, ersteren eine gesellschaftlich legitimierte Überlegenheit verleiht. Auf der Grundlage verschiedener literarischer und ikonographischer Quellen zeigt diese Studie über die Konstruktion der Lumpensammler im 19. Jahrhundert, einer besonders stigmatisierten Gruppe, dass die von den kulturellen Eliten anerkannte Männlichkeit Teil eines doppelten Machtverhältnisses ist: ein Klassenverhältnis, das sie degradierten Formen von Männlichkeit zuordnet, und ein Geschlechterverhältnis, das sie in eine gemeinsame Menschlichkeit integriert, von der Lumpensammlerinnen implizit ausgeschlossen sind. Letztere sind sowohl der Verachtung der gebildeten Männer als auch der Bevormundung durch die Lumpensammler unterworfen, die zur Ausbeutung ihrer Körper befugt und dafür verantwortlich sind, sie ihren eigenen Gesetzen zu unterwerfen.

 

Eric Le Bourhis

Karrieren unter der Glassdecke. Architektinnen im sowjetischen Lettland

Lettland zeichnet sich durch die rasche und weitreichende Feminisierung des Architektenberufs im 20. Jahrhundert aus, sowohl in Europa als auch in der Sowjetunion, die es während des Zweiten Weltkriegs annektierte. Dieser Artikel untersucht die Faktoren und Grenzen der Feminisierung dieser kleinen Berufsgruppe nach 1945. Er untersucht die sowjetischen und lokalen Triebkräfte hinter der Feminisierung und die internationalen Transformationen dieses Berufsstandes, um die Diskrepanzen zwischen der für Frauen vorteilhaften Ausbildung und Anstellung und einer Arbeitswelt, die bis in die 1980er Jahre von ebenso mächtigen Mechanismen sexistischer Exklusion beherrscht wurde, aufzuzeigen. Diese Mechanismen werden als Arrangements interpretiert, bei denen der Aufstieg der Frauen im Beruf dazu genutzt wird, die dem Handel auferlegten Zwänge aufzufangen.

 

Virginie Rozée

Wenn die Leistung fortpflanzungsfähiger Körper zu Arbeit wird:
Die Leihmutterschaft in Indien

Der Ansatz der Leihmutterschaft (GPA[1]) in Indien als Arbeit ermöglicht es, die Komplexität dieser Realität zu erfassen. Betrachtet man aus feministischer Perspektive Fortpflanzung als Arbeit, so ist GPA in Indien eben als solche organisiert. Schwangere Frauen selbst sehen Leihmutterschaft als eine alternative Erwerbstätigkeit an, mit viel besseren Bedingungen als bei früheren Anstellungen. Aber diese Arbeit offenbart Hierarchien und Herrschaftsverhältnisse und birgt mitunter soziale und gesundheitliche Risiken für die Arbeiterinnen, die insbesondere mit der Optimierung der Leistungsfähigkeit ihrer fortpflanzungsfähigen Körper verbunden sind. Vergleicht man diese Hierarchien und Herrschaftsverhältnisse mit den in Indien herrschenden Genderverhältnissen, so bietet der Ansatz der GPA als Arbeit einen wesentlich kritischeren Blick auf die Situation der Reproduktionsarbeiterinnen im Land. Einige Frauenorganisationen haben dies erkannt: Anstatt die Praxis an sich zu bekämpfen, haben sie sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Schwangeren mobilisiert. Allerdings scheint diese Mobilisierung aktuell mit dem neuen Gesetzesprojekt, das auf eine lokale und altruistische Leihmutterschaft abzielt, überholt zu sein.

[1]          Anmerkung der Übersetzung : gestation pour autrui (GPA) = Leihmutterschaft

N° 41/2019 Arbeitskleidung

Amel Ben Rhouma und Bilel Kchouk
Der Zugang von Frauen zu Regierungspositionen in Tunesien. Eine capabilities Analyse.
Die vorliegende Studie handelt vom Zugang von Frauen zu führenden politischen und wirtschaftlichen Positionen in Tunesien im Kontext des seit 2011 begonnenen demokratischen Wandels. Diese quantitative Untersuchung zeigt einerseits dass der Diskredit der ehemaligen politischen Eliten, das Gesetz zur Parität in der Politik und der internationale Druck einen Opportunitätskontext für einen zaghaften Zugang der Frauen zu diesen Positionen darstellen obwohl die Frauen weiterhin unterrepräsentiert bleiben. Die biographischen Interviews die mit neunundzwanzig Frauen in Führungspositionen realisiert wurden zeigen die Ressourcen und die Fähigkeiten dieser Frauen in Bezug auf ihre Errungenschaften und ihre Emanzipation seit der Unabhängigkeit des Landes (insbesondere der Zugang zum Hochschulstudium) und das familiäre- und soziale unterstützende Umfeld. Diese Entwicklungen stoßen jedoch auf strukturellen Widerstand wie Kooptationspraktiken in der tunesischen Regierung, die Unsichtbarkeit von Frauen aus der politischen Sphäre in den Medien und eine anhaltende konservative Kultur die die männliche Vorherrschaft fördert.

 

Isabel Boni-Le Goff
Respektable Experten ? Bekleidungsästhetik und die Produktion von Vertrauen
Die Arbeit von Managementberatern wird im Allgemeinen als ein « intellektueller » Beruf angesehen und somit selten weder im Hinblick auf körperliche Mediatonen noch auf die Inkarnationsarbeit hin betrachtet welche sie voraussetzt. Berufsanfänger machen jedoch von Anfang an die Erfahrung, dass die Berücksichtigung einer Reihe von historisch und sozial konstruierten Erwartungen unumgänglich ist, und lernen sowie eine vertrauenserweckende persönliche Fassade zu schaffen und als auch ein überzeugendes passing ihrer Expertise zu realisieren. Die kontrollierte Produktion dieser Expertenfigur basiert auf der Bekleidung die im Mittelpunkt steht. Der Artikel betont wie stark die kontemporären Bekleidungsnormen auf historischen Berufsbildern aufbauen welche trotz des starken Zugangs von Frauen zu diesem traditionellen Männerberuf von der Persistenz einer geschlechtsspezifischen Ästhetik zeugen. Anschließend werden die komplexen Bekleidungserfahrungen von Managementberaterinnen untersucht: die ständige Wachsamkeit um eine falsche Note zu vermeiden und die sehr verbreitete Angst einen ästhetischen und symbolischen Fehler zu begehen. Anhand der Untersuchung von problematischen Bekleidungssituationen realisiert der Artikel eine heuristische Analyse der sozialen und symbolischen Funktionen von Berufskleidung, von der symbolischen Gewalt und den Machtverhältnissen die dadurch zum Ausdruck kommen.

 

Corinne Delmas
Die Notare, das Geschlecht eines Berufes mit Erbschaft
Der Beruf des Notars, ein Beruf mit Erbe, ist aus historischer Sicht ein geschlossener Arbeitsmarkt. Der Zugang der Frauen zu diesem Arbeitsmarkt, der ihnen seit 1948 offen steht, hat sich jedoch in den letzten zwei Jahrzehnten stark erweitert. Verschiedene Indikatoren zeigen eine massive Feminisierung, als Folge der Anhebung des Bildungsniveaus, wie auch in anderen juristischen Berufen, die aber auch mit anderen, speziell mit dem Notarberuf zusammenhängenden Faktoren zusammenhängen, wie die Diversifizierung der Positionen und des Berufsstatus. Die Erlebnisse und die subjektiven Erfahrungen der Feminisierung setzen sich weiterhin stark von den männlichen Widerständen ab, und, im Falle der Frauen, variieren je nach der Generation, der vorherigen Laufbahn, der sozialen Herkunft, dem familialen Kontext,… Der Unterschied zwischen der Feminisierung die sich auf die Erfahrung von einigen Berufstätigen beschränkt bleibt und der Realität besteht weiterhin. Die aktuellen Reformen dieses Berufes können sowohl sexuelle Segregation als auch weibliches Unternehmertum provozieren.

 

Louise Jackson
In Uniform und in Zivil : Die Londoner Polizistininnen (1919-1959)
Dieser Artikel handelt von der Arbeit von Londoner Polizistinnen und zeigt die Rolle der Kleidung als kapitale Technologie mit der sowohl die Identität der Polizei als auch die der von ihnen beobachteten Personen in Szene gesetzt und konstruiert werden. Die Missionen die in Uniform als auch in Zivil durchgeführt wurden basierten auf unterschiedlichen aber miteinander verbundenen Überwachungsstrategien. Die Uniform gab den Frauen Vertrauen und schützte sie während ihres Aufenthaltes in unbekannten Umgebungen indem sie ein Teil des städtischen Spektakels wurden und gleichzeitig eine stark sichtbare Form von weiblicher Autorität verkörperten. Die Polizistinnen wurden auch für Beobachtermissionen in Zivilkleidung und verdeckten Operationen in mutmaßlichen Bordellen, Glücksspielkreisen und illegalen Trinkplätzen eingesetzt. Die Polizistinnen lernten, die Kleidung, die Gewohnheiten und das Aussehen anderer je nach ihren kulturellen Codes in Bezug auf Klasse, sozialen Status und Geschlecht zu interpretieren; sie benutzten anschließend dieses Wissen um ihr eigenes Erscheinungsbild entsprechend anzupassen und so die symbolische Ordnung für offizielle Zwecke zu unterlaufen.

 

Frédérique Matonti
Die Arbeitskleidung von Politikern.  Repräsentationen, Ähnlichkeit und falsche Schritte
Dieser Artikel will zeigen dass die Arbeitskleidung von Berufspolitikern keineswegs nur einen anekdotischen Wert besitzt sondern direkt mit dem Herz ihres Berufslebens zusammenhängt und somit den Forderungen der politischen Repräsentation entgegen kommt. Es werden zuerst einige neuere „Kleidungsskandale“ in die Erinnerung gerufen (Cécile Duflot, Jack Lang, Valérie Pécresse, François Ruffin, etc.) welche die Grundlage der sozialen und geschlechtsspezifischen Erwartungen an Berufspolitiker darstellen.  Anschließend wird analysiert, bis zur Französischen Revolution zurückreichend, wie verschiedene Faktoren (soziale Wahl der gewählten Kandidaten, Kleidungsnormen der herrschenden Klassen, Autoritätswillen, etc.) sich untereinander verbinden, um eine allgemeine Regel zu schaffen: die Kleidung der Politiker muss sich von denen der Wähler unterscheiden, das Outfit der Politiker kann jedoch auch je nach ihrer politischen Ausrichtung voneinander abweichen. Zuletzt behandelt der Artikel die widersprüchliche Entwicklung der Bekleidungsverpflichtungen von Politikern deren Körper im Laufe der Zeit immer weniger vorbereitet jedoch zunehmend geprüft und kontrolliert werden.

 

Thibaut Menoux
Das Zeug eines Concierge, männliche Anpassungen im Namen des Dienstes des Luxus
Der Ausgangspunkt dieses Artikels ist das Tragen der Uniform von Männern die in den Eingangshallen von Luxushotels arbeiten, um zu zeigen, dass die männliche Uniform nicht  nur ein Mittel zur Virilisierung darstellt, sondern es den Männern ermöglicht weniger ausgebeutete Formen der männlichen Identität auszuhandeln, Wiederverhandlungen die von den sozialen Laufbahnen der betroffenen Männer untrennbar sind. Anhand einer ethnographischen Feldforschung, Statistikanalyse und Archivuntersuchungen über den Beruf des Hotelconcierge zeigt der Artikel zuerst die Ambivalenzen des sozialen Sinnes welches der Uniform des Hotelconciergen zugordnet wird und welcher von ihren Trägern wahrgenommen wird. Anschließend wird gezeigt dass die Uniform sowohl der Support als auch das Indiz der Anpassung einer Sozialisation der Bekleidung darstellt. Sie besteht daraus zu lernen dass die Dienstleistung im Luxussektor aus dem Tragen der Uniform besteht, und zu lernen diese Uniform zu tragen, was diverses Wissen voraussetzt über welches die Arbeiter in einem Grad verfügen der von ihrer vorherigen Laufbahn abhängig ist. Zu guter Letzt zeigt der Artikel, dass diese geschlechtlich geprägten und sozial situierten Nutzungen des Tragens der Uniform die langsam aus der Mode kommt, höchstwahrscheinlich zu einer Rekomposition der Modelle der Maskulinität dieser Arbeitnehmer führen wird.

 

 

n°42/2019 – Praktiken des Ökofeminismus

Viviane Albenga und Vanina Mozziconacci
Sind alle Formen des Feminismus durch Bildung lösbar?
Theoretische Hybridisation und praktische Paradoxe im Rahmen eines Dispositives zur Vorbeugung von sexueller Gewalt
Die Dekonstruktion von Stereotypen ist zu einem der Hauptmittel im Kampf gegen sexuelle Ungleichheiten im Schulsystem geworden. Es ist möglich diese Maßnahme als eine vom liberalen Feminismus inspiriert oder als einen „egalitären“ Ansatz aufzufassen. Die Mobilisierung der theoretischen und politischen Prinzipien dieses Anstazes kann jedoch in die Sackgasse führen, da die der diesem Ansatz zugrundeliegenden Geschlechtskonzeption darauf abzielen Rollenbilder auf der individuellen Ebene zu hinterfragen. Der feministische Materialismus versteht das Geschlecht als ein makrosoziales hierarchisierendes System welche dieser Art von theoretischen Aporien des liberalen Systems eher fern steht. Wie steht es jedoch um ihre praktische Anwendung und dessen Folgen im Rahmen des Bildungssystems? Die Untersuchung einer vorbeugenden Maßnahme im Rahmen eines Dispositives zur Vermeidung von Sexismus, welches vom Observatorium von Gewalt gegen Frauen im Departement der Seine-Saint-Denis durgeführt wird, zeigt dass die Benutzung eines vom feministisch-materialistischen geprägten Ansatzes durch die Ausbilderinnen im Rahmen der Maßnahme zur Förderung von sexueller Gleichberechtigung zu einer Adaptation desselben führt. Die Praxis macht eine gewisse Hybridisation die verschiedenen feministischen Ansätze deutlich die trotz ihrer widersprüchlichen theoretischen Postulate miteinander verbunden werden.

 

Isabelle Cambourakis
Die Artikulation von Feminismus und Ökologie in den 70igern. Das Beispiel des gewaltfreien Zentrums der Circauds
Obwohl im Allgemeinen eher die Abwesenheit einer öko-feministischen Bewegung in Frankreich und das geringe Engagement der Französinnen in der Anti-Atomkraftbewegung der 80iger Jahren kommentiert wird, zeigt eine lokale Untersuchung des Formationszentrums zur Gewaltfreiheit der Circauds, welches Anfang der 70iger Jahre gegründet wurde, dass am Rande der Sozialbewegungen Raum für die Verbindung von feministischen und ökologischen Ansätzen bestand. Dieser Artikel behandelt insbesondere die Sommerkamps, die von den Frauen des Zentrums zwischen 1976 und 1978 exklusiv für ein weibliches Publikum organisiert wurden, und die Rolle, die sie bei der Entstehung einer feministisch-pazifistischen europäischen Bewegung und bei der Verbreitung einer ökologisch-feministischen Empfindsamkeit gespielt haben, die eine Kritik an Geschlechterverhältnissen und Modernitätskritik miteinander vereinbarten, sowie die Medizin als vom männlichen Geschlecht dominiert und die Pharmaindustrie als kapitalistisch begriffen haben. Eine Untersuchung von Presseveröffentlichungen und die Realisierung einer Interviewserie mit den Ehemaligen Anhängerinnen des Zentrums der Circauds macht somit heterodoxe feministische Praktiken und alltägliche Arrangements zur Lösung von Widersprüchen durch die Frauen sichtbar, die in den 70igern ihre verschiedenen Engagements auf einen gemeinsamen Nenner bringen wollten.

 

Camille Fauroux
Frauenarbeitspolitiken zur Zeit der Besetzung Frankreichs
Dieser Artikel handelt von der Frauenarbeit zur Zeit der Besetzung Frankreichs unter dem Blickwinkel ihrer Integration in die deutsche Kriegswirtschaft. Die Politik der Unterordnung der französischen Frauenarbeit in die deutsche Kriegswirtschaft stellt von Anfang an einen Grund zur Besorgnis für das Regime von Vichy dar da diese Politik diametral der französischen Familienpolitik und der Restauration der Familienordnung entgegensteht. Aus der Sicht der deutschen Besetzer würde die Beschäftigung ausländischer weiblicher Arbeitskräfte zum Ausgleich für die Kriegswirtschaft im Gegenteil eine Möglichkeit zur Beibehaltung einer traditionellen Rollenverteilung im Inland beinhaltet haben. Als der Rekrutierungsdruck für Arbeitskräfte steigt und sich die Frage der Zwangsarbeit von französischen Frauen für das deutsche Reich stellt wird diese Lösung letztendlich nicht umgesetzt, stattdessen werden die Frauen für die französische Wirtschaft mobilisiert. Diese Studie macht die Vorteile eines transnationalen Ansatzes für die Untersuchung von geschlechtlichen Unterschieden auf dem Arbeitsmarkt deutlich.

 

Aurore Koechlin
Die Auto-Gynäkologie : Ökofeminismus und Intersektionalität
Der vorliegende Artikel stellt eine monographischen Studie eines Pariser Netzwerkes von praktizierenden Auto-Gynäkologinnen vor, deren Mitglieder zwischen 20 und 40 Jahre alt sind und einer neuen Generation von intersektionellen Feministinnen angehören. Unser Ziel ist es hier zu zeigen wie diese intersektionellen Feministinnen sich die öko-feministischen Paradigmen in Diskurs und Praxis aneignen. Für diese neue Generation ist die Inanspruchnahme der auto-gynäkologischen Praxis nicht einfach da sie auf die weiblichen Geschlechtsorgane konzentriert ist und somit leicht von den intersektionellen Feministinnen der 70iger Jahre, welche über die Dekonstruktion des Geschlechtes hinausgehen wollten, als essentialistisch betrachtet werden können. Der Fall dieses auto-gynäkologischen Netzwerkes welches darauf abzielt diese Praxis mit einem intersektionellen Standpunkt in Einklang zu bringen, zeigt wie der Ökofeminismus eine Form von theoretischem und praktischem Synkretismus umsetzt welcher sowohl auf einer Neuinterpretation der feministischen Auffassung von Empfängnisverhütung und Abtreibung beruht, als auch Elemente der Queer Theorie und des black Feminism einbezieht, die eine bestimmte Vision von Ökologie und Antikapitalismus nicht ausschließen.

 

Geneviève Pruvost
Konzeptionen vom Ökofeminismus.
Feminismus des Lebensunterhaltes und mundartlicher Ökofeminismus
Um die kapitalistische Auffassung von Arbeit die eine Fraktion der ökofeministischen Theoretikerinnen benutzen, zu verdeutlichen – ob es sich um ein Angestelltenverhältnis, Land- oder Hausarbeit handelt – haben wir einen Teil von ihnen, wie Françoise d’Eaubonne, Maria Mies, Silvia Federici, Vandana Shiva und Starhawk, welche Feminismus, Aktivismus und ökologische alternative Praktiken miteinander verbinden, als Feminismus des Lebensunterhaltes bezeichnet, die eine Art mundartlichen Ökofeminismus darstellt. Dieser sowohl materialistische aber auch spirituelle Ökofeminismus basiert auf anthropologischen und historischen Studien, welche die Eigenproduktion von lebensnotwendigen Gütern und die Zubereitung von industriellen Produkten im Rahmen von Hausarbeit durch die Frauen als politisch und ökonomisch unterschiedlich auffassen. Die von der Industrialisierung des Bedürfnisbereiches hervorgerufenen Umweltzerstörungen hängen mit der Vernichtung der letzten südlichen Agrargesellschaften und der ungleichen Arbeitsteilung des Produktionsprozesses von vitalen Ressourcen zusammen, deren erste Opfer Frauen sind.

 

Constance Rimlinger
Die Erde bearbeiten und den Heterosexismus dekonstruieren: ökofeministische Experimente
Anhand einer ethnografischen Untersuchung von drei ländlichen Niederlassungen (zwei Bauernhöfe und ein Landgasthof) die von Lesbierinnen und/oder queer  gemanagt werden, und die von einer kritischen ökologischen und antikapitalistischen Gesellschaftsvorstellung beeinflusst werden, und gleichzeitig sexuelle und geschlechtliche Normen hinterfragen, untersucht dieser Artikel die Wahl dieser Akteurinnen für eine alternative Lebensform in Bezug auf ihre Identität und die Art und Weise mit der ihre Existenz die Konstellation von ökofeministischen Bewegungen bereichern kann. Es wird klar, dass sie mit der Rückkehr von der Stadt auf das Land, und aus einem untergeordneten Arbeitnehmerverhältnis zur Eigenversorgung durch die Landwirtschaft neue Kontaktstrategien entwickeln müssen um gegen die Isolation anzukommen und sich lokal zu integrieren. Gleichzeitig eröffnet ihnen diese Rückkehr aufs Land auch neue Möglichkeiten zur Emanzipation, zur Unterstützung von Frauen und Minderheiten. Die Landarbeit, das feministische Engagement und die Politisierung des Alltags stellen die verschiedenen Facetten dieses Projektes dar, das heißt, der Versuch, einen gerechteren und dauerhafteren Weg für unsere Gesellschaft zu finden.

 

Benedikte Zitouni
Gegen die Zerstörung des Planeten.
Der Ökofeminismus der 80iger Jahre in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten
Dieser Artikel untersucht die Ursprünge des Ökofeminismus in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien anhand dessen Spuren in Archiven und Zeugenbüchern von Teilnehmerinnen an folgenden Ereignissen: die erste ökofeministische Versammlung in Amherst (1979), die Mahnmärsche zur Erinnerung an den Nuklearunfall von Three Mile Island (1980), die Aktionen im Pentagon in Washington D.C. (1980, 1981) und in San Francisco (1981), sowie die Frauenkamps für den Frieden in England, in Greenham Common, in der Nähe von Newbury (1981-1987), und in den Vereinigten Staaten in Puget Sound, im Staat von Washington und in Seneca, im Staat von New York (1983). Anhand der Auswertung der Zeugnisse von Aktivistinnen will dieser Artikel zeigen, dass der Ökofeminismus vor allem eine belebende, erneuernde und verändernde Art ist Politik zu machen, die auf Gefühlen wie der Angst, der Wut oder dem Überdruss beruht, welche vom apokalyptischen Klima der Nuklearpolitik der 80iger Jahre hervorgerufen wurden. Anhand der Besetzungen und Demonstrationen handelte es sich für die Frauen um nichts weniger, als sich den Lauf der Geschichte anzueignen.

N° 39/2018 Arbeiterhaushalte

 

Lise Bernard und Christophe Giraud

Die Wahl der Lebenspartner von Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten

Dieser Artikel handelt von den Auswirkungen von Veränderungen wie einer größeren Distanzierung zu Partnerschaft und Familie, dem Rückgang der Haushalte die aus einem arbeitstätigen Arbeiter und einer inaktiven Hausfrau bestehen, der Reduzierung des Anteils von weiblichen Angestellten die ebenfalls mit einem Angestellten leben auf die Entwicklung des Familienstandes von Männern und Frauen aus dem Arbeitermilieu seit dem Anfang der 80iger Jahre. Unter anderem analysiert dieser Artikel die Vielfalt der aktuellen Lebenssituationen von Frauen aus dem Arbeitermilieu anhand einer Untersuchung des Typs ihrer Partnerschaften. Es wird ebenfalls die Existenz einer gewissen sozialen Stratifizierung zwischen den Arbeiterinnen und den weiblichen Angestellten gezeigt: den besser situierten Frauen stehen diverse Ressourcen zur Verfügung, und ihre Lebenspartner sind tendenziell besser sozial situiert; in den niedrigeren Schichten sind beide Partner prekären Arbeitssituationen ausgesetzt; in den mittleren Schichten sind die Lebenspartner Arbeiter, in gewissen Erwerbstätigkeiten im Handelsbereich und unterqualifizierte Tätigkeiten tätig und die Frauen mehr oder weniger erwerbslos.

 

Soline Blanchard

Unternehmensberatung zur Gleichberechtigung : welche Art von Unternehmen ?

In Frankreich ist zu Anfang des neuen Jahrtausends – während der ersten Dekade – ein neues Berufsfeld entstanden, die Unternehmensberatung im Bereich der Gleichberechtigung. Es handelt sich um Dienstleistungsunternehmen welche Unternehmensberatung im Rahmen der Förderung von interner Gleichberechtigung betreiben. Dieser Artikel zeigt die Reproduktion von einem schon aus anderen Bereichen bekanntem Phänomen, d.h. das Auftreten von geschlechtlichen Ungleichheiten zwischen den Protagonisten und Protagonistinnen der Unternehmensberatung, welche ihrerseits einem von Geschlechtsstrukturen geprägten Raum unterworfen sind, obwohl die Verringerung dieser Ungleichheiten ihr Arbeitsziel darstellt. Anhand der Untersuchung von einer spezifischen Zielgruppe, die weiblichen Dienstleistungsanbieter, zeigt die Studie eine komplexe Artikulation zwischen subversiver Logik und einer Logik der Reproduktion von geschlechtlichen Ungleichheiten.

 

Frédéric Gautier

Eine „widerstehliche“[1] Feminisierung ? Die Anstellung von Polizistinnen

[1] Anmerkung der Übersetzung : Anführungszeichen im Original.

Die Entscheidung zur Zulassung von Frauen zur Polizeikarriere und die anschließende Aufhebung der Quotenregelung zur Begrenzung des Frauenanteils hat zum Großteil zur Feminisierung der französischen Polizei beigetragen. Nichtsdestotrotz sind die Frauen unter den Polizisten unterrepräsentiert. Selbst wenn die allgemeine Morphologie der Institution sich wenig unter diesem Gesichtspunkt geändert hat, ist dies in erster Hinsicht der Fall da die Bewerbungen von Frauen für diese Laufbahn weniger häufig ist als die der Männer, da diese Berufswahl für Frauen immer noch eine soziale Transgression darstellt, welche bestimmte Eigenschaften und Dispositionen vorhersetzt. Dies ist außerdem der Fall da die Auswahlpraxis der Werber weniger von den männlichen als von den weiblichen Kandidaten verlangen und gleichzeitig die Kandidatinnen gut bewerten welche sich als den Männern gewachsen zeigen und erkennen lassen, dass sie gewillt sind sich den Spielregeln der Institution anzupassen, die auf virilen Werten basieren.

 

Marie Cartier, Muriel Letrait und Matéo Sorin

Hausarbeit: konservatives Arbeitermilieu?

Dieser Artikel handelt davon wie Männer und Frauen aus dem Arbeitermilieu die ungleiche Verteilung der häuslichen Arbeitsteilung wahrnehmen und wie sie darauf reagieren. Anhand einer Untersuchung von statistischen Daten und 17 Monographien von heterosexuellen Paaren mit Kindern wird die Idee vertreten dass sich der Zeitraum von den 80iger Jahren bis in die heutige Zeit im Arbeitermilieu weniger durch ein Festhalten an einer traditionellen geschlechtlichen Arbeitsteilung charakterisiert als durch eine langsame Veränderung der Konzeption von Hausarbeit. Das Festhalten an einer traditionellen sexuellen Arbeitsteilung ist stärker in den sozialschwachen Gruppen vertreten. In den sozial stabilen Straten des Arbeitermilieus ist diese Konzeption Objekt einer Veränderung durch eine gemäßigte, jedoch ansteigende Teilnahme der Männer – Arbeiter und Angestellte – an der Hausarbeit sowie durch die Infragestellung der Überlastung der Frauen.

 

Olivier Masclet

« Das ist mein Moment». Die freie Zeit von Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten

Verfügen Arbeiterinnen und weibliche Angestellte in der heutigen Epoche über Freizeit die ihnen persönlich zu Verfügung steht, ohne familiäre oder berufliche Pflichten? Auch wenn die freie Zeit dieser Frauen oft von familiären Aufgaben überschattet wird kann die Analyse sich jedoch nicht nur auf diese kollektive Dimension beschränken da die individuellen Bedürfnisse häufig zum Zug kommen. Obwohl der Artikel die soziale Ungleichheit der Frauen in Bezug auf die Nutzung ihrer freien Zeit betont, werden außerdem die Freizeitaktivitäten der Frauen aus dem Arbeitermilieu aufgezeigt die sie selbst gestalten, als auch die allgemeine Banalisierung der Anerkennung von Freizeit im Arbeitermilieu. Es wird auch deutlich dass Freizeit ein Mittel für die Frauen darstellt um die Rollenimpositionen sowohl als Ehefrau, Mutter und als auch als abhängige Arbeitnehmerin zu limitieren.

 

Olivier Schwartz

Die Frauen der Arbeiterklasse, zwischen Kontinuität und Wandlung

Dieser Artikel handelt vom Platz der Frauen in Arbeiterfamilien der heutigen französischen Gesellschaft und von den Entwicklungen die diese Stellung im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert haben. Die soziologische und historische Literatur hat schon lange die unveränderten Charakteristiken der Position der Frauen im Arbeitermilieu des 19ten und 20igsten Jahrhunderts aufgezeigt. Die Monographien die im Rahmen des präsenten Projektes „Das heutige Arbeitermilieu“[1] realisiert wurden erlauben die aktuelle Situation der Frauen zu untersuchen. Sie zeigen wichtige Veränderungen auf, die sowohl die Funktionsweise der Paare betreffen als auch die Aspirationen der Frauen, ein klares Zeichen dafür dass die Männer und Frauen des Arbeitermilieus weit davon entfernt sind ausschließlich ihre traditionellen Lebensweisen zu reproduzieren. Diese Veränderungen koexistieren mit Kontinuitäten, die ebenfalls von den Daten belegt wurden. Der Artikel erstellt eine nuancierte Analyse der Veränderungen und Kontinuitäten der aktuellen Position der Frauen im Arbeitermilieu unter Herausstellung dieser verschiedenen Einflüsse.

[1] Originaltitel: « Le populaire aujourd’hui ».

 

Vanessa Stettinger

Mutter « ich mache alles ». Erziehungspraktiken im Arbeitermilieu im Konflikt

In den mittleren Schichten des etablierten Arbeitermilieus werden die Erziehungsaufgaben fast ausschließlich von den Frauen erledigt welche in gewissen Fällen sich dazu verpflichtet fühlen ihre berufliche Tätigkeit diesen Aufgaben unterzuordnen. Diese Frauen sind somit die Hauptverantwortlichen für die Reproduktion von Erziehungsnormen die angeblich ihren Kindern zum Erfolg verhelfen sollen wie regelmäßige Bettzeiten, eine gesunde Ernährung, die Überwachung der Hausaufgaben und die Organisation von außerschulischen Aktivitäten. Der Ursprung dieser Normen in der Mittelklasse führt jedoch dazu, das ihre Umsetzung für die Frauen Kosten mit sich bringt, welche ihre begrenzten Mittel deutlich machen. Sie finden ein glückliches Familienleben wieder sobald sie von diesen aus der Mittelklasse stammenden Normen abweichen und sich der Praxis des Arbeitermilieus annähern.

 

N° 40/2018 Präsidentschaftswahlen 2017 – Frauen, Männer und Wählerstimmen

 

Catherine Achin und Sandrine Lévêque

Mind the Gap! Von sexuellen Unterschieden zum geschlechtlichen Wahlverhalten

Dieser Artikel schlägt einen kritischen Rückblick auf das gender gap im Wahlverhalten von Männern und Frauen in den okzidentalen Demokratien vor. Anhand einer Untersuchung der Reproduktionsbedingungen der Unterschiede im Verhältnis von Frauen und Männern zur Politik wird die Zentralität von Geschlechterforschung in Untersuchungen über Wahlverhalten deutlich. Der Artikel zeigt theoretische und methodische Wege auf welche von einer reflexiven Haltung gegenüber der Beziehungen die im Rahmen der Untersuchung geknüpft wurden ausgeht, die sozialen Hintergründe und das Signifikat der Wählergruppierungen untersuchen, und die den ständigen Prozess der politischen Sozialisation und die Artikulation der Geschlechterverhältnisse mit anderen Machtverhältnissen in den Vordergrund stellen.

 

 

Martin Baloge und Marie-Ange Grégory

Der Einfluss von (Ehe)partnerschaften auf das Wahlverhalten

Die Analyse von Sozialisationsprozessen ist im Allgemeinen auf die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern begrenzt oder auf Peergruppen. Dieser Artikel behandelt diese Prozesse innerhalb von (Ehe)paaren indem er sich für die Einflüsse des Paares auf das Wahlverhalten sowie des Wahlverhaltens auf das Paar  untersucht. Die Studie baut auf quantitativen Daten auf, die Ergebnisse einer Umfrage des Wahlabends der Präsidentschaftswahlen von 2017 die aus vier Wellen von Interviews mit heterosexuellen Paaren besteht. Der Einfluss des Paares auf die politische Meinungsbildung muss im Zusammenhang mit anderen Variablen untersucht werden wie insbesondere Klasse, Alter und die politische Herkunft, und sollte auch die Studie des weiteren sozialen Umfelds und des sozialen Netzwerks der beiden Partner in einer dynamischen „Karriereperspektive“ mit einbeziehen.

 

Lorenzo Barrault-Stella, Clémentine Berjaud und Safia Dahani

Wahlpraxis zwischen Klasse, Geschlecht und ethnischer Herkunft

Dieser Artikel untersucht die Wahlpraktiken von 2017 von drei farbigen Frauen aus dem Arbeitermilieu. Anhand von Beobachtungen und mehrfach wiederholten Interviews vor, während und nach dem Wahlvorgang, handelt die Untersuchung in einem stark segregierten Viertel von den Entstehungsbedingungen ihres sehr unterschiedlichen Wahlverhaltens, wobei ihre soziale, geschlechtliche und ethnische Herkunft im Vordergrund steht. Obwohl diese drei Frauen im selben Viertel und in denselben (Wohn)verhältnissen leben sind ihre politischen Ausrichtungen sehr unterschiedlich (von Kandidaten der « Front National[1] » bis zu Kandidaten der sozialistischen Partei). In den drei Fällen werden ihre relative Position innerhalb des lokalen Arbeitermilieus, ihre soziale Position als Frau und ihre interfamiliären Beziehungen sowie auch ihre ethnische (und religiöse) Herkunft miteinander verknüpft um ihre statistisch wenig wahrscheinlichen Stimmenausrichtung zu erklären, welche tendenziell mit den konfliktreichen Sozialbeziehungen in ihrem Wohnviertel zusammenhängen.

 

Sophie Bernard

Männliche Unabhängigkeit, weibliche Prekarität

Die Handelsvertreter.innen und Gehalt auf Kommissionsbasis

Dieser Artikel handelt von der Bezahlung von Handelsvertreter.innen auf Kommissionsbasis. Diese Angestellten unterscheiden sich von anderen Arbeitnehmer.innen durch ihre große Unabhängigkeit und durch eine Gehaltsunsicherheit die ihre Situation der der freien Mitarbeiter.innen annähert. Von dieser Situation leiten sich jedoch für die betroffenen Männer und Frauen jeweils unterschiedliche Berufspraktiken und Verhältnisse zur Arbeit ab. Für die Männer stellt diese Unabhängigkeit in Bezug auf ihre Arbeit eine Möglichkeit dar, sich stark in die Arbeit zu investieren um eine Gehaltserhöhung und einen sozialen Aufstieg zu ermöglichen, wohingegen die Frauen sich diese Autonomie aneignen um ihr Berufs- und Familienleben miteinander in Einklang zu bringen womit sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder beibehalten können. Diese Unterschiede, welche auf einem Kompromiss und einer Aushandlung zwischen den (Ehe)partnern beruhen, tragen somit in fine zur Beibehaltung von geschlechtlichen Ungleichheiten und letztendlich zur Einschätzung des Mannes als „Hauptverdiener“ und des weiblichen Gehaltes als „Zusatzeinkommen“ bei.

 

Christèle Marchand-Lagier

Die weiblichen Wähler von Marine Le Pen.
Ein Effekt der Generation oder soziale und berufliche Prekarität?

Sind die weiblichen Wähler der Front National eine Normalität geworden? Was ist daran so besonders? Wer sind die Frauen die für Marine Le Pen wählen? Dieser Artikel basiert auf der Auswertung eines Fragebogens der den Wähler.inne.n am Ausgang der Wahllokale im Rahmen des ALCoV[i]– Forschungsprojektes nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in 2017 vorgelegt wurde. Die Daten werden auf das Verschwinden eines « radical right gender gaps » hin untersucht, welches von einem « gender generation gap » ersetzt worden wäre welche die stärkere Neigung von jungen Frauen zur Wahl für die rechtsextreme Kandidatin plausibel machen könnte. Abgesehen vom Geschlecht ist es jedoch nötig die verschiedenen Momente im Leben der Frauen mit in die Untersuchung einzubeziehen, da ihre im Vergleich zu den Männern größere Abhängigkeit von ihrem familiären, sozialen und beruflichen Umfeld erklären kann warum sie für die Front National (FN) wählen. Die Anziehungskraft der FN auf diese zu den am wenigsten politisch aktiven Kategorien gehörenden Gruppen erklärt sicherlich zumindest teilweise diese wiederholten Wahlmisserfolge.

 

Janine Mossuz-Lavau

Arbeit, Geschlecht und Wahlen

Pionierin der Wahlanalysen unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtsunterschiede, kommt Janine Mossuz-Lavau auf ihre Laufbahn und ihr Forschungsinteresse in diesem Problembereich seit ihren Untersuchungen über das weibliche Wahlverhalten im Cevipof (Centre de recherches politiques vom Institut Sciences Po) mit Mariette Sineau zurück.

 

Mathieu Trachman

Die Banalisierung von Gewalt. Ein Fall von sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen im Künstlermilieu

Die Banalisierung ist ein häufiges Thema von Studien von geschlechtlicher Gewalt. Anhand der Analyse eines Falles von sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen behandelt dieser Artikel die Fragen und Hintergründe dieses Vorfalls. Es wird in erster Hinsicht aufgezeigt dass das Konzept vom Alltäglichen oder vom Banalisierten oft das bezeichnet was alle Frauen gemeinsam haben und es ergo notwendig wird herauszustellen was spezifisch an der analysierten Situation ist. Im untersuchten Fall – der künstlerischen Arbeit – wird deutlich dass die Dimension der Berufung, sowie die Personalisierung der Beziehung zwischen Professor und Studentin dazu führt dass der Preis den die Frauen zahlen um zu diesem Beruf Zugang zu bekommen, sehr hoch ist, und somit determinierend wird. Feministischen Studien haben unter Anderem gezeigt, dass die Banalisierung von Gewaltsituationen im Alltagsleben von Frauen häufig ist, und zu ihrer Verbreitung beiträgt. Die genaue Untersuchung der Fakten, Situationen und ihrer Qualifizierung zeigt dass die Identifizierung von Gewalt voraussetzt dass diese als nicht normal angesehen wird, was eine Reflexivität voraussetzt welche in den Fällen von geschlechtlicher Gewalt im Allgemeinen nicht vorhanden ist. Dieser Hiatus kann die häufigen Zweifel über den Bestand, oder die Abwesenheit, von Gewalt erklären, was nachträglich Gewaltsituationen oft als nebulös erscheinen lässt. Die Banalisierung, oder die Alltäglichkeit von Gewalt beschreibt somit weniger das Verbergen eines Gewalttatbestandes als ein Erfahrungsregister das Aggressionen und Missbrauch als Teil der Normalität der Akteure wahrnimmt.

 

 

Mathieu Trachman

Die Banalisierung von Gewalt. Ein Fall von sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen im Künstlermilieu

Die Banalisierung ist ein häufiges Thema von Studien von geschlechtlicher Gewalt. Anhand der Analyse eines Falles von sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen behandelt dieser Artikel die Fragen und Hintergründe dieses Vorfalls. Es wird in erster Hinsicht aufgezeigt dass das Konzept vom Alltäglichen oder vom Banalisierten oft das bezeichnet was alle Frauen gemeinsam haben und es ergo notwendig wird herauszustellen was spezifisch an der analysierten Situation ist. Im untersuchten Fall – der künstlerischen Arbeit – wird deutlich dass die Dimension der Berufung, sowie die Personalisierung der Beziehung zwischen Professor und Studentin dazu führt dass der Preis den die Frauen zahlen um zu diesem Beruf Zugang zu bekommen, sehr hoch ist, und somit determinierend wird. Feministischen Studien haben unter Anderem gezeigt, dass die Banalisierung von Gewaltsituationen im Alltagsleben von Frauen häufig ist, und zu ihrer Verbreitung beiträgt. Die genaue Untersuchung der Fakten, Situationen und ihrer Qualifizierung zeigt dass die Identifizierung von Gewalt voraussetzt dass diese als nicht normal angesehen wird, was eine Reflexivität voraussetzt welche in den Fällen von geschlechtlicher Gewalt im Allgemeinen nicht vorhanden ist. Dieser Hiatus kann die häufigen Zweifel über den Bestand, oder die Abwesenheit, von Gewalt erklären, was nachträglich Gewaltsituationen oft als nebulös erscheinen lässt. Die Banalisierung, oder die Alltäglichkeit von Gewalt beschreibt somit weniger das Verbergen eines Gewalttatbestandes als ein Erfahrungsregister das Aggressionen und Missbrauch als Teil der Normalität der Akteure wahrnimmt.

[1] Nationale Front, rechtsextreme Partei, Anmerkung der Übersetzung.

[i] Projekt ANR ALCoV – Analyses Localisées Comparatives du Vote : défiance, abstention et radicalisation politique dans la France contemporaine [Lokale Vergleichende Wahluntersuchung : Misstrauen, Abstention und Radikalisierung im heutigen Frankreich].

 

N° 37/2017 Kinderlos

Anne Gotman

Die Wahl kinderlos zu bleiben

In der Mehrheit der entwickelten Länder, die Anzahl der kinderlosen Männer und Frauen ist ansteigend, jedenfalls auf kurze Sicht. Unsere Studie interessiert sich für diejenigen welche sich aus freien Stücken als kinderlos erklären. Um dieses Phänomen zu erklären, werden ihr soziologisches Profil und ihre Motivationen untersucht; außerdem wird gezeigt, dass diese Entscheidung oft mit einer Forderung zur Gleichberechtigung der Anerkennung von Eltern und Nicht-Eltern einhergeht.

 

Nassira Hedjerassi

Audre Lorde, die Außenseiterin. Die Entstehung einer Poetin und einer intellektuellen, afrikanisch-amerikanischer Feministin.

Dieser Artikel handelt von Audre Lorde, einer Poetin und emblematischer Figur der Geschichte der feministischen und lesbischen afrikanisch-amerikanischer Kämpfe um Anerkennung des XXigsten Jahrhunderts. Ich versuche anhand ihrer Kindheit und Jugend in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verstehen, wie sie zu einer Intellektuellen geworden ist, trotz des Amerikanischen Kontextes, der stark von einem segregationistischen System geprägt ist, welches den Schwarzen, und insbesondere den schwarzen Frauen, viele Rechte verweigert, wie den Zugang zu Bildung, und zu Arbeit (besonders zu qualifizierter Arbeit und den höheren intellektuellen Berufen). Anhand von (auto)biographischem Material handelt es sich darum ihre Schul- und Bildungslaufbahn zu verstehen, und sie in ihren sozial-historischen Hintergrund anhand einer artikulierten Analyse der Klassen-, Rasse- und Geschlechtsbeziehungen einzuordnen.

 

Michaela Kreyenfeld und Dirk Konietzka

Kind oder Arbeit ? Das Dilemma der Frauen aus Ost- und Westdeutschland.

Vor der Wiedervereinigung hatten im Osten Deutschlands weniger als 10% der Frauen keine Kinder wohin im westlichen Teil Deutschland ihr Anteil ständig anstieg und schließlich mehr als 20%erreicht hatte. Dieser Artikel untersucht anhand der Daten der Mikrovolkszählung diese unterschiedlichen Dynamiken. Es handelt sich darum die verschiedenen Sozialpolitiken zu untersuchen, die vor der Wiedervereinigung die Erwerbstätigkeit von Frauen und die Familienmodelle beeinflusst haben. Der Artikel behandelt ebenfalls andere Tendenzen und jüngere Entwicklungen, wie insbesondere die Entwicklung von Strukturen für Kleinkinder und die Reform des Erziehungsurlaubs in 2017. Auch wenn die Familienmodelle im Osten und im Westen des wiedervereinigten Deutschlands sich angenähert haben verbleiben Unterschiede. Auch heute ist es noch eher üblich für eine Frau im Westen Deutschlands keine Kinder zu haben als im östlichen Teil Deutschlands. Die Frauen in Ostdeutschland arbeiten im allgemeinen Vollzeit wogegen der Anteil der Mütter mit Vollbeschäftigung im Westen Deutschlands nur langsam ansteigt.

 

Véronique Marchand

Auf dem Markt arbeiten: Händler/in in La Paz und Roubaix

Der Vergleich von zwei ethnographischen Untersuchungen auf den Märkten von La Paz und Roubaix zeigen, dass die Analyse der sozialen Geschlechtsverhältnisse nur unter Einbeziehung eines komplexen Netzes von Beziehungen zwischen ethnischen, beruflichen und sexuellen Identitäten möglich ist, welche ebenfalls vom Bildungsniveau und der Generation beeinflusst werden. In La Paz sind die Straßenhändlerinnen fast ausschließlich Frauen, die oft Analphabeten sind und für den Unterhalt ihrer Familie aufkommen müssen; die langsame Maskulinisierung des Straßenhandels seit den 80iger Jahren stößt auf den Widerstand der Frauen, die versuchen, ihre Monopolsituation zu verteidigen. In Roubaix wird der Straßenhandel von Männern, die aus Nordafrika kommen, und keinen festen Erwerb haben, dominiert. Die wenigen Frauen haben ein sehr geringes Bildungsniveau und sind meistens allein für das Familieneinkommen zuständig. In beiden Fällen stellt die Arbeit auf dem Markt eine Emanzipationsmöglichkeit der Frauen von den Männern dar, selbst wenn es sich um eine nicht vertragsgebundene Erwerbstätigkeit handelt.

 

Helen Peterson

« Ich wäre niemals Hausfrau ». Die Ablehnung Kinder in Schweden zu bekommen.

Im Allgemeinen wird die Entscheidung für die Kinderlosigkeit von bestimmten Frauen durch die  mangelnde Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die ungerechte Aufteilung von Haus- und Erziehungsarbeit erklärt, sowie in Bezug auf ihre berufliche Laufbahn. Dieser Artikel versucht zu verstehen ob die Wahrnehmung der geschlechtlichen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und im Privatleben einer der Hintergründe für die Ablehnung der Mutterschaft gewisser Frauen  in Schweden sein kann, einem der Länder wo die sexuelle Gleichberechtigung jedoch am weitesten fortgeschritten ist. Unsere Untersuchung basiert auf einer Serie von Interviews mit Schwedinnen die sich für die Kinderlosigkeit entschieden haben, um die Beziehung zu untersuchen, die sie zwischen ihrer Entscheidung und der mangelnden sexuellen Gleichberechtigung in ihrer Gesellschaft, sowie in ihrem beruflichen und familiären Umfeld, welche ihre ablehnende Haltung der Mutterschaft gegenüber beeinflusst hat, herstellen. Aus Sicht der interviewten Frauen bedroht die Mutterschaft ihre Gleichstellung und ihren Status auf dem Arbeitsmarkt, und ihre Beziehungen zu den Männern.

 

N° 38/2017 Die Fremdgeburt

Affirmation und Widerstand: Geschlechtsidentitäten in Berufsoberschulen

Séverine Depoilly

Anhand von ethnographischer Feldforschung in drei Berufsoberschulen in relativ sozialschwachen Pariser Vororten, untersucht dieser Artikel die Art und Weise mit der sich die sexuellen Identitäten unter Jugendlichen aufbauen (zwischen Jungen, zwischen Mädchen, und zwischen den Geschlechtern) und wie sich diese Identitäten im Rahmen der Schule miteinander artikulieren. Es wird gezeigt, dass diese Beziehungen einerseits auf einem Rollenspiel beruht, welches den Mädchen und den Jungen ihre traditionellen Rollen zuweist und somit auf einer traditionellen Geschlechterordnung aufbaut. Andererseits werden jedoch auf Änderungen aufgezeigt : anhand des Vergleiches von stark ähnlichen Ausgangssituationen für die ethnographische Untersuchung wird gezeigt, wie insbesondere die Mädchen diese traditionellen Rollenbilder unterlaufen, sei es durch teilweise Veränderungen oder leichte Verschiebung der ursprünglichen Modelle.

 

Geschlecht und journalistische Praxis in der Mountainbikepresse

Mélie Fraysse und Christine Mennesson

Dieser Artikel handelt von den diversen Ausdrucksformen der männlichen Domination in einem hauptsächlich maskulin geprägten Kontexts, wie der auf Mountainbiker spezialisierten Presse. Anhand der Mobilisierung des Ansatzes des „Genderregimes“ und der „hegemonischen Männlichkeit“ [Connell, 1983 ; 1987] werden verschiedene Formen von « journalistischer » Männlichkeit und Weiblichkeit in den Redaktionen von Sportzeitschriften als auch deren soziale Ausgangsdingungen untersucht. Auch wenn das untersuchte Genderregime auf hegemonischer Männlichkeit und emphasized feminity[i] beruht, haben jedoch Einige der Untersuchungsteilnehmer abweichende Berufspraxen und hinterfragen diese Geschlechtsmodelle. Die beruflichen Sozialisationsmodelle spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle.

 

Die moralische Annehmbarkeit der Leihmutterschaft.

Die Lehre der eigenen Schwangerschaft im Dienst von mehr Gerechtigkeit

Marlène Jouan

Die oft konfuse Diskussion über Leihmutterschaft splittet die Frauenbewegung mindestens genauso auf wie die Diskussion über Prostitution. Diese Artikel diskutiert die Frage der Unabhängigkeit der Frauen, auf die sich diese Diskussion bezieht und hinterfragt die Leihmutterschaft in Hinblick auf die moralische Rechtfertigung der Schwangerschaftsunterbrechung, welche nicht in Frage gestellt wird. Anhand der englischsprachigen Literatur wird die Leihmutterschaft unter diesem Blickwinkel als carework eingestuft. Der Artikel zeigt, dass die moralische Vertretung dieser Auffassung die Mobilisierung einer komplexen Definition von Verantwortlichkeit nötig macht, welche sowohl die von unseren Auffassungen der Mutterschaft strukturierte geschlechtliche Domination berücksichtigen muss, das Risiko der Alienation der schwangeren Frau als auch die strukturelle Ungerechtigkeit auf welcher die internationalen Praktiken der Leihmutterschaft basieren, miteinbeziehen.

[i] Anmerkung der Übersetzung : im Original in Kursivschrift.

Der Volksball in Spanien unter Franco: nicht das Glücks- sondern das Liebesspiel

Laura Nattiez

Auch wenn der Volksball auf den ersten Blick als ein frivoler Zeitvertreib der Jugend betrachtet wird, handelt es sich jedoch in Wirklichkeit um einen sehr fruchtbaren Untersuchungsansatz um die geschlechtlichen Verhaltensnormen auf dem Hochzeitsmarkt in der ersten Hälfte des XX° Jahrhunderts zu studieren. Bei der Erfassung von Lebensläufen der Bevölkerung in verschiedenen Regionen Spaniens hat sich herausgestellt dass sämtliche Frauen, die in den dreißiger Jahren geboren sind, ihre Jugenderinnerungen mit diesem Ereignis verbinden und davon erzählen. Die Analyse der biographischen Interviews zeigt, dass es sich um den ersten Kontakt mit dem anderen Geschlecht in einem offenen Raum handelt welcher die Annäherung von zukünftigen Ehepartnern ermöglicht. Angesichts des starken Einflusses der Wahl für den weiteren Lebensweg ist das Verhalten der jungen Frauen strengen Normen unterworfen und ist stark kontrolliert wobei der Anstandsdame eine wichtige Rolle zukommt.

 

Diskriminierung von Homosexuelles auf dem Schweizer Arbeitsmarkt

Lorena Parini und Anouk Lloren

Dieser Artikel handelt von den Ergebnissen einer Studie von 2014/2015 über die Diskriminierung von homosexuellen und lesbischen Arbeitnehmer.innen in der Schweiz. Anhand eines über Internet verteilten Fragebogens untersuchen die Autoren die Formen und die Häufigkeit der Homophobie sowie die Auswirkung diverser sozialer Faktoren, wie z.B. das Alter, die Sichtbarkeit oder das Arbeitsmilieu (eher männlich, weiblich oder gemischt) auf die verschiedenen Formen von Diskriminierung. Die Ergebnisse zeigen dass die Mehrheit der homosexuellen oder lesbischen Arbeitnehmer.innnen in der Schweiz Diskriminierung erfahren, welche sowohl verbal sein kann; es finden jedoch auch Ausgrenzungen, und besonders moralische und sexuelle Belästigungen statt. Die Ergebnisse werden hier in einer geschlechtlichen Perspektive interpretiert, welche es ermöglicht den Platz der Geschlechtsnormen innerhalb homophober Verhaltensweisen zu erfassen.

 

Intendanten und Verwalterinnen: eine geschlechtliche Rollenteilung in unabhängigen Theatergruppen

Serge Proust

Die kulturellen Verwalterinnen haben hauptsächlich als Aufgabe das materielle und tägliche Überleben von (kleinen) Kunstbetrieben zu garantieren, ihre Arbeit ist jedoch zum Großteil unsichtbar. Das Verhalten dieser Frauen ist ein Ausdruck ihrer Abhängigkeit von den Intendanten, zum Großteil männlichen Geschlechts welche sowohl über künstlerische Legitimität und soziale Autorität verfügen. Obwohl ihre diversen Aufgaben weiterhin als eine Form der Haushaltsführung eingeschätzt werden, ist die Arbeit dieser Frauen ebenfalls von den Forderungen des künstlerischen Feldes bestimmt, welche zur Verwischung der zeitlichen und örtlichen Grenzen führen. Sie können jedoch nicht mit denselben materiellen und besonders symbolischen Vorteilen rechnen wie die Künstler, die diese „Rechte“ monopolisieren. Das ist die Ursache der Suche der Verwalterinnen nach der Einführung von Regeln und Prinzipien der Lohn- und Arbeitnehmergesellschaft.

 

Warum eine Leihmutterschaft[i] nicht ethisch sein kann

Martine Ségalen

Angesichts des Missbrauches der Praktiken der Leihmutterschaft setzen sich Forscher, Privatpersonen und militante Gruppen für ihre Regulation durch den Gesetzgeber ein, und basieren ihre Argumentation auf der Idee einer « ethischen » oder « altruistischen » Leihmutterschaft, die jedwede kommerzielle Beziehung ausschließt. Dieser Artikel handelt von den Ursachen der Enstehung dieser Praktiken, den sozialen Rahmenbedingungen auf denen der Diskurs der Leihmütter aufbaut, das Lexika das benutzt wird, um ihre Existenz als Mütter verschwinden zu lassen und zeigt die Folgen der Entstehung eines globalen Fortpflanzungsmarktes von Leihmüttern. Im Namen der Ablehnung der Instrumentalisierung des weiblichen Körpers und der Vermarktung des Kindes wird gezeigt dass nur ein universelles Verbot dieser Praxen „ethisch“ wäre.

[i] Im Französischen : GPA  oder Gestation pour autrui (Anmerkung der Übersetzung)

N° 36/2016 Die Leistung und das Risiko


Antoine Duarte und Isabelle Gernet

Heldentum und Selbstschutz bei Frauen und Männern an der Pistenwacht

Die in diesem Artikel vorliegenden Untersuchungsergebnisse einer klinischen Forschung im Bereich der Psychodynamik der Arbeit, die aus Anlass des tödlichen Unfalls eines Pistenwächters in einer Skistation durchgeführt wurde, hinterfragen die Verhältnisse zwischen kollektiven, auf virilen Werten basierenden Selbstschutzmechanismen, und dem Identitätskampf einer einzelnen Frau. Da aus Sicht der Autoren diese Verhältnisse von den von den Arbeitnehmern/Innen tagtäglich zur Arbeitsbewältigung mobilisierten psychischen Prozessen abhängen wenden sie diese Methode für die Analyse des Falles von Alexandra an, der einzigen Frau die diesen Risikoberuf innerhalb eines Männerkollektivs ausübt.

 

 

Angèle Grövel und Jasmina Stevanovic

Achtung : Frauen an Bord ! Risiken und Gefahren der Feminisierung des Berufes des Marineoffiziers der Handelsmarine

Der Beruf des Marineoffiziers der Handelsmarine wird allgemein als risikoreich betrachtet, was dem Erlebnis der Offiziere entspricht. Die Handelsschifffahrt birgt zwei Hauptrisiken: die Ersten hängen mit den Gefahren des Meeres zusammen – ein per excellence unvorhersehbares Element -, und die Zweiten sind mit dem verlängerten Aufenthalt einer Crew in einem geschlossenen und begrenzten Raum verbunden. Bis vor kurzem bestanden waren die Mannschaften ausschließlich aus Männern, eine der herausragen Eigenschaften dieses Berufes. Die kürzlich begonnene Feminisierung dieses Berufes ruft widersprüchliche Reaktionen hervor, die diese Veränderung sowohl als ein Mittel zum Schutz der Geschlechterordnung verstehen, als sie auch als eine Gefahr betrachtet, die es zu kontrollieren heißt. Dieser Artikel, der auf zwei Untersuchungen des Berufsfeldes von Marineoffizieren/Innen aufbaut, handelt von den positiven und negativen Auswirkungen der Feminisierung auf das Risikoverhalten und die menschlichen Bezüge an Bord von Handelsschiffen.

 

 

Florence Legendre

Zum Zirkuskünstler werden : Risiko erlernen 

Für Zirkuskünstler ist die Frage des Risikos zentral, da sie ihre körperliche Integrität beeinträchtigen kann. Obwohl die Zirkuswelt sowohl geschlechtsspezifische als auch geschlechtsneutrale Rollenbilder und Werte birgt, sind risikoreiche körperliche Aktivitäten eindeutig stärker mit maskulinen Wertbildern und Normen besetzt. Die Untersuchung der Bereitschaft zur Risikoaufnahme als Organisationsprinzip der beruflichen Sozialisation der Zirkusanwärter/Innen steht somit im Zentrum unserer Untersuchung. Welchen Platz nimmt die Risikobereitschaft in der Sozialisation zum Zirkuskünstler ein? Wie aus den biographischen Interviews hervorgeht, setzt die Lehrzeit der Zirkuslehrlinge eine ständige Infragestellung und Anpassung der eigenen Laufbahn voraus, deren drei Hauptelemente sich wie folgt umschreiben lassen: die Berufsrisiken (wieder)definieren, erlernen mit den körperlichen Risiken umzugehen und die Haltung eines Zirkuskünstlers anzunehmen.

 

 

Alain Chenu und Olivier Martin

Die gläserne Decke des Hochschulschullehrkörpers[1] (Fachbereich Soziologie und Demographie)

Die Feminisierung des französischen Hochschulsystems steigt: der Fachbereich „Soziologie, Demographie“ zeigt diese Entwicklung besonders gut da in 2012 der Anteil des weiblichen Lehrkörpers 44% ausmachte, verglichen mit 24% in 1984. Dieser Artikel zeigt, dass die steigende Feminisierungstendenz jedoch den Fortbestand einer gläsernen Decke verschleiert, und versucht die Ursachen für diese Entwicklung zu untersuchen. Zu diesem Zweck werden die verschiedenen Laufbahnschritte des Lehrkörpers (Qualifikation, Zulassung zum Lehrkörper der Dozenten, eventuelle Qualifikation zum Professor, eventuelle Zulassung zum Professorenstand) anhand von individuellen Untersuchungsdaten für den Zeitraum von 1984-2013 systematisch untersucht. Es zeigt sich dass die geschlechtliche Gleichberechtigung von Kandidaten/Innen beim Lehrkörper der Dozenten  erreicht ist wohingegen dies nicht der Fall für die Professorenlaufbahn ist: die gläserne Decke befindet sich auf dem Weg vom(n) der Dozente(i)n zum(r) Professor(in).

 

 

Juliette Rennes

Pariser Kutscherinnen, das Risiko zur Schau gestellt

In Paris, 21. Februar 1907 mehrere Dutzend Photographen und Journalisten schupsen sich um die ersten Kunden der beiden ersten Kutscherinnen von Paris zu sein. Die Kutscherinnen, die seit 1906 in der Lehre waren, regten diverse Reportgagen an und wurden zu Figuren des Straßentheaters, satirischer Zeichnungen und der ersten Filme der Filmgesellschaften Pathé und Gaumont. Dieser Artikel stellt dieser Proliferation von visuellen- und Medienarchiven über die „Kutscherfrau“[2] in Grundbuchauszüge, Archive der Volkszählung, der Gemeindearchive und der Polizeiverwaltungsarchive gegenüber, um den Prozess zu analysieren, durch den diese oft aus ländlichen Arbeitermilieus stammenden Frauen zu einem Berufsstand Zugang fanden, der häufig sowohl aus Gründen seiner statistischen Zusammensetzung als auch seiner sozialen Identität als typisch männlich angesehen wurde. Das Bild des Risikos und der geleisteten Tat, die aus den Darstellungen der Kutscherinnen spricht, die hauptsächlich zum Amüsement eines bourgeoises Publikums gedacht waren, werden somit mit den realen Berufsrisiken dieser, als weibliche Minderheit in einem Männerberuf besonders stark sichtbaren und somit den Gefahren des Pariser öffentlichen Raumes ausgesetzter Arbeiterinnen, konfrontiert.

 

 

Denis Ruellan

Kriegsreporterinnen

Diese Studie hinterfragt die Effektivität der Feminisierung der Journalistischen Reportage in Krisengebieten, die Resistenzkraft des maskulinen Mythos dieser Tätigkeit, den Fortbestand der geschlechtsspezifischen Rollenunterschiede und Stereotypen und zieht letztendlich Bilanz der Kosten und Gewinne dieser Transformation für die Berufs- und Familienlaufbahn. Auch wenn einerseits klar wird, dass Reporter in Krisengebieten häufiger Frauen sind, wird andererseits gezeigt, dass die Geschlechtsdynamiken, die Differenzierungs- und Hierarchisierungsprozesse der Identitäten weiter gelten und Frauen benachteiligen. Diese Untersuchung des Journalismus und der Reportage-tätigkeit in einer historischen Perspektive baut auf ca. zwanzig biographischen Interviews mit französischen Reportern auf.

[1] Im Original : « Enseignants-chercheurs ». Anmerkung der Übersetzung.

[2] Im Original in Anführungszeichen (Anmerkung der Übersetzung).

 

N° 35/2016 Karrierefrauen

Sophie Boussard

Die Überlebenden : die außergewöhnlichen Fähigkeiten von weiblichen Führungskräften im Finanzwesen

Eine weibliche Führungskraft im Bereich des Finanzwesens der Ankäufe und Fusionen zu sein ist das Ergebnis von einem doppelten Erfolg : einen Beruf ergriffen zu haben, der ausdrücklich als männlich anerkannt ist, und in ihm geblieben zu sein, und in diesem Bereich also die höchsten Karriereniveaus erreicht zu haben. Dieser Artikel untersucht diesen Erfolg anhand von einer ausgedehnten Studie die sowohl auf einer Datenbasis über die Akteure des Bereiches der Ankäufe und Verkäufe im Jahr 2010, biographischen Interviews und Beobachtungen der Arbeit beruht. Es wird gezeigt, daß der stark maskulin orientierte Berufsethos wie ein Gatter funktioniert, welches den Zugang von Frauen zu Führungspositionen stark erschwert. Dieser Ethos entspricht ergo einer sehr unwahrscheinlichen Kombination von Dispositionen und Fähigkeiten, die den Frauen erlauben sich an diesen maskulinen Berufsethos anzupassen.

 

Anne-Françoise Bender, Rey Dang und Marie José Scotto

Die Profile von den weiblichen Mitgliedern von Aufsichtsräten in Frankreich

Dieser Artikel untersucht die Indikatoren des human capitals[1] und des sozialen Kapitals von Frauen und Männern die Mitglieder von den Aufsichtsräten von Unternehmen des SBF[2] 120 in 2013 waren – zwei Jahre nachdem das Gesetz zur Quotenregelung in Kraft getreten ist. Anhand von vorhergehenden Studien, die in Frankreich und den vereinigten Staaten realisiert wurden, vergleichen wir die demographischen Profile, Bildungsprofile und die Berufserfahrung der 1250 Frauen und Männern, die Aufsichtsratsmitglieder des SBF 120 in 2013 waren. Unsere Ergebnisse zeigen dass die Bildungs- und die beruflichen Laufbahnen der Frauen denen der Männer ähneln, wie aus einer ähnlichen Studie hervorging die wir in 2010 erstellt haben. Es bestehen jedoch weiterhin Unterschiede zwischen Frauen und Männern, was die Natur der Berufserfahrung und des ausgeübten Mandates betrifft. Der Artikel diskutiert die Ursprünge und möglichen Konsequenzen dieser Ergebnisse.

 

Alban Jacquemart, Fanny Le Mancq und Sophie Pochic

Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Sektor in Frankreich, die Erstehung einer elitären Gleichberechtigung

Von einer « paritätischen Grammatik » getrieben, hat sich die Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der letzten Zeit stark im öffentlichen Dienst entwickelt. Anhand einer Untersuchung im Finanzministerium in Bercy untersucht dieser Artikel die selektiven Karrieremöglichkeiten die von diesen Politiken geschaffen wurden: eine geringe Minderheit von Frauen, sozial homogen und zum großen Teil mit einem Diplom von der ENA[3], haben somit die Möglichkeit des Durchstoßens der gläserne Decke errungen, unter der Bedingung dass sie sich vollkommen der Verwaltung und dem öffentlichen Dienst widmen und unbegrenzte Arbeitszeiten in Kauf nehmen; gleichzeitig verringern die Staatsreformen und die verstärkte Konkurrenz um die Stellungen die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen im höheren Dienst, die in dezentralisierten Dienststellen arbeiten, die kein Diplom von der ENA besitzen und aus weniger privilegierten Milieus kommen.

 

Morgane Kuehni

Die Überreste der Erwerbsgesellschaft: die Anstellung von Arbeitslosen

Anhand einer empirischen Untersuchung eines befristeten Kurzzeitarbeitsprogramms für arbeitslose Frauen und Männer in der romanischen Schweiz befragt dieser Artikel ihre Motivation um in einer Grenzsituation der Erwerbsgesellschaft „die Stellung zu halten“[4]. Die Analyse der Biographien und der Erfahrungen der Arbeitslosen zeigt, dass der verpflichtende Charakter dieser Eingliederungsmaßnahmen nicht ausreicht um die Arbeitsaufnahme von Erwerbslosen zu erklären. Die von den Individuen erwähnten Motive sind vielfältig und beinhalten symbolische Dimensionen. Die Berücksichtigung einer geschlechtsspezifischen Perspektive macht die Domination der erwerbslosen Frauen sowohl in der beruflichen als auch in der Privatsphäre deutlich. Dieser Ansatz zeigt, dass der Druck, der auf den Frauen lastet, besonders stark ist und dazu führt, dass sie sich verpflichtet fühlen an diesen Programmen teilzunehmen um dem Risiko ihrer Verdrängung in die endgültige Erwerbslosigkeit zu entrinnen.

 

Marion Rabier

Die „bleierne Decke“ der Arbeitgeberverbände

Dieser Artikel handelt vom Platz der Frauen in Arbeitgeberverbänden. Anschließend an die Präsentation der Zugangsmechanismen von Arbeitgeberverbänden um Frauen zuzulassen, zeigt die Diagnose vom Platz der Frauen eine starke Unterrepräsentation von Unternehmensleiterinnen auf. Unabhängig davon, ob es sich um interne oder externe Mandate handelt, liegt der Frauenanteil in leitenden Positionen unter 15%; sie stoßen somit an eine „bleierne Decke“. Dieser „chiffrierte Beweis“ der Unterrepräsentation der Frauen macht es möglich einige Funktionsprinzipien dieses Raumes deutlich zu machen, insbesondere was die Machtverhältnisse in Bezug auf bestimmte Mandate betrifft, und im weiteren Sinne die sexuelle Arbeitsteilung in den Arbeitgeberverbänden. Im Bereich der Arbeitgeberverbände sind die Tendenzen, welche in anderen politische Organisationen ebenfalls beobachtet wurden, besonders stark ausgeprägt, da die Präsenz der Frauen auf die sozialen und die am wenigsten anerkannten Mandate begrenzt ist. Diese großen Ungleichheiten scheinen die Arbeitgeberverbände jedoch wenig zu kümmern.

 

Hyacinthe Ravet

Orchestercheffinnen, die Zeit der Pionierinnen ist noch nicht vorbei!

Auch wenn die Musik im Allgemeinen bis heute zu den am wenigsten feminisierten Arbeitsfeldern im Bereich der Kreation und der schaffenden Künste gehört, stellt die Direktion eines symphonischen Orchesters in diesem Zusammenhang ein paroxystisches Fallbeispiel dar. Die weiblichen Orchesterchefs sind weiterhin ein besonderer Einzelfall. Es ist besonders schwer für sie in diesem Milieu einen Platz zu ergattern und als effektive „Chefs“ anerkannt zu werden, da der Ankunft von Musikerinnen immer noch skeptisch gesehen wird. Eine Studie dieses sehr hierarchisch organisiertem, und „maskulinem“ Universums ermöglicht somit die symbolische Bedeutung von kreativer Macht genauer zu beleuchten. Auf diese Art und Weise kann hinterfragt werden wie das Geschlecht den Zugang zu Macht in allen Arbeits- und Lehrbereichen, und in – paradoxaler Weise? – allen Bereichen der Kreation strukturiert. Unter Anderem können ebenfalls die langsamen Veränderungen der geschlechtlichen Unterschiede von stark sexuell differenzierten Praktiken beobachtet werden.

[1] Im Original in Englisch. Anmerkung der Übersetzung.

[2] SBF – Indice de la Société des bourses françaises – Indikator der französischen Börsengesellschaft.

[3] École Nationale d’Administration – Nationale Hochschule für Verwaltung.

[4] Im Original in Anführungszeiten. Anmerkung der Übersetzung.

N° 34/2015 Körper im Griff

Gilles Combaz und Christine Burgevin
Die Schulleiter(Innen) in Frankreich
Seit dem Beginn des XXI Jahrhunderts wurden in Frankreich diverse gesetzliche Maßnahmen zur Förderung von Frauen in beruflichen Führungspositionen durchgesetzt. Die aktuell verfügbaren Untersuchungen zeigen jedoch dass dieses Ziel noch weit entfernt ist, insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes und insbesondere des höheren Dienstes. Für den mittleren Dienst, in unteren Führungspositionen, sehen die Tendenzen jedoch anders aus. In diesem Zusammenhang muss untersucht werden, ob die Schulleitung im Grundschulbereich tatsächlich eine Opportunität für die Berufskarriere der Frauen darstellt. Unsere Untersuchungsmethode baut auf drei Ansätzen auf: eine umfassende Untersuchung von 22 französischen Departments hinsichtlich der Geschlechterverteilung zwischen den verschiedenen Funktionen im Grundschulbereich, einen Fragebogen auf nationalem Niveau und 28 Interviews um die sozialen Determinanten für den Zugang zu Führungspositionen zu bestimmen.

 

Delphine Gardey und Iulia Hasdeu
Dieses merkwürdige Subjekt des Begehrens

Dieser Artikel handelt von den Konzeptionen der weiblichen Sexualität im Okzident seit der Mitte des XIX Jahrhunderts bis in die heutige Zeit. Diese Auffassungen werden durch die Analyse der Art und Weise mit der die weibliche Begierde, Sexualität und deren Fehlfunktionen oder Probleme in der medizinischen Praxis und im medizinischen Wissen behandelt werden. Ursprünglich Lustobjekte, sind die Frauen eines Tages Subjekte oder Akteure des Begehrens geworden. Es wird somit möglich die weibliche Lust, das Verlangen und das Vergnügen der Frauen, als eine Tatsache, ein Gut und ein Recht zu fordern. Die Begriffe der „Fehlfunktion“ oder des „Scheiterns“ werden erst möglich nachdem die Normalität der sexuellen Befriedigung der Frauen zur Normalität geworden ist, das heißt nach 1970. Es handelt sich darum, anhand eines Vergleiches zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, die Formen der Medikalisierung der Sexualität und bestimmte Passagen zwischen dem Diskurs und der Praxis zu hinterfragen. Im Weiteren handelt es sich auch darum herauszufinden in welchem Maße diese Definitionen der weiblichen Sexualität im Okzidentalen Raum auf die Biologie, die Kultur, die Physiologie und die „Psyche“ zurückgreifen. Es handelt sich ebenfalls darum das zeitgenössische biologische Modell der Sexualität näher zu untersuchen und die Art und Weise mit der es unsere Intimsphäre als auch das soziale Leben beeinflusst.

Laura Piccand
Die Pubertät messen. Die Medikalisierung der Adoleszenz, Schweiz, 1950-1970

In Zürich wurde zwischen 1954 und 1970 eine Laufbahnstudie über das angeblich normale Wachstum und die Entwicklung von Kindern realisiert. Ungefähr 300 Jungen und Mädchen, die aus der Stadt Zürich stammen, wurden gemessen, photographiert und geröncht und haben somit über mehr als 20 Jahre an einer der ersten Studien dieses Typs in Europa teilgenommen. Der Artikel zeigt, inwiefern diese Untersuchung zur Herausbildung der heute gültigen geschlechtsspezifischen Wachstumsnormen in der Pubertätsphase beigetragen hat. Der Artikel beginnt mit einer Darlegung des gesellschaftlichen Kontextes, der die Realisierung einer solchen weitläufigen Studie zur Beschreibung, und insbesondere zur Erstellung von Messdaten zur statistischen Erfassung des menschlichen Körpers und seiner Entwicklung möglich gemacht hat. Anschließend wird insbesondere anhand der Untersuchung von zwei Artefakten, die zur Beurteilung des Wachstums während der Pubertät dienen – die Tanner Stufen und das Prader Orchidomter – diskutiert, wie diese Art von Forschung zur Entstehung der Pubertät als einem wissenschaftliches und medizinisches Objekt und zur Entstehung von Wachstums- und Entwicklungsnormen beiträgt, eine Dimension des Monitorings der menschlichen Fortpflanzung.

Chikako Takeshita
Die Biopolitik des Diaphragmas. Strategien in südlichen Ländern
Anhand von diversen Beispielen der Nutzung des Diaphragmas in China, Vietnam, Indonesien, Bangladesch, Tadschikistan, Usbekistan und in Nigeria handelt dieser Artikel von den diversen Formen mit denen die Frauen in südlichen Ländern einen Handlungsspielraum in Hinblick auf ihre Reproduktionsstrategien erlangt haben, indem sie dieses Verhütungsmittel annehmen oder ablehnen. Die Fortpflanzungsstrategien und das Reproduktionsverhalten dieser Frauen hängen von diversen, miteinander in Konkurrenz stehenden Einschränkungen und Grenzen ab, welche sowohl von der Familie, deren wirtschaftlicher Lage und dem Stand der sexuellen Arbeitsteilung abhängen, sowie von den herrschenden Patriarchalen Wertvorstellungen und den neomalthusianistischen Regierungspolitiken. Da es sich um ein dauerhaftes Verhütungsmittel handelt, welches vom Hersteller kontrolliert wird, problemlos entfernbar und diskret ist, wurde dieses Verhütungsmittel von Feministinnen als antifeministisch verpönt. Dieser Artikel zieht die Aufmerksamkeit auf Fälle, in denen die Nutzung dieses Verhütungsmittel den Frauen erlaubt hat eine stärke Eigenkontrolle über ihre Reproduktionsstrategien auszuüben, trotz stark begrenztem Handlungsspielraum.
Michela Villani
Das Geschlecht von Migrantenfrauen. Im Süden beschnitten, im Norden repariert
Ursprünglich als ein Problem der öffentlichen Gesundheitsvorsorge betrachtet, wird die Beschneidung der weiblichen Klitoris seit dem Anfang des XXI Jahrhunderts als eine Reparationspolitik der Sexualität eingestuft. Die Genealogie dieses neuen Verbrechens (die sexuelle Mutilation) und die Entstehung einer neuen Behinderung (eine Sexualität ohne Klitoris) werden hier in einer postkolonialen Perspektive untersucht, welche das kognitive Umfeld von „hier“ und „dort“ in einer dialogischen Perspektive untersucht. Die Passage der Einstufung als einer sozialen Normalität, welche durch das verbundene Ritual zum Ausdruck kommt (die Beschneidung), nimmt somit die Form einer körperlichen Anomalität (Mutilation), oder gar einer sexuellen Anomalität (Behinderung) an. Der Artikel versucht die persönlichen und sexuellen Erfahrungen von Migrantenfrauen, und den Töchtern von nach Frankreich immigrierten Frauen, welche aus Afrika südlich der Sahara kommen, und die einen Antrag auf den Wiederaufbau der Klitoris in einem französischen Krankenhaus gestellt haben, nachzuzeichnen. Die Laufbahnen der Frauen aus beiden Gruppen werden unter Einbezug der Migrationsdynamiken und der Zirkulation von Wissen im Rahmen eines globalisierten Kontexts untersucht, in dem die Medizin die Rolle eines Organs prozeduraler Gerechtigkeit übernimmt, welche in der Lage ist, eine Form von Gleichberechtigung innerhalb der Geschlechtsmodelle durch eine Korporale und sexuelle Reparation herzustellen.

 

Marilène Vuille
Die Einführung der schmerzfreien Geburt in Frankreich, 1950-1980
Die psychoprophylaktische Methode der schmerzfreien Geburt, die in der Sowjetunion entwickelt wurde, wurde in Frankreich in den 50iger Jahren von der kommunistischen Partei nahestehenden Medizinern eingeführt. Ihr medizinisches Ziel – den Schmerz ohne den Rückgriff auf Medikamente zu unterdrücken, indem den Frauen das Gebären beigebracht wurde – summierte sich zum politischen Objektiv der Bildung einer sozialistischen Gesellschaft beizutragen. Im Gegensatz zu diesen weitfassenden Zielen stützte sich diese Methode nicht auf Spitzentechnologien sondern einfache Techniken und gebräuchliche Gerätschaften. Diese Techniken haben jedoch weder zur Erlangung des medizinischen Ziels (Schmerzunterdrückung) noch zur Konkretisierung ihres politischen Ambition (Gesellschafts-veränderung) geführt. Sie haben jedoch tiefgreifende und bleibende Effekte erzeugt, indem sie die professionelle Autorität der Ärzte über schwangere Frauen verstärkt haben und sie einem Akkulturationsprozess der medizinischen Praxis unterworfen haben. Die Untersuchung der schmerzfreien Geburt erlaubt es jedoch die Geschichte des Gebärens zu erweitern, und über die klassische Opposition zwischen den Instrumenten, Techniken und der Instrumentalisierung des Körpers der Frauen, und den „natürlicheren“, weniger instrumentierten Techniken, die angeblich eine Alternative zur Medikalisierung darstellen, und die Autonomie der Frauen respektieren, hinauszugehen.

 

N°33/2015 Das Geschlechterverhältnis, die Stadt

Stéphane Le Lay
Müllmann/frau in Paris sein
Der Beruf des Müllmanns/frau in Paris, welcher zu der Rubrik der unqualifizierten Arbeiter gehört, ist nur schwer verständlich, ohne Einbeziehung von Dimensionen die nur unzureichend von der Berufsnomenklatur berücksichtigt werden, obwohl sie viel über das soziale « Arbeitsdrama »[i] von Berufen des öffentlichen Dienstes (oder im Dienst der Öffentlichkeit) sagen. Diese mitmen­schlichen affektiven Beziehungen befinden sich jedoch neuerdings im Zentrum der Aufmerksamkeit von Seiten der Gemeinde innerhalb von zwei politischen Hauptdynamiken. Die erste hängt mit der Anstellung von Frauen zusammen, welche zu Änderungen im Arbeitsinhalt geführt haben. Die zweite hängt mit einer Änderung der Erwartungshaltung an die Stadtreinigung zusammen, da von den Angestellten eine bessere Serviceleistung und eine stärkere Berücksichtigung des „Images“ der Stadt erwartet wird. In diesem Sinne stellt der Beruf des Müllmanns/
frau durch die Entstehung des heute für die Arbeiterklassen typischen Berufsbildes des „Dienstleistungs­arbeiters“ den Zerfalls­prozess der Arbeiterklasse in Frage.

Im Original in Anführungszeichen.

 

Sophie Louargant
Metropole und Geschlechterverhältnisse

Die Fragen zur Stadt- und Landplanung beziehen nur unzu–reichend die Debatte über die Geschlechterverhältnisse in die Diskussion ein. Im Allgemeinen wird die Frage der Geschlechter–verhältnisse als ein gesellschaftliches Problem betrachtet dass ergo keinen Platz in der Stadt- und Landplanung hätte – zumindest nach ihrem französischen Ansatz, stark von reflexiven und opera–tionellen Überlegungen geprägt. Die Art mit der man „Platz nimmt“ oder mit der man autorisiert wird diesen „Platz“ ein–zunehmen, zeigt dass die Fragestellungen zu den Geschlechter–verhältnissen sowohl zur urbanen Sozialgeschichte gehören als auch die aktuelle Aktion der Öffentlichen Hand im Bereich der urbanen Ökologie und die Überlegungen zum urbanen Wohlsein beeinflussen. Dieser Arti­kel befasst sich mit den gleichzeitigen Einflüssen der feministischen und ökologischen Utopien im aktuellen Feld der Stadtplanung. Die Untersuchung der Nutzungen von Natur–räumen im Grossraum von Grenoble macht einerseits die Folgen ihrer androzentrierten und heteronormativen Kon–zeption auf die Nutzungsformen deutlich und zeigt andererseits die Repräsentationen und Verwaltungsstruktur dieser öffent–lichen Räume.

 

Maud Navarre
Das Wort in einer Hauptversammlung ergreifen

Dieser Artikel handelt davon wie Frauen und Männer das Wort bei Hauptversammlungen in drei lokalen politischen Institutionen ergreifen. Er hat zum Ziel die Unterschiede der mündlichen Interventionen von Frauen und Männern anhand der Beobachtung von Interaktionen, einer quantitativen Messung der Sprechdauer und Interviews über ihre Erfahrung als Redner zu untersuchen, welche eine zentrale Rolle bei der Legitimierung von lokalen Kandidaten spielen. Die Untersuchung zeigt dass die Über­windung das Wort zu ergreifen für Frauen höher ist als für Männer. Diese Unterschiede werden noch deutlicher bei Ver­sammlungen an denen beide Geschlechter teilnehmen. Die größeren Schwierigkeiten der Frauen führen sie dazu alternative Verhaltensweisen anzuwenden, die je nach ihrer politischen Erfahrung unterschiedlich ausssehen.

 

Yves Raibaud
Umweltfreundlich aber frauenunfreundlich: 

aktuelle Stadtplanung
Dieser Artikel untersucht anhand diverser Studien über den städtischen Raum von Bordeaux (Frankreich) Stadtprojekte, die zumindest auf den ersten Blick in diversen europäischen Städten sozial angenommen sind (Autofreie Innenstädte, Initiativen zur Benutzung von motorisierten Zweirädern, von Fahrrädern und zum Fußmarsch, zur Straßen­bahnbenutzung und zur Gründung von Mitfahr–gemeinschaften) in Bezug auf ihre Frauen­freundlichkeit. Die Analyse einer Mobilitätsstudie zeigt in der Tat dass die Frauen durch diese ökologichen Maßnahmen sowohl auf Grund der ihnen größtenteils zufallenden Aufgaben (Kinder­- und Altenbetreuung, Einkäufe, etc.), als auch dadurch, dass sie weniger Neigung zu alternativen Fortbewegungsmitteln an den Tag legen oder sich im öffentlichen Raum bedroht fühlen (Angst vor nächt­lichen Angriffen in bestimmten Vierteln), benachteiligt würden. Wem nutzt die ökologische Stadt? Wie und wo wird über neue Nutzungsmöglichkeiten entschieden? Wie werden die nötigen Verhalt­ensänderungen erwirkt, die den Übergang zu einer Stadt ermöglichen soll, den ihre Vertreter als ruhig, schön und friedlich beschreiben? Dieser Artikel geht von der Annahme aus, dass die positiven Praktiken der ökologischen Stadt eine unverwechselbare Ähnlichkeit mit der männlichen Dominierung haben.

 

Lidewij Tummers
Geschlechtsstereotypen in der Stadtplanungspraxis

Für « integrierende » Projekte der Stadt- und Landschaftsplanung gehörten generell sozial schwache Zielgruppen eher „zum Dekor“ als dass sie als Akteure betrachtet wurden. In den Neunziger Jahren haben europäische Feministinnen und Urbanistinnen neue Methoden entwickelt, um diesem Mangel abzuhelfen. Eine Be­wertung dieser neuen Planungsansätze, die von einem „inte­grierten Ansatz der Gleichberechtigung“ ausgehen, zeigt jedoch deren geringe Einbeziehung der Geschlech­terverhältnisse. Dieser Beitrag handelt von geschlechtlichen Vorurteilen und Stereotypen im Berufsfeld der Stadtplanung, welche zu einer Verstärkung der geschlechtlich vorgeprägten Rollenver­teilung führen können. Er arbeitet vier Typen von integrierten Politiken zur geschlechtlichen Gleichberechtigung heraus. Diese Typologie basiert auf ge­schlechtsspezifischen Berufs­praxen, die zum Beispiel die Wohn­dichte, die geschlechtsneutrale (oder spezifische) Nutzung der Strassen, aber auch die Frage von Dienstleistungen, Sicherheit und Zugangsmöglichkeiten für Behinderte unterschiedlich angehen. Außerdem zeigt der Artikel das Potential von geschlechts­freundlichen Forschungspraktiken, sowohl für deren Innovation als auch für den sozialen und räumlichen Wandel im weiteren Sinne.

n°31/2014

 

Tania Angeloff und Céline Bessière mit Beiträgen von Arnaud Bonduelle, Jéromine Dabert et Gaston Laval

Die Geschlechtsverhältnisse lehren: eine Widerstandspflicht

Dieser Artikel untersucht die Lehrpraxis vom Geschlechter­verhältnis, welche im Niveau des Master 1 in einer Pariser Universität, Paris-Dauphine, spezialisiert im Bereich der Wirts­chaft­swissenschaften, dem Verwaltungs- und Finanzwesen, eingeführt wurde. Die Originalität dieses Artikels beruht auf der Konfrontation der Ansichten von zwei Professorinnen, welche den Einführungskurs zur Studie der Geschlechterverhältnisse in der Soziologie neu eingeführt haben, sowie von drei Studenten(innen) des letzten Jahrganges, welche akzeptiert haben, im Nachhinein über die Frage nachzudenken, was das Geschlecht mit den Studenten(innen) macht? Und andersherum gefragt, was machen die Studenten(innen) mit einem Lehrstoff wie dem des Geschlechtsverhältnisses, im Rahmen einer relativ allgemein ausgelegten Ausbildung der Sozial­wissenschaften? Statt eines theoretischen Artikels handelt es sich hier darum die Sozial­pädagogik des Geschlechtsverhältnisses, ihres politischen und wissenschaftlichen Hintergrundes, sowie ihrer Grenzen und Formen von (De)Legitimierung anhand der Beiträge der Studenten(innen) zu hinterfragen. In diesem polyphonen Text versuchen die beiden Professorinnen, Tania Angeloff und Céline Bessière, ihre Berufspraxis in diesem Themenfeld zu hinterfragen, welche im untersuchten institutionellen Hintergrund eine Randpraxis darst­ellt, sowie die individuellen Stellungnahmen der drei Stu-denten(innen) – darunter eine sehr kritische – vor diesem Hinter-grund zu analysieren.

Xavier Cinçon und Agnès Terrieux

Landwirtinnen ersetzen: die Geschichte des Mutterschutzes in der Landwirtschaft

Die Geschichte des Mutterschutzes ist die einer Sozialpolitik, die durch geschlechtliche öffentliche Maßnahmen in den Dienst männlicher Interessen gestellt wurde. Die verpflichtende Nutzung von landwirtschaftlichen Ersatzdiensten, die auf die Vertretung von männlichen Landwirten ausgelegt ist, wurde noch durch eine weitere Maßnahme verstärkt, welche die Inanspruchnahme der Dienst­leistung von der Entscheidung des Landwirtes abhängig macht. Diese Regelung hat zu einer opportunistischen Ausnutzung der am Platze der Landwirtinnen angestellten Landarbeitern von Seiten der Landwirte geführt, welche durch die Entwicklung der Aktivität der Vertretung zum Ausschluss der Ehefrauen von einer Dienstleistung beigetragen hat, die ihnen eigentlich gewidmet sein sollte. Diese Entwicklung ist so weit gegangen, dass die Vertretungen sich organisiert haben, um das Recht der Landwirtinnen durch weibliche Vertreterinnen vor Ort mit dem Ziel der Erlangung eines Ein-kommens zur Verbesserung ihrer beruflichen Qualifikationen zu vertreten.

Érika Flahault, Annie Dussuet nund Dominique Loiseau

Vereinsarbeit, Feminismus und Geschlecht

Der Feminismus der 70iger Jahre hat zur Entstehung eines weitreichenden Netzwerkes von Vereinen geführt, die heute eine zentrale Rolle einnehmen, wir z.B. die Familienplanung (Planning Familial – vergleichbar mit ProFamilia), die Informationszentren über Frauen- und Familienrechte (Centres d’Information sur les Droits des Femmes et des Familles
),  der Bundesverein für Frauensolidarität (Fédération Nationale Solidarité Femmes
). Diese Netzwerke, welche die Funktion eines öffentlichen Dienstes zur Verteidigung der Frauen­rechte erfüllen, beruhen auf der Erwerbstätigkeiten von Angestellten, zum Großteil Frauen. Anhand der Ergebnisse einer monographischen Untersuchung diverser Vereine dieser Netzwerke wird gezeigt, dass die oft prekären Arbeitsbedingungen der Frauen denen in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes gleichen. Anders ausgedrückt, diese feministischen Organisationen reproduzieren einfach die geschlecht­lichen Normen, die den Arbeitsmarkt allgemein strukturieren.

Nathalie Lapeyre

Ein einzigartiges Lehrangebot in seiner Art 

Dieser Artikel handelt von den Reflektionen über die besondere Erfahrung, welche die Lehre vom Geschlechtsverhältnis an der Universität darstellt. Die vorliegende Studie untersucht den Institutionalisierungsprozess von feministischen Studien, der haupt­sächlich auf dem ersten französischen Lehrangebot über Geschlechts-verhältnisse basiert. Dieses Lehrangebot beinhaltet vor allem die Studie von Sozialpolitiken die unter dem Prisma der sozialen Geschlechterverhältnisse beleuchtet werden, und wurde vor ca. 20 Jahren von den Pionieren eines Soziologiedepartements, Universitäts-professoren und Berufskollegen gegründet. Ohne aus dem Blick zu verlieren, dass die Geschlechterverhältnisse aufgrund ihrer wissenschaftlichen, symbolischen und politischen Bedeutung weit mehr als nur einen Lehrinhalt darstellen, steht die kollektive Geschichte der Realisierungen und der Eroberungen in einem weiten Rahmenfeld von Möglichkeiten, wie der wirklichen Heraus-forderungen, im Vordergrund. Die sozialen Auswirkungen der Entstehung eines berufsorientierten Masters, und der Platz der Geschlecht­erverhältnisse außerhalb der Universität werden ebenfalls angesprochen, insbesondere in Bezug auf die aktuelle Dynamik der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

Michelle Perrot

Frauengeschichte, Geschichte des Geschlechterverhältnisses

Dieser Artikel ruft in Erinnerung, dass an der Universität von Paris Diderot in den 70iger Jahren die Kreierung der ersten Vorlesungen über Frauen die ersten Frauenforschungen notwendig gemacht haben, da die Frauen bis dahin in der akademischen Geschichte nicht anwesend waren. Sie mussten also sichtbar gemacht werden, die Quellen und Methoden erneuert werden um neues Wissen zu schaffen. Die Forscherinnen sind sehr schnell von der Frauen­geschichte zur Geschichte des Geschlechterverhältnisses über­gegangen, was durch die Unmöglichkeit begründet wurde die Geschichte der Frauen zu machen ohne über ihr Verhältnis zum anderen Geschlecht nachzudenken. Die Historikerinnen haben ihre Forschungen im Austausch mit Soziologinnen, angloamerikanischen und nordamerikanischen Historikerinnen entwickelt, insbesondere mit denjenigen welche sich mit Frankreich beschäftigen. Der Artikel zeugt vom Enthusiasmus dieser Pionierzeit.

 

William Poulin-Deltour

Was bleibt von unseren Kursen über die Geschlechterverhältnisse übrig?

Meine Infragestellung der Referenz der Vereinigten Staaten als dem Mekka der Studien der Geschlechterverhältnisse beruht auf meiner pädagogische Praxis als Professor für Gender Studies
an einer kleinen Universität in Neuengland. Auch wenn dieses Themenfeld scheinbar dort stark entwickelt ist, kann dieser Anschein täuschen. Ich unter-suche den Kenntnisstand der amerikanischen Studenten am Anfang und am Ende ihres Kurses in Gender Studies
. Mein Erfahrungsbericht zeigt, dass die meisten Studenten von einer essentialistischen Vision eines heterosexuellen und binären Systems der Geschlechterverhält-nisse ausgehen, und das die Über­häufung der Studenten mit Texten von Judith Butler und Michel Foucault nicht unbedingt das beste Mittel darstellt, um sie zu einer Infragestellung ihrer durch Vorurteile geprägten Ideen zu bewegen. Gegen Ende des Artikels komme ich zu der Schlussfolgerung, dass vielleicht meine pädagogische Praxis sich verändern muss um die Studenten dazu anzuregen selbst über die Geschlechterverhältnisse mit originalen und zeitgenössischen Quellen zu forschen, damit sie eher versuchen herauszufinden, was das Geschlecht macht, statt dem was es ist.

Muriel Salle

Die Ausbildung des Lehrkörpers: Widerstände zum Geschlechterverhältnis

Die Einführung des Programms “abcd der Gleichberechtigung” im spannungsgeladenen Kontext vom Oktober 2013, im Anschluss an die Annahme des Gesetzes zur Anerkennung der „Hochzeit für alle“ hat die Aufmerksamkeit der Medien auf pädagogische Aktionen zur Verbreitung der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen im Schulsystem gelenkt, obwohl einige dieser Maßnahmen schon länger existieren. Im Schulbezirk von Lyon (Académie de Lyon
) erhält der Lehrkörper seit 10 Jahren eine Fortbildung zum Geschlecht­s-verhältnis und zur sexuellen Gleichberechtigung von beiden Geschlechtern. Diese Fortbildungen, die im allgemeinen sehr positiv beurteilt werden und für die die Nachfrage unter dem Lehrpersonal groß ist, stoßen trotzdem manchmal auf Widerstand, obwohl das Lehrpersonal sich als sehr um die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen, und Frauen und Männern besorgt ausgibt. Anhand einer Untersuchung dieses Widerspruchs versucht dieser Artikel sowohl eine Typologie der Widerstandsformen, sowie die Möglichkeiten zu ihrer Überwindung herauszuarbeiten.

Anmerkung der Übersetzung: Im Original in Anführungszeichen.

n° 32/2014

Mathieu Caulier

Der Preis des Engagements.

Arbeitnehmerinnen und Aktivistinnen in Mexico

Im Nachzug der onu Konferenzen in Kairo und Peking (jeweils in 1994 und 1995) wurde die sexuelle Gleichberechtigung als zentraler Bestandteil in den westlichen Demokratiediskurs aufgenommen, welchem auch die Mexikanische Regierung offiziell zustimmte. In Bezug auf die Kosten für die Realisierung von einer neuen Entwicklungspolitik “unter Berücksichtigung der Frage der sexuellen Gleichberechtigung“ haben der Staat und die Länder ausgiebig an die Mitwirkung von Frauengruppen und feministischen Organisa­tionen appelliert, um frauengerechte neue, den internationalen Normen entsprechende Politik zu entwickeln. Soziologinnen, Psychologinnen, Pädagoginnen und Medizinerinnen, die Angestellten der NGOs tragen zur Entwicklung von öffentlichen Programmen bei, wie zur Gesundheitsvorsorge als auch zur Sexualerziehung. Einzig da die Arbeitnehmerinnen auch weitgehend Aktivistinnen sind, stellen ihre prekären Arbeitsbedingungen einerseits für sie ein soziales Engagement dar; was andererseits die Kosten der sozialen Maßnahmen für die öffentliche Hand verringert.

Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen.

 

Yoann Demoli

Die Frauen übernehmen das Steuer

Obwohl die Verbreitung des Automobils als Studienobjekt in der Soziologie seit den 70iger Jahren existiert, sind diese Studien jedoch vollkommen genderblind
. Zu dieser Zeit sind Frauen aber generell noch keine Autofahrerinnen. Der steigende Frauenanteil unter den Autofahrerinnen ist ein nicht unbedingt eindeutiges Ergebnis was eine differenzierte Untersuchung der Mobilität von Frauen und Männern ermöglicht. Obwohl Autofahren im Allgemeinen eher als ein emanzipatorisches Element eingeschätzt wird kann diese Veränderung ebenfalls zur Verhärtung der geschlechtlich geprägten Rollen im Rahmen der häuslichen Arbeitsteilung führen. So wie auch Haushaltsgeräte sich als nicht unbedingt emanzipatorisch sondern als ein Mittel zur Arbeitsintensivierung entpuppen, könnte auch das Auto ein Vehikel zur Fortsetzung der Hausarbeit darstellen. Unsere Forschung versucht anhand der Daten der  Transportstudie der Insee (von 1980 bis 2008) über den Anstieg von Autofahrerinnen und ihrer Benutzerlogik dieser Fragestellung nachzugehen.

Anmerkung der Übersetzung: INSEE- Institut national de la statistique et des études économiques.

Isabel Georges

Die Neuordnung der Sozialpolitik in Brasilien

Aus einer sozial-historischen Sicht befragt dieser Artikel die Rolle der Sozialpolitik, sowie den Status der Frauen innerhalb dieser soge-nannten “neuen“ Politik, im Rahmen der aktuellen Demokratiedebatte in Brasilien. Er zeigt die Politik aus der Sicht der Praxis auf der lokalen Ebene, in São Paulo, der dynamischsten Metropole des Landes. Im Anschluss an eine Darstellung des Aufbaus des Bereiches der Sozialpolitik untersucht die Studie den Zusammenhang wischen den Arbeitsproblemen der unteren Angestellten und ihrer Aussicht auf soziale Mobilität um die Fortschritte und Grenzen dieser „neuen“ Sozialpolitik einzuschätzen. Es handelt sich darum zu zeigen wie der Gewinn von gewissen Vorteilen, wie dem Zugang zu einer festen Anstellung für die Einen, oder einem relativen sozialen Aufstieg für die Anderen – oder zumindest dessen Aussicht – überwiegend prekäre Arbeits­bedingungen sozial akzeptabel macht, und somit die Institu­tio­nalisierung von gesellschaftlicher Diskriminierung anhand öffentlicher Maßnahmen zur sozialen Integration, widersprüchlicher Weise, rechtfertigt.

Manuella Roupnel-Fuentes

Die sozialen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit

Die negativen Folgen der Massenarbeitslosigkeit wurden lange unter dem Blickwinkel ihrer Auswirkungen auf männliche Arbeitnehmer beleuchtet, wohingegen ihre Folgen auf weibliche Arbeitslose weitgehend unbekannt blieben. Diese Untersuchung von Frauen deren Arbeitsplatz der Schließung der Firma Moulinex in der Basse-Normandie
zum Opfer fiel macht die spezifische Erfahrung der Arbeitslosigkeit für weibliche Erwerbstätige deutlich. Im Vergleich zu der Erfahrung von Männern wird insbesondere das Gewicht von Gesundheitsproblemen, der sozialen Isolation und des häuslichen Rückzugs wie auch des Identitätsverlustes klar. Die Männer sind weniger der Erfahrung des Verlustes ausgesetzt, da sie einerseits größere Chancen zur Wiedervermittlung haben als auch ihre vorausgegangenen sozialen Netzwerke aus der Arbeitswelt beibehalten. Die Erfahrung der Arbeitslosigkeit lässt sich nicht auf den Mangel an Arbeit beschränken, sondern stellt einen Bruch in diversen Lebensbereichen dar, insbesondere was die Gesundheit, das soziale Umfeld und die Identitätsfindung betrifft.

 

Lucie Schoch und Fabien Ohl

Der Platz der Frauen im Sportjournalismus in der Schweiz

Dieser Artikel stellt die Ergebnisse einer soziologischen und ethnographischen Untersuchung des Schweizer Sportjournalismus dar. Im Zusammenhang mit der steigenden Feminisierung dieses Berufsfeldes arbeitet die Studie zwei Formen von beruflicher Identifi­kation heraus: die Männer stellen im allgemeinen den Sportjournalis­mus als ihre Berufung dar, wohingegen die Frauen eher die schriftliche Redaktion und die journalistische Tätigkeit in den Vordergrund rücken. Diese unterschiedlichen Berufsdefinitionen der Beschäftigung von Journalisten stehen im Zentrum des Macht­verhältnisses zwischen weiblichen und männlichen Journalisten in den Sportredaktionen: die sozial dominante Definition des Journa­lism­usberufes, der den Sport als Leidenschaft betrachtet, schließt die Frauen automatisch aus dieser Definition aus und führt dazu, dass ihnen die sozial weniger anerkannten Tätigkeiten zugewiesen werden und ihnen die Entscheidungspositionen in der Redaktion vorbehalten bleiben.

 

Shi Lu
Frauen und Migration in China

Dieser Artikel basiert auf einem biographischen Interview mit einer chinesischen Frau in Yiwu, in der Provinz Zhejiang. Die Lebens­geschichte dieser Händlerin stellt einen Beitrag zum Verständnis der Migration zwischen verschiedenen ländlichen Zonen und in die Kleinstädte Chinas dar. Der Verlauf der Migration und der berufliche Werdegang dieser Frau machen den Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten (Mobilisierung von Netzwerken und persönlichen Kompetenzen) sowie die Notwen­dig-keit ihrer Nutzung deutlich damit die Migration erfolgreich verläuft, d.h. eine wirtschaftliche und soziale Integration ermöglicht wird.

N° 29
, 2013

Die Arbeit durchhalten 

Jyothsna Latha Belliappa

« Sie war sehr extrovertiert » : sexuelle Belästigung und weibliche Sitten  

 

Der Bereich der neuen Technologien hat in Indien den Ruf frauen­freundlich zu sein, insbesondere aufgrund der progressiven Politik und einer klaren Stellungnahme gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Fälle von sexueller Be­lästigung sind jedoch trotz der Existenz von gesetzlichen Richt­linien und den entsprechenden juristischer Prozeduren keine Ausnahme, was eine wissenschaftliche Untersuchung nötig macht. Dieser Artikel beruht auf einer qualitativen Studie, die sowohl die Erfahrungen von Frauen, die in Indien im Bereich der neuen Technologien arbeiten als auch die Reaktionen des Managements auf Beschwerden wegen sexueller Belästigung untersucht. Im Vordergrund der Analyse steht der kulturelle Einfluss auf die Sittlichkeit von weiblichen Verhaltensnormen und auf die Re­aktionen des Managements im Falle von Beschwerden wegen sexueller Belästigung. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass selbst wenn die Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung eine wichtige Etappe zur Entstehung eines frauenfreundlichen beruf­lichen Umfeldes darstellt, ist dies jedoch nicht ausreichend, um die Auswirkungen einer androzentrischen Kultur sowohl auf die Reaktionen des Managements als der Opfer selbst auszugleichen.

Sandrine Caroly, Marie-Eve Major,  Isabelle Probst und Anne-Françoise Molinié

Das Geschlecht von Muskel-Skelett Erkrankungen

Dieser Artikel macht den Einfluss einer ergonomischen Analyse der Tätigkeit zum Verständnis des Auftretens von arbeits­bedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen deutlich und zeigt die Strategien von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen um mit Schmerzen umzugehen. Von einer statistischen Untersuchung ausgehend zeigen zwei vergleichende Fallstudien über Frauen und Männern im Automobilbereich und über Frauen im Bereich der landwirtschaftlichen Ernährungsproduktion die Auswirkungen der sexuellen Arbeitsteilung auf das Auftreten bestimmter Krank­heitsbilder. Eine Differenzierung der ergonomischen Unter­suchung unter dem Blickwinkel des Geschlechts erneuert die Erkenntnisse über Frauen- und Männerarbeit, und über die an der Arbeit leidenden Körper.

Marianne De Troyer, Guy Lebeer und Esteban Martinez-Garcia

Die Arbeitsunsicherheit der Reinemachefrauen in Belgien

Die Arbeitsbedingungen im Reinigungsbereich sind hart und fordernd. Sie sind das Ergebnis der Anhäufung der Konsequenzen der Deregulierung die durch die Verbreitung von Zeitarbeits­firmen  und von versetzter Teilzeitarbeit verursacht wurde, unter denen insbesondere die Reinemachefrauen leiden. Dieser Artikel versucht eine Bilanz aus noch vereinzelten praktischen Erfahr­ungen zur Vermeidung von sexueller Ungleichbehandlung und Arbeitsunsicherheit zu ziehen welche insbesondere in diesem Sektor umgesetzt wurden. Einige Lösungen können als kollektiv betrachtet werden, da sie das Ergebnis der Initiativen der Sozial­partner in diesem Bereich darstellen. Das letzte untersuchte Experiment ist jedoch das Ergebnis einer individuellen und privaten Initiative, welches durch die Berücksichtigung des Managements einer Reinigungsfirma der Härte der Arbeits­bedingungen in diesem Berufsfeld und der Schwierigkeiten der Reinemache­frauen die beruflichen und familiären Zeiten mit­einander zu artikulieren möglich wurde.

Karen Messing und Katherine Lippel

Das Unsichtbare, das weh tut

Das Streben nach Gleichberechtigung und die Forderungen der Gewerkschaften der 70iger Jahren haben in Quebec zu For­schungen über den Gesundheitszustand von Arbeit­nehmerinnen und Fortbildungen in diesem Bereich geführt, welche aus Partner­schaften zwischen der Universität und der Gewerkschaft hervor­gegangen sind. Diverse Themenbereiche wurden untersucht, wie die Anerkennung der Härte und der Anforderungen bestimmter hauptsächlich von Frauen ausgeführter Aufgaben, die Verein­barkeit von wirtschaftlichen Bedürfnissen der Frauen und ihrer Rolle in der biologischen Fortpflanzung, die Hindernisse der Eingliederung und des Verbleibens von Frauen in allen Bereichen der Wirtschaft und das Anrecht von Frauen auf Erstattung im Falle vom Auftreten von berufsbedingten Krankheiten oder Behin­derungen. Die Untersuchungen in diversen dieser Themenbereiche stellten eine Herausforderung für die Forscher im Bereich der Ergonomie und der Rechtskunde dar, da traditionelle Methoden und Ansätze in Frage gestellt werden mussten um sowohl die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen zu schützen als auch ihnen zur beruflichen Gleichberechtigung zu verhelfen.

Ivana Obradovic und François Beck

Junge Frauen unter Einfluss

Nehmen mehr Frauen als Männer eine Beratung für Cannabis­konsumenten in Anspruch? Im Jahr 2007 sind beinahe 20% der Drogenabhängigen die eine Konsultation der „Beratungen für junge Drogenabhängige“ in Anspruch genommen haben Frauen. Der Artikel untersucht die spezifischen Eigenheiten dieses weiblichen Publikums anhand der strukturellen Unterschiede zu männlichen Drogenabhängigen in Hinblick auf ihr sozio­demographische Profil, Konsumpraktiken und angeführte Moti­vationen des Drogenkonsums. Das weibliche Publikum, welches im allgemeinen etwas älter ist, sucht öfter spontan Hilfe, insbesondere zur Reduzierung des Drogenkonsums. Die De­klarationen der Frauen, die in einer Drogenberatungsstelle Rat suchten, machen einen erhöhten Cannabiskonsum der Frauen sichtbar, der oft mit andere Drogen und Psychopharmaka gekoppelt wird. Der Cannabiskonsum von Frauen hängt stärker mit der „Selbsthilfe“ zur Reduktion von Angstzuständen zu­sammen. Im Gegensatz dazu besteht das männliche Publikum hauptsächlich aus Drogenabhängigen zwischen 18 und 25 Jahren die von der Justiz weitergeleitet wurden. Sie sind sozial integriert und legitimieren ihren Drogenkonsum aus hedonistischer Sicht, welche mit einer bestimmten Form von Sozialität verbunden wird.

ADT : Im Original in Anführungszeichen.

Livia Scheller, Liliana Cunha, Sónia Nogueira und Marianne Lacomblez
 
Die Zeit der Busfahrerinnen in Frankreich und Portugal

          

Der Artikel handelt von Untersuchungen im Bereich der Psychologie und Ergonomie der Arbeit welche auf eine Ver­änderung der Arbeitsorganisation in den Berufen des Nahverkehrs hinweisen. Im ersten Fall (französischen) verändert die Fe­minisierung eines traditionellen Männerberufes indirekt die Zeit­einteilung zwischen Haus und Beruf. Eine portugiesische Studie zeigt hingegen, dass diese Veränderung parallel zu einer eher negativ eingeschätzten Destabilisierung der Organisation der Arbeitnehmerschaft auftreten kann. In Bezug auf die Frage der Arbeitszeiten hat sich gezeigt, dass die Frauen offensichtlich deren Anpassung an die Aktivitäten des „Privatlebens“ anstreben. Wenn diesem Antrag stattgegeben wird, so ist seine Anerkennung, sofern sie stattfindet, jedoch niemals direkt. Seine „Kosten“, was die Gesundheit und/oder die Laufbahn betrifft, sind jedoch offensichtlich.

ADT : Im Original in Anführungszeichen.

ADT : Im Original in Anführungszeichen.

N° 30, 2013

Geschlecht, Feminismus und Syndikalismus

Alex Alber

Eine Erhöhung der gläsernen Decke im öffentlichen Dienst?

  

Anhand der Auswertung quantitativer Daten einer vergleichenden Studie (coi) von 2006 wird in diesem Text die Position von Frauen in Führungspositionen in zwei Sektoren – im öffentlichen Dienst sowie in der Privatwirtschaft – in Bezug auf ihren Status (gehobener Dienst) und ihre Verantwortung (Management) hin untersucht. Der Artikel zeigt, dass Führungspositionen im öffent-lichen Dienst häufiger von Frauen besetzt sind als in der freien Wirtschaft und dass sie auch häufiger eine Führungsrolle ausüben, sowie sich im allgemeinen um größere Belegschaften kümmern. Abgesehen von allen anderen Unterschieden müssen diese Ergebnisse jedoch stark relativisiert werden: die Beförderung in den gehobenen Dienst oder der Aufstieg zu Spitzenpositionen in der Privatwirtschaft sind in beiden Bereichen ebenso schwer für Frauen; im öffentlichen Dienst hängt ihre Benachteiligung mit dem Ausschluss von Frauen aus Verantwortlichen Positionen, welche sich Experten- oder Managerfunktionen annähern. Im Kontext einer allgemein steigenden Wertigkeit von Managementfunktionen im öffentlichen Dienst stellt die größere Schwierigkeit von Frauen Führungsrollen auszuüben sicherlich einen Erklärungsansatz für den Weiterbestand der gläsernen Decke im gehobenen öffentlichen Dienst dar.

Sophie Béroud

Ein weiblicher Versuch der Syndikalisierung

Dieser Artikel handelt von einer Syndikalisierungskampagne von Hausangestellten, Experiment das mit sehr begrenzten Mitteln auf der Ebene eines französischen Departements durchgeführt wurde. Dieses Experiment beruht auf der Initiative von weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern der cgt (Centrale Générale des Travail­leurs
), deren Aktivismus die strukturellen Schwierigkeiten dieses stark feminisierten Sektors umgehen musste, wie z.B. die Verbreitung von geteilten Arbeitszeiten, die quasi
Nichtexistenz von Arbeitskollektiven, schwache Anerkennung von Qualifika­tionen und zwiespältige Beziehungen mit Vereinen, die eine Arbeit­geberfunktion ausüben. Durch die Organisierung von Versammlungen außerhalb des Arbeitsplatzes beleben die Akti­visten Praktiken aus der Anfangszeit der Arbeiterbewegung. Die bevorzugten Aktionsmittel, die schwach hierarchich organi-siert sind, sondern die Kreierung von Diskussionsraum über die konkreten Arbeitspraktiken privilegieren, sind auf die Teilnahme von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ausgelegt, die den sozial unterprivilegierten Schichten angehören. Das so orga-nisierte Experiment ist jedoch nur möglich, da es sich in gewisser Weise um eine marginale Praxis innerhalb der Struktur der Gewerkschaftsarbeit handelt, und somit eine sexuelle Arbeits-teilung der Militanz widerspiegelt.

Christophe Giraud  und Jacques Rémy

Arbeitsteilung innerhalb der Beziehung
und berufliche Legitimität

Dieser Artikel handelt von der Entstehung von neuen kommerz-iellen Tätigkeiten im Bereich der Landwirtschaft, die sowohl die berufliche Identität als auch die sexuelle Arbeitsteilung in der Beziehung verändern können. Wir zeigen hauptsächlich zwei Formen der Diversifizierung: die erste, die sich stark von den zentralen landwirtschaftlichen Tätigkeiten unterscheidet (Direkt-verkauf, Verarbeitung, Tourismus), die insbesonere die auf dem Land lebenden Frauen betrifft; die zweite, die besonders die traditionellen zentralen landwirtschaftlichen Tätigkeiten verän-dern (landwirtschaftliche Lohnarbeit, landwirtschaftliche und um-weltbezogene Tätigkeiten), die sich besonders auf das Tätigkeits-feld der Landwirte bezieht. Die Berufsdefinition des  Landwirtes beruht weiterhin stark auf technischen Aufgaben, wie Kultur-maßnahmen oder die Tierzucht; die sexuelle Arbeitsteilung fixiert die Männer in der Berufswelt und wendet die Frauen von ihr ab. Die Landwirte stehen ihren Partnerinnen somit die Möglichkeit zu, sich unabhängig einen eigenen neuen Aufgabenbereich zu kreieren, der von ihren Männern als zweitrangig betrachtet wird, im Vergleich mit den traditionellen landwirtschaftlichen Tätig-keiten.

Cécile Guillaume und Sophie Pochic

Die Mobilisierung der englischen  Gewerkschaften für paritäre Gehälter  
(1968-2012)

Die englischen Gewerkschaften setzen sich seit den 70iger Jahren durch verschiedene Formen auf gesetzlichem Wege für gleiche Gehälter für Männer und Frauen ein, insbesondere durch die Begleitung von Beschwerdeführern, die einen Prozess anstrengen. Ist dieses Engagement im Kampf gegen Gehaltsdiskriminierungen von Frauen eine direkte Konsequenz der Feminisierung der Gewerkschaften sowie der Arbeit der Aktivistinnen, die sich für eine gewerkschaftliche Politik zur Förderung von sexueller Gleich-berechtigung und geschlechtlicher Mischung eingesetzt haben? Anhand einer Untersuchung, die auf Interviews mit den Haupt-akteuren der Mobilisierungen und Archivunterlagen beruht, zeigt der Artikel den Einfluss der von Frauen geführten Streiks und von feministischen Gruppen auf die Einführung einer Gesetzgebung in 1970 einerseits, und andererseits den Einfluss einer juristischen Strategie einer nicht-staatlichen Organisation, die Equal Oppor-tunity Commission
, auf die Entwicklung und Anwendung des englischen Rechts in den 80iger Jahren. Die Untersuchung stellt anschließend die Rolle von einigen Männern, Gewerkschaftler und engagierte Rechtsanwälte, heraus, die sich in den 90iger Jahren des Anti-Diskriminierungsgesetz bedienen um gegen die Priva-tisierungspolitiken der konservativen Regierungen zu kämpfen, und um die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sowie in der privaten Wirtschaft zu syndikalisieren. Diese juristische Mobilisierung hat jedoch die konventionellen Diskriminierungs-praktiken wenig verändert, da sie im allgemeinen von den meist (männlichen) Gewerkschaftsführern anerkannt werden. Die Frauen, deren Anzahl an der Basis wie in den höheren Gewerkschaftsebenen immer stärker zunimmt, haben Schwierig-keiten ihre Sichtweise in dezentralisierten Verhandlungen von Kollektivverträgen gegenüber bockbeinigen Arbeitgebern durch-zusetzen, insbesondere im Rahmen des deregulierten englischen Arbeitsmarktes.

Gill Kirton und Geraldine Healy 

Strategien zur Demokratisierung des Geschlechterverhältnisses in Gewerkschaften
 

Dieser Artikel untersucht die Ähnlichkeiten und Unterschiede von leitenden Gewerkschaftlern in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten in Bezug auf Maßnahmen zur Demokrati-sierung des Geschlechterverhältnisses innerhalb der Gewerk-schaften. Die Analyse beruht auf einer zweijährigen qualitativen Untersuchung mit 134 Gewerkschaftlern in beiden Ländern, teil-nehmender Beobachtung und einer Auswertung von quantitativen Sekundärdaten. In einer sowohl vergleichenden als auch ge-schlechtlichen Perspektive stellt die Studie sowohl Konvergenzen als auch Divergenzen zwischen den Praktiken der britischen und amerikanischen Gewerkschaftsvorsitzenden in Bezug auf ihre Gleichstellungspolitik heraus und befragt die Wirksamkeit dieser Strategien um einen Anstieg des Frauenanteils in Führungs-positionen und anderen verantwortlichen Instanzen zu garan-tieren. Der Artikel erwähnt ebenfalls die schwache Stellung der Frauen in den Gewerkschaften und die sozialen und strukturellen Hindernisse auf die sie im Allgemeinen stoßen wenn es darum geht reformatorische Strategien zur Gleichberechtigung durch-zusetzen.

Yannick Le Quentrec

Militanz in einer von Frauen geprägten Gewerkschaft: die Schwesterlichkeit als Mittel

Die Arbeitsbedingungen der Aktivistinnen der Gewerkschaft cgt (Confédération Générale du Travail
) im Bereich des Gesundheits-wesens und im sozialen Bereich sind schlechter als die der Männer obwohl es sich in der Gewerkschaft als auch im Beruf um einen von Frauen dominierten Bereich handelt. Ihnen stehen geringere Mittel zur Verfügung und sie sind stärkerem Druck in der Gewerkschaft sowie im Berufs- und Familienleben ausgesetzt. Sie sind ebenfalls Opfer des Einverständnisses unter Gewerkschafts-mitgliedern, was zur Legitimierung der männlichen Dominierung führt. Die gewerkschaftliche Organisation verstärkt jedoch die interne und externe sexuelle Gleichberechtigung unter der Bedingung dass die Vorsteher und Vorsteherinnen den Anteil von Frauen in gewerkschaftlichen Führungspositionen erhöhen, die Freistellung der Frauen zur Gewerkschaftsarbeit erleichtern und deren Flexibilisierungserwartungen entgegenkommen, sowie femi-nistische Solidarität unter den Frauen fördern. Diese Ergebnisse beruhen auf teilnehmenden Beobachtungen und entspringen direkt den Erfahrungen im Feld. Sie zielen darauf ab die Inter-aktionen zwischen Forschern und Forscherinnen und Aktivisten und Aktivistinnen näher zu beleuchten.

Vanessa Monney, Olivier Fillieule und Martina Avanza 
 
Die Leiden der Quotenfrau

Der Ausgangspunkt dieses Artikels ist ein seltenes Ereignis: in nur wenigen Jahren hat die größte schweizerische Gewerkschaft – unia – einen hohen Anteil von Frauen in Entscheidungsinstan­zen und im politischen Personal registriert, obwohl 80% der Gewerk-schaftler männlichen Geschlechts sind. Anhand von objektiven Daten wird zuerst gezeigt wie eine voluntaristische Quotenpolitik, die der Notwendigkeit der Entwicklung des von Frauen domi-nierten Dienstleistungssektor entspricht, und die Professionali-sierung des Berufs des Gewerkschaftlers zu einem derartigen Ergebnis führen kann. Anhand von biographischen Interviews mit Gewerkschaftssekretären und Sekretärinnen wird anschliessend gezeigt, dass die Feminisierung der Gewerkschaft ebenfalls nega-tive Auswirkungen hat: das hohe Niveau von turn-over
des weiblichen Personals, das Auftreten des burn-out
Effektes, die Stig-matisierung der „Quotenfrau“, Sexismus und die schwierige Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben, welche die weib-lichen Laufbahnen bei unia charakterisieren. Es werden letzt-endlich die Grenzen einer voluntaristischen Politik zur Erhöhung des Frauenanteils gezeigt, sofern diese nicht von einer starken Veränderung der Organisationskultur der Gewerkschaft begleitet wird, welche heutzutage weiterhin stark von einer männlichen Wertstruktur geprägt ist.

N° 27
, 2012 – Macht, Geschlecht und Religion

Clément Arambourou

Die Eklipse einer örtlichen
Gleichstellungspolitik

Forschungen über lokale Gleichstellungspolitiken haben gezeigt, dass diese Aktionsprogramme immer häufiger in die Rückhand geraten. Die Untersuchung der Probleme des Fortbestandes von lokalen Gleichstellungspolitiken geht von einem Ansatz aus, der Soziologien der öffentlichen Aktion und des politischen Lebens kreutzt. Die Eklipse einer Gleichstellungspolitik auf der lokalen Ebene der Kreise und Gemeinden wird in Verbindung mit den Kämpfen um lokale Machtstellungen und den Schwierigkeiten, lokale Aktionsmöglichkeiten zu institu­tionalisieren, untersucht. Die Mobilisierungschancen von lokalen Gleichstellungspolitiken hängen ergo von den Einstellungen des Bürgermeisters ab, von seiner Position im lokalen Raum und von der politischen Konjunktur.

Béatrice de Gasquet    

Männlichkeiten und der Sinn für « Ehre »

Anhand einer ethnographischen Untersuchung von nicht orthodoxen Synagogen in Frankreich analysiert dieser Artikel die sexuelle Rollenverteilung in Religionen, die erst seit Kurzem Frauen in ihren Reihen zulassen, und die Art und Weise mit der die Teilnehme am Ritual der Lesung der Torah eine geschlechts­spezifische jüdische Subjektivität konstruiert. Die Auswahl zur Teilnahme an diesem Ritual, welches von komplexen religiösen Codes abhängt, die bei jedem Schritt variieren, trägt zur ge­schlechtlichen und ethnischen Klassifizierung der Teil­nehmer bei. Im orthodoxen Judaismus sind nur die Männer zugelassen, die unter sich um das Privileg, das jüdische Volk rituell darzustellen rivalisieren. In den Synagogen, in denen die Forschung durch­geführt wurde, haben die Frauen, wenn sie am Ritual teilnahmen, es sich anders als die Männer angeeignet; sie halten es weniger für eine erstrebenswerte seltene, einer hierarchischen und gemein­schaftlichen Logik folgenden Ehre, sondern betrachten ihre Teilnahme als eine indi­viduelle Aktion.

Anmerkung der Übersetzung : im Original in Anführungszeichen.

Hilary Kalmbach

Auf dem Weg nach Damaskus

Dieser Artikel hinterfragt das Konzept von Autorität um die reli­giöse Autorität von Frauen im zeitgenössischen Islam zu unter­suchen und interessiert sich insbesondere für Huda al-Habash, Lehrerin in einer syrischen Moschee. Historische Beispiele können den in den zeitgenössischen Bewegungen der Moscheen enga­gierten Frauen als Inspiration dienen, auch wenn diese Be­we­gungen und ihre Inspiratoren ein Produkt des xxe
Jahrhunderts sind. Lehrerinnen in einer Moschee, wie Huda al-Habash, können dazu beitragen, den Status der Frauen innerhalb dieser Bewe­gungen, sowie in den religiösen Gemeinschaften aus denen sie stammen, subtil zu verändern.

Françoise F. Laot

Die Ehefrauen der Hörer

Ein Lapsus der Geschichte der 60iger Jahre, den der Film Retour à l’école ?
an den Tag gebracht hat, ist das Vergessen der Frauen als Zielgruppe von Weiterbildungsmaßnahmen, d.h. der Erwachsen­enfortbildung. Als Ehefrauen wird ihnen jedoch eine zentrale Rolle zuerkannt, als Beistand ihrer Männer, die die Abendkurse belegen. In diesem Artikel schlagen wir vor, uns präzise um diese spezi­fische Rolle zu kümmern. Anhand einer Gegenüberstellung des Diskurses, der in den nationalen Leitung­sin­stanzen der sozialen Weiterbildung über die Ehefrauen pro­duziert wurde, sowie der filmische Diskurs, der drei Ehefrauen zeigt, die an der Seite ihrer Männer in 1966 interviewt wurden, hinterfragt dieser Artikel die pädagogischen Grundlagen, die diese Politiken inspiriert haben.

Titel : Zurück zur Schule ?

Sara-Jane Page

Frauen, Mütter und Priester in der anglikanischen Kirche. Was für Geistlichkeiten!

Dieser Artikel handelt von der professionellen Integration weib­licher Priester in die anglikanische Kirche und zeigt wie die Frauen ihre Präsenz in einem von Diskriminierungen markierten Kontext aushandeln. Obwohl die generelle Ablehnung von Frauen im Priesteramt reduziert wurde, bleiben Widerstände bestehen. Außerdem hängt die Art und Weise, mit der die Frauen ihre Prä­senz in der Organisation verhandeln, eng mit ihrem hierar­chischen Niveau in der Kirche zusammen. Priester und Mutter zu sein, stellt eine weitere Dimension dar, die die delikate Position der Frauen in einer Arbeitsstruktur erklärt, in der sich auch Heiligkeit offenbar wird. Der Artikel interessiert sich für Fragen wie das Antreten eines Mutterschaftsurlaubs und die Rückkehr in den Beruf nach einer Schwangerschaft.

Linda Woodhead

Geschlechtsunterschiede in der Praxis und der Einfluss der Religion

Dieser Artikel interessiert sich für den wachsenden Einfluss der Genderstudies
im Bereich der Religionssoziologie und präsentiert eine Analyse der Literatur der wichtigsten Veröffentlichungen zu diesem Thema in Englischer Sprache. Der Artikel zeigt, dass die Einführung einer Geschlechtsperspektive weitreichende Aus­wir­kungen hat. Eine dieser Konsequenzen ist die Tatsache, das Konzept von „Religion“ und von positiv bewerteter Religiosität (oft die, die den Männern einen anderen Stellenwert, wie auch mehr Macht, als den Frauen, zuerkennt) neu zu denken, was jedoch ebenfalls eine Anpassung der Methoden mit sich bringt, und eine Infragestellung der dominanten Theorien, wie die der Sä­ku­lari­sation. Außerdem kann die Religionsgeschichte des Abend­landes neu aus Sicht der Veränderungen der Geschlechts­beziehungen gelesen werden, und somit den Bezug zwischen Geschlecht und Religion beleuchten. Der Artikel schlägt einen neuen Analyse­rahmen vor, um Geschlecht und Religion mitein­ander zu artiku­lieren, und die Art und Weise zu unter­suchen, mit der die Macht­beziehungen im einen oder ande­ren Bereich sich voneinander unterscheiden oder sich gegenseitig verstärken.

N° 28, 2012 – Variationen Frankreich/Vereinigte Staaten

Magali Barbieri

Die Schwangerschaft von Minderjährigen in den Vereinigten Staaten

Die Schwangerschaftsrate von Minderjährigen in den Vereinigten Staaten ist mit 42 für 1000 (2005-2010) eine der Höchsten der westlichen Industrieländer. Eine detaillierte Beschreibung der Reproduktionstendenzen der Amerikanischen Frauen unter 20, die auf einer Analyse der Grundbucheinträge beruht, folgt einer einführenden Darstel­lung der Situation Amerikas im Vergleich zu anderen Industrie­ländern. Anschließend wird der Einfluss von Zwischen­variablen (Eheschließungen, Sexualität, Benutzung von Verh­ütung­smitteln und Abtreibung) bewertet, bevor im abschlie­ßenden Teil die Rolle des kulturellen, politischem und sozial­wirtschaftlichen Kontextes diskutiert wird. Der Fall Frankreichs, dessen Situation ein gutes Beispiel für Länder mit extrem schwacher Schwangerschaftsrate von minderjährigen Müttern darstellt, wird als Vergleichspunkt herangezogen.

Laura Lee Downs, Rebecca Rogers und Françoise Thébaud

Gender studies und études de genre: das gap

Travail, genre et sociétés hat drei Historikerinnen – darunter zwei französisch-amerikanische – gebeten zusammen über folgende Frage nachzudenken: « warum und wodurch unterscheiden sich die Studien der Geschlechterverhältnisse, der Sexualität und die Frauenstudien auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans? » Das dreistim­mige Interview, welches aus dieser Fragestellung hervor-gegangen ist, zeigt eine Vielzahl von Dimensionen auf, die zu einer Verspätung Frankreichs im Vergleich zu den Vereinigten Staaten geführt hätten, wie Blockierungen und institutionelle Widerstände, die Rolle von Fachzeitschriften sowie von sozialen und militanten Netzwerken bei der Verbreitung von Ideen auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans, die Pluralität der Ansätze, die die Studien auf beiden Seiten des Atlantiks kennzeichnen. Anhand dieser reichhaltigen und variierten Diskussion wird die Pionierrolle verdeutlicht, welche die Studie der Geschlechter-verhältnisse für den epistemologischen Fortschritt der Sozial-wissenschaften seit den 70iger Jahren gespielt haben.

Marie Duru-Bellat

Geschlechtsspezifische Bildungsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten und in Frankreich

Dieser Text resumiert die Bildungsdebatte zur Geschlechtser-ziehung in den Vereinigten Staaten und in Frankreich anhand von zwei großen Bereichen: die Diskussion über formelle Schulbildung, in reinen Mädchenklassen oder gemischten Klassen einerseits, und die informelle Bildung oder Sozialisation via
Medien, Kleidung, Spiele, etc. andererseits. Die amerikanische Sicht der gemischten Schulbildung beruht auf empirischen oder biologisierenden Betrachtungen, wohingegen prinzipielle Annahmen sich weit-gehend auf die französische Debatte beschränken. Die immer frühere und stärkere Vergschlechtlichung der kleinen Mädchen wurde in den Vereinigten Staaten ausgiebig untersucht und diskutiert, wohingegen diese Debatte in Frankreich bisher ausbleibt. Diese Diskussion macht jedoch die Unterschiede zwischen zwei Grundpositionen deutlich: einerseits die Hervor-stellung der Ähnlichkeiten zwischen Jungen und Mädchen und geschlechtlicher Gleichbehandlung, und andererseits die Aner-kennung von geschlechtlichen Unterschieden, ihres Respekts oder gar die Realisierung von differenzierenden Maßnahmen. 

Linda K. Kerber

Die Geschichte der Frauen in den Vereinigten Staaten: eine Geschichte der Menschenrechte

Beinahe die Totalität der feministischen Studien handelt seit 200 Jahren von der Entwicklung der Menschenrechte. Die juristische Tradition ist in den Vereinigten Staaten stark vom Konzept der „coverture“ geprägt worden, d.h. von Gesetzen, welche angeblich die Interessen der Frauen schützen, tatsächlich jedoch deren Autonomie stark begrenzen, sowie ihre Teilnahme am politischen Leben limitieren. Die Autorität der Ehemänner beinhaltet eine sowohl ausgedehnte als auch arbiträre Macht über die Körper und das Eigentum ihrer Frauen. Die Verweigerung einer weit-reichenden Palette von Menschenrechten, die den Frauen nicht zugestanden werden, erscheint somit als Teil der natürlichen Ordnung. Es verblieb ergo den Frauen, ihren Beschwerden Aus-druck zu verleien, ihre Forderungen philosophisch zu unter-mauern und den politischen Kampf für die Gleichberechtigung zu führen. In den 60iger und 70iger Jahren hat sich das Ameri-kanische Recht stark verändert, was die Anerkennung der Rechte und Pflichten der Frauen betrifft. Gesetze, die in der Vergangen-heit als beschützend eingestuftt wurden, werden fürderhin als diskriminierend betrachtet, was das Amerikanische Recht den Prinzipien der universalen Menschenrechte näherrückt. Das Erbe der „coverture
“ ist jedoch niemals komplett ausgemerzt worden, insbesondere was soziale Reproduktion und häusliche Gewalt betrifft. 

Marie Mercat-Bruns

Sexuelle Diskriminierung in den Vereinigten Staaten : ein juristischer Begriff in der Diskussion

Die Herausbildung der Frauenrechte als eigenständigem juristischem Bereich hat sich in den Vereinigten Staaten stark an  der Entwicklung des Kampfes gegen den Rassismus orientiert. Die Analogie zwischen Geschlecht und „Rasse“ ist jedoch begrenzt, insbesondere was das Grundrecht betrifft. Auf den ersten Blick erscheint diese limitierte Sichtweise der geschlechtlichen Gleich-berechtigung nicht sehr vielversprechend für die Vertretung eines feministischen Standpunktes. Letztendlich hat sich dieser Ansatz jedoch als vorteilhaft für die Erlangung von Rechten erwiesen, da die Rechtsprechung in diesem Feld ebenfalls der Verteidigung der Amerikanischen Schwarzen gedient hat. Die juristische, stark von Foucault beeinflusste Debatte der Amerikanischen Doktrin zeigt seit den 70iger Jahren, dass die Machtervhältnisse, die geschlecht-liche Diskriminierung ermöglichen, aus Spannungen zwischen formeller und konkreter Gleichberechtigung basieren. Diese Erkenntnis hat ebenfalls die feministische Debatte bereichert. Die Anerkennung von Geschlechtsverhältnissen als ein Objekt des Rechtes, neben dem biologischen Geschlecht, und das Interesse, das die Elternschaft und die systemischen Diskriminierungen hervorgerufen haben, haben sich in keinem Fall zum Nachteil für die Frauenfrage und dem Schutz von Frauen ausgewirkt. Diese Erneuerung der Fragestellung stellt eine Chance und Bereicherung der juristischen Feminismusdebatte dar.

Hélène Périvier

Arbeiten oder heiraten Sie!

Dieser Artikel handelt aus einer geschlechtsspezifischen Perspek-tive von der Entwicklung der Rechte und Pflichten von Sozial-hilfeempfängern in Frankreich und den Vereinigten Staaten. In beiden Ländern beruhte die Gegenleistung für die staatliche Soli-darität lange Zeit für die Frauen auf der Erfüllung ihrer „Mutterrolle“ und für die Männer auf der Ausübung ihrer Rolle als „Hauptverdiener“. Die diversen Reformen der Programme zur Armutsbekämpfung haben sowohl in Frankreich als auch in den Vereinigten Staaten die Natur dieser Gegenleistungen verändert, was in beiden Fällen zu einer Verstärkung der Verdienstlogik via Eingliederung in den Arbeitsmarkt geführt hat, in den Vereinigten Staaten jedoch in verstärktem Maße als in Frankreich. Die Erlangung von (fianzieller) Autonomie wird sowohl von Männern wie Frauen erwartet, wobei eine Eheschließung letztere jedoch vor dieser Auflage bewahrt, da die Erwerbslosigkeit von verheirateten Frauen toleriert, oder gar durch soziale oder steuerliche Maß-nahmen stimuliert wird. 

Abigail C. Saguy

Die juristischen Konzeptionen der sexuellen Belästigung in Frankreich und in den Vereinigten Staaten

Die Verhaftung des ehemaligen Leiters des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss Kahn (dsk), aufgrund der versuchten Vergewaltigung eines Zimmermädchens im Hotel Sofitel in New York im Mai 2011 hat zu vielen Spekulationen über die Unterschiede zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Einstellung der Sexualität gegenüber geführt. Dieser Artikel kommt zu dem Schluss, dass dieser Skandal aufgrund der juristischen Unterschiede zwischen den beiden Ländern und weniger wegen andauernder zeitloser kultureller Unterschiede größere Chancen hatte, in New York als in Paris zu eskalieren. Im Falle von sexueller Belästigung wird in den Ver-einigten Staaten der Arbeitnehmer verantwortlich gemacht, was dazu geführt hat, dass die Unternehmen interne Bestimmungen und Verhaltensregeln ins Leben gerufen haben. Diese Maß-nahmen, welche durch das Gesetz von 1994 über Gewalt gegen Frauen (Violence Against Women Act
, vawa) vervollständigt wurden, haben zu einer größeren Bewusstseinsnahme des Problems der sexuellen Belästigung und sexueller Gewalt gegen Frauen geführt. In Frankreich, wo die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers minimal ist, haben die Unternehmen es nicht nötig gehabt Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung zu ergreifen und somit zu einer Verspätung der öffentlichen Bewusstseinsnahme beigetragen. Aufgrund dieses Unterschiedes hatte eine Be-schwerde über sexuelle Belästigung mehr Chancen in New York als in Paris an den Tag zu kommen. Der Artikel vertritt jedoch die Ansicht, dass die Aufmerksamkeit, die der Frage der sexuellen Gewalt durch die Affäre dsk zugekommen ist – zu der im März 2012 noch ein Antrag auf eine Untersuchung wegen Verdachts auf organisierter Kuppelei hinzugekommen ist – zu einer Ver-besserung des juristischen Rahmens in Frankreich und eines besseren Schutzes der Opfer sexueller Gewalt beitragen kann.

Anmerkung der Übersetzung: im Original in italisch.

Anmerkung der Übersetzung: Originalbegriff

Anmerkung der Übersetzung: “genre” im Original”

Anmerkung der Übersetzung: “sexe” im Original

Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen.

Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen.

N° 25, 2011 – Der ausgebeutete Süden

Marie-Laure Coubès      

Die internationale Krise und die weibliche industrielle Beschäftigung in Mexiko

Schützt die sexuelle Arbeitsmarktsegregation die Frauen in Krisenzeiten, oder im Gegenteil sind die Frauen, als traditionelle industrielle Reserve, der wirtschaftlichen Rezession besonders ausgeliefert? Der Artikel behandelt diese Fragestellung anhand der Untersuchung des Einflusses der Weltwirtschaftskrise 2008-2009 auf einen globalisierten Arbeitsmarkt, dem industriellen Sektor der mexikanischen Maquiladoras
. Die Untersuchung basiert auf der nationalen trimestriellen Untersuchung der Situation der Männer und Frauen in den vier wichtigsten Bereichen des industriellen mexikanischen Exportarbeitsmarktes.

Jules Falquet       

Ein feministischer Blickpunkt zur Globalisierung

Dieser Artikel analisiert die neoliberale Globalisierung anhand eines feministischen Ansatzes, der sowohl vom französischen Materialismus, einer Theorisierung der Überschneidung zwischen verschiedenen Formen von sozialer Dominierung (geschlechtliche, soziale und ethnische Ungleichheiten) und von lateinamerika­nischen und Karibischen feministischen Unabhäng­i­g­keits­strömungen beeinflusst wird. Die Analyse diskutiert vier Fragstellungen: 1. Fördert der Kapitalismus geschlechtliche Gleichberechtigung oder verstärkt er geschlechtliche, ethnische oder soziale Ungleichheiten? 2. Der Platz der Frauen im Umwelt­drama, der industriellen Zerstörung ländlicher Lebensräume und unfreiwillige Urbanisierung. 3. Frauenfeindliche Entwicklungshilfe durch Mono­kultur für Exportzwecke, Aus­beu­tung von Bodenschätzen, Freizonen und Tourismus. 4. Das neoliberale Kontinuum von männlicher und militärischer Gewalt, Ursache der Opposition von „kämpfenden Männern“ und „servilen Frauen“ und der Verhärtung dieser Grenzen.

Isabelle Guérin      

Die unvermuteten Konsequenzen des Mikrofinanzsystems

Anhand von den Ergebnissen einer mehrjährigen Forschungs­arbeit im Süden Indiens wird gezeigt dass die Auswirkungen des Mikrofinanzsystems insbesondere politischer Natur sind. Auf dem Makroniveau wird das Mikrofinanzsystem in Indien aus zwei Gründen besonders von den öffentlichen Autoritäten gefördert: dieses System erlaubt sowohl die Verfolgung der neoliberalen Prinzipien als auch die Befriedigung der Bevölke­rung und dessen Instrumentalisierung als populistisches Machtwerkzeug der regierenden Parteien, oder von neuen Kandidaten. Auf dem regionalen Niveau lassen sich diverse Netzwerke und Vereine (politischer, religiöser oder gesell­schaft­licher Natur) beobachten, die sich des Mikrofinanz­systems bedienen, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Auf dem mikrolokalen Niveau, der „Nutzer“ dieses Systems, wird festgestellt, dass es lokal den Zugang von sozial wenig etablier­ten Gruppen und Mitgliedern von untergeordneten Kasten, sowie Frauen, eine Zugangsmöglichkeit zur politischen Lauf­bahn öffnet. Die Entstehung dieses weiblichen Profils führt jedoch nicht zu Formen von kollektiver Mobilisierung, sondern verstärkt die lokalen patronalistischen und klientelistischen Systeme.

Elodie Jauneau           

Die Frauen der 2° Panzereinheit des Generals Leclerc

Florence Conrad, eine reiche Amerikanerin, die von der Unter­stützung der einflussreichen feministischen Ligen profitiert, erwirbt in 1943 in New York mehrere Ambulanzen, später « Groupe Rochambeau » benannt. Ihr Ziel ist es eine Einheit von Ambulanzfahrerinnen zu formieren, die zur France Libre in Nordafrika stoßen sollen. Nach dem Einzug von Freiwilligen in New York und in Marokko wird die Einheit in die 2° Panzereinheit des General Leclerc aufgenommen. Der Vorstoß dieser Frauen in männliches Territorium stellt jedwede geschlechtliche Arbeitsteilung in Frage. Er übergreift vier Kontinente im Laufe der Befreiung Frankreichs und des Indochinakrieges. Dieser Artikel stellt die Rolle dieser Pionier­innen der Feminisierung der französischen Armee hervor. Diese Frauen, die zu einer Kampfeinheit gehörten, Akteurinnen der Befreiung, Soldaten in Indochina, obwohl sie nicht bewaffnet waren, waren dennoch Soldaten der ersten Stunde. Ein Blick in die Nachkriegszeit dieser beiden Konflikte, und die Frage des Verbleibens dieser Frauen und des „dankbaren Vaterlandes“  zeigt die Schwierigkeiten Frankreichs Heldinnen in die Reihe ihrer Helden aufzunehmen.

Im Original in Anführungszeichen.

Marie Lesclingand

Auswanderung von jungen Mädchen nach Mali : Ausbeutung oder Emanzipierung ?

Die Migrationen von Frauen aus wirtschaftlichen Motiven, die seit mehreren Jahrzehnten ständig steigen, sind stark an die Entwicklung  des Arbeitsmarktes für Hausangestellte gebunden. In Mali verlassen viele junge Mädchen die ländlichen Regionen ihrer Heimat und wandern in die Städte aus, wo sie sich als Hausangestellte in Privathaushalten verdingen. Seit dem Ende der Achtziger Jahre ist diese Art von Mobilität stark innerhalb der Landbevölkerung Malis angewachsen. Dieser Artikel untersucht diese Entwicklung anhand von Feldforschung mit der Landbevölkerung in Mali, aber auch mit der Stadtbevölkerung, in Bamako, dem Hauptziel dieser Migrationen. Der Vergleich dieser verschiedenen Sichtweisen und Diskurse vermeidet einen „miserabilistischen“  Ansatz, der weibliche Mobilität mit Kinder­arbeit, Formen von Prostitution und Ausbeutung verbindet, indem emanzipatorische und bildungspolitische Aspekte in den Vordergrund gestellt werden.

  Im Original in Anführungszeichen.

N° 26, 2011

Einzelpersonen und Haushalte

Thomas Amossé und Gaël de Peretti

Die statistische Untersuchung von Privathaushalten:

ein Indikator für die Entwicklung von Geschlechtsmustern

Die sozialen Repräsentationen werden einerseits von der Benutzung von statistischen Kategorien geprägt. Anderereits macht die Entwicklung dieser Kategorien gesellschaftliche Veränderungsprozesse sichtbar. Die Untersuchung der statis­tischen Kategorien „Haushalt“ und „Einzelperson“ legen in diesem Sinne Veränderungen von Geschlechtsmustern offen, die sich in drei Phasen einteilen lassen. Von der Nachkriegszeit bis in die 70iger Jahre sind die Frauen wenig sichtbar, sie verschwinden hinter dem „Haushaltsvorstand“ oder der ihnen zugeschriebenen Rolle als Frau und Mutter. In den 70iger Jahren wendet sich die Statistik nach und nach den Einzelpersonen zu und zeigt die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern, und die zu reduzierenden Unterschiede. Heut–zutage ist die Position der verschiedenen Individuen die einen Haushalt darstellen, und die Artikulation der Frauen- und Männerrolle zu einer zentralen Fragestellung der Soziologie und der Wirtschaftswissenschaften geworden. Es handelt sich nicht mehr nur ausschließlich darum, die Unterschiede aufzuzeigen, die übrigens in bestimmten Bereichen weiterbestehen, sondern zu verstehen, worauf diese Ungleichheiten selbst innerhalb von (Ehe)paaren aufbauen. Die Statistik erscheint letzthin weniger normativ, die politischen Ausrichtungen sind weniger eindeutig und die wissenschaftliche Debatte kontrovertiert. Diese dritte Phase befindet sich bisher nur in ihrem Anfangsstadium; der „Hausputz“ steht noch aus.

Olivier Donni und Sophie Ponthieux 

Ökonomische Studien  von Privathaushalten :vom unitarischen Modell zu gemeinschaftlichen Entscheidungsfindungen

Dieser Artikel beginnt mit einer kurzen Darstellung des konventionellen ökonomischen Studiums von Privathaushalten. In dieser Perspektive wurde zuerst das Modell des Individual­verhaltens auf die Ebene des Haushalts übertragen, der sogenannte „unitarische“ Ansatz. Im Hinblick auf die starken Begrenzungen dieser Vorgehensweise, wie z.B. der Mangel an theoretischer Rechtfertigung der notwendigen Verschmelzung der individuellen Präferenzen und der Nichtbeachtung der sich daraus ableitenden Vorhersagen, haben die Wirtschaftswissenschaftler einen „gemeinschaftlicheren“ Ansatz entwickelt, welcher die Berücksichtigung von verschiedenen Entscheidungsfällern ermö­glicht. Er geht jedoch von der Hypothese einer effizienten Nutzung der Ressourcen aus. Neuere Forschungen ermöglichen hingegen Verallgemeinerungen bei denen eine effiziente Situation nur eine von mehreren Möglichkeiten darstellt.

Florence Jany-Catrice und Dominique Méda      

Frauen und Reichtum: über das Bruttoinlandsprodukt hinausgehend

Die zur Zeit gängigste Einheit zur Bemessung des Reichtums eines Landes ist das Bruttoinlandsprodukt, das dem Geldwert der Waren und Dienstleistungen entspricht, die im Laufe eines Jahres produziert worden sind. Dieser Indikator stammt aus der Nachkriegszeit. Wie alle Indikatoren baut er auf „Konventionen“ auf, wie z.B. die Annahme, dass die Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen innerhalb des häuslichen Bereiches ausgeübt werden, und deren Geschlechterteilung auch heute noch sehr ungleich ist, nicht in die Berechnung des nationalen Reichtums einzuschließen. Das Ziel dieses Artikel ist es, in erster Hinsicht auf die – direkten oder indirekten – Gründe dieses Ausschlusses zurückzukommen. Anschließend wird eine Methode vorgestellt, die der femi­nis­tischen Forderung entspricht wenigstens das Ausmaß der häuslichen Produktion zu ermessen, indem dessen Wert berechnet wird. Zu guter Letzt, nach einem bewertenden Vergleich von verschiedenen Schätzungsmethoden, inklusive der neusten Methode, die von der Kommission Stiglitz und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (oecd) entwickelt wurde, handelt der dritte Teil dieses Artikels von einem neuen Ansatz. Er soll ermöglichen die internen Limitationen des Bruttosozial­produktes durch die Entwicklung neuer Indikatoren zu durchbrechen, die die soziale Gesundheit der Bevölkerung erfassenn, sowie, zumindest in Ansätzen, eine genauere Erfassung der Modalitäten der Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern.

Abir Kréfa          

Körper und Sexualität von Tunesischen Romanautorinnen

Anhand von ungefähr dreißig biographischen Interviews mit zeitgenössischen tunesischen Romanautorinnen sowie ihrer veröf­fent­lichten Werke will dieser Artikel zeigen, dass die Ausgrenzung von Frauen aus dem literarischen Feld sich nicht nur durch ihre Schwierigkeiten häusliche Aufgaben mit der Erhaltung eines kreativen Schaffensfreiraums zu vereinbaren, erklären lässt. Obwohl die literarische Umsetzung des Körpers und der Sexualität sowohl aus Sicht der Kritiker wie der literarischen Gemeinschaft als Kriterien einer „guten“ Literatur gelten, sind die Roman­autorinnen einer starken sozialen Zensur unterworfen, deren Auswirkungen besonders im familiären Umfeld und im Raum der Ehe sichtbar werden. Der literarische Erfolg von bestimmten Autorinnen hängt deshalb in starkem Maße von den Strategien ab, die sie sowohl innerhalb ihres sozialen Umfelds, als auch in ihren literarischen Texten umsetzen konnten.

Danièle Meulders und Síle O’Dorchai

Wenn nur der Haushalt zählt

Das Ziel dieses Artikels ist es die Vorausannahmen zu beleuchten, die Einkommensuntersuchungen, sowie Studien zur Verteilung von Armut unterlegen, und deren Auswirkungen auf die Ergebnisse dieser Studien aufzuzeigen. Diese Annahmen führen zur Unterschätzung, wenn nicht zur Simulierung von Armuts-risiken von Frauen. Diese Auswirkungen werden anhand von drei Beispielen von „Falschrechnung“ illustriert, die von der Blindheit gegenüber der spezifischen Situation der Frauen zeugen. Das erste Beispiel hinterfragt die Schätzung des Armutsrisikos von Frauen, das je nach Rechnungsgrundlage – dem Haushaltseinkommen oder dem individuellen Einkommen – variiert. Das zweite Beispiel untersucht die Berechnung der Auswirkungen einer Trennung auf die Einkünfte der verschiedenen Haushaltsmitglieder, und zeigt, dass die traditionelle Rechnungsmethode die Fähigkeit der Frauen alleine zu leben unterschätzt. Das letzte Beispiel handelt von armen Arbeitnehmern, im Regelfall Männer, obwohl die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin weitgehend prekärer ist.

Marianne Thivend    

Höhere Handelsschulen für Mädchen zwischen den beiden Weltkriegen in Frankreich

Im Zeitraum von 1915 bis in die 50iger Jahre lassen neun in der französischen Provinz gelegene höhere Handelsschulen (Écoles supérieures de Commerce – esc) auch Mädchen zu, welche ungefähr ein Viertel des Publikums der esc ausmachen, die sowohl Jungen als auch Mädchen aufnehmen. Dieser Artikel interessiert sich für die Art und Weise mit der diese Mädchen in die Schulen integriert wurden. Was war ihr Schulgang im Rahmen einer „improvisierten“ Geschlechtermischung, wie z.B. die Einführung spezifischer Schulgänge für Mädchen (Direktionssekretariat) im Rahmen einer allgemeinen Ausbildung von zukünftigen Dienst­leitern oder Firmenchefs. Obwohl alle die Schule mit demselben Diplom abschliessen, haben die Mädchen, die hauptsächlich aus der Mittelklasse stammen, und die höheren Oberschulen oder Gymnasialzweige durchlaufen haben, im Allgemeinen bessere Ergebnisse als die Jungen. Die Bewertung des beruflichen Nutz­wertes ihres Diploms ist jedoch weniger eindeutig. Anhand der alten Jahrbücher wird offensichtlich, dass die Berufswahl für Frauen weniger vielfältig ist als die der Männer. Die simple Existenz von weiblichen Unternehmensleiterinnen, Abteilungs-chefinnen und Aufsichten zeigt jedoch eine nicht zu leugnende Erweiterung des Berufshorizontes, zumindest für einen Teil der Diplomandinnen.

Laurent Toulemon   

Einzelperson, Haushalt, Familie, Wohnsitz: zählen und beschreiben

Seit vierzig Jahren haben sich die Haushalte vereinfacht, sie sind kleiner geworden und die sogenannten « komplexen » Haushalte sind seltener. Bestimmte Einzelsituationen werden jedoch nicht mehr von der Volkszählung erfasst, die jeden Bewohner an einem einzigen Wohnsitz zählt. Eine kurze Zusammenfassung der Hauptentwicklungen der letzten 40 Jahre geht einem genaueren Vergleich der verschiedenen in der Volkszählung erfassten Familiensituationen zuvor, so wie sie in den wichtigsten statis­tischen Umfragen der Insee (Institut national de la statistique et des études économiques) auftreten: die Volkszählung, die Arbeits­markterhebung und die anderen Untersuchungen der Privat­haushalte die den allgemeinen Teil des Fragebogens eine­ziehen, dessen aktualisierte Version genaue Informationen über die Beziehungen innerhalb des Haushaltes, sowie innerhalb von Haushalten mit diversen Wohnsitzen beinhaltet. Die Unter­suchung dieser Daten zeigt, dass die Männer öfter als die Frauen in wenig definierten Situationen leben: Multiresidenzen, nicht zusammenlebende Paare, Kinder die im Falle einer Trennung die Hälfte der Zeit bei einem Elternteil leben.

Anmerkung der Übersetzung : im Original « Enquête sur l’Emploi ».

Anmerkung der Übersetzung : im Original « Tronc commun ».

N° 23, 2010

Tradition und Wandel in China

Tania Angeloff
 

China auf der Arbeit (1980-2009) : 

Erwerbstätigkeit, Geschlecht und Migrationen

In der Volksrepublik China stellen die geschlechtliche Gleichberechtigung sowie das Ende des traditionellen patriar­chalen Modells einen Streitpunkt bis in die Moderne dar, von 1919 bis heute. Die seit ungefähr 30 Jahren andauernden bahn-brechenden Wirtschaftsreformen wurden von keiner umfas­senden politischen Veränderung begleitet. Was sind die konkreten Auswirkungen der Veränderungen der Geschlechterverhältnisse innerhalb eines traditionnellen Kontexts, der sich durch eine intakte kommunistische Ideologie kennzeichnet, die auch den gesetzlichen Rahmen politisch prägt? Was sind die Auswirkungen der wirtschaftlichen Öffnung und der Wirtschaftsreformen auf die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern? Wie haben sich die geschlechtlichen Unterschiede weiterentwickelt, und was sind die spezifischen Eigenschaften der sexuellen Diskriminierung in China? Die Segregationsprozesse, die zur sexuellen Ungleichheit zwischen Frauen und Männern führen, werden insbesonders im Rahmen der männlichen und weiblichen Arbeits- und Erwerbstätigkeit untersucht, als auch innerhalb desselben Geschlechts ; das seit den Wirtschaftsre­formen des Anfangs der 90iger Jahre verstärkt auftretende Phäno­men der Arbeits-migrationen lässt diese Prozesse besonders klar erscheinen. Das Beispiel der Prostitution, ein soziales Phäno­men im China der Wirtschaftreformen, verdeutlicht die Strategien der männlichen Dominierung und des weiblichen Widerstandes und erlaubt es, die spezifischen Eigenheiten eines globalen Modernisie­rungsprozesses zu verdeutlichen.

Isabelle Attané     

Als Frau in China geboren werden: eine demographische Perspektive

Eine differenzierte Behandlung von Frauen und Männern hat Auswirkungen auf diverse Bereiche der Gesellschaft. In China Bildungs-, Erwerbs- und Gesundheitswesen, aber auch im Rahmen des Erbrechts, der Gehälter, politischer Repräsentation oder Ent-scheidungen im Rahmen der Familie. In dieser Perspektive funktioniert die Demographie als ein Spiegelbild der sozietalen Eigenschaften und Gebräuche. Die Demographie Chinas zeigt abweichende Eigenschaften auf, die sich durch die sexuellen Ungleichheiten erklären lassen. Die Wahrscheinlichkeit als Frau geboren zu werden ist geringer, da im Allgemeinen Söhne bevorzugt werden; die Lebenserwartung von Frauen ist ebenfalls geringer als es die sozioökonomischen und sanitären Bedingungen erwarten ließen, was zu einem überproportionalen Männeranteil in der Bevölke­rung führt. Die Erlangung einer reellen Autonomie der Frauen während der folgenden Lebensabschnitte wird ihnen ebenfalls erschwert. Ihre Reproduktionslaufbahn ist weiterhin starken Zwän­­gen unterworfen, und sie sind in höherem Masse von sozialer und wirtschaftlicher Not betroffen als die Männer, da ihr Anteil an den älteren Bevölkerungsschichten höher liegt.

Anne Fellinger

Frauen, Risiko und Radioaktivität in Frankreich

Dieser Artikel berichtet von den Ergebnissen einer Untersuchung zur Krankheitsgeschichte von Frauen im wissenschaftlichen Arbeitsmilieu anhand des Beispiels der Radioaktivität. Dieses komplexe Fallbeispiel macht es möglich gleichzeitig die Frage nach den spezifischen Eigenheiten der Krankheitsgeschichte der Frauen in der Radioaktivitätsforschung und ihrem Verhältnis zum Risiko zu stellen, sowie der Gemeinsamkeiten dieser Arbeitssituation mit anderen risikoreichen Arbeitssituationen, die ein klassischeres Thema der Arbeits- und Sozialgeschichte darstellen. Der Artikel zeigt auf, dass die Frauen die seit Anfang des 20igsten Jahrhunderts dem Risiko des Umgangs mit Radium ausgesetzt wurden, bis in die 60iger Jahre von einer relativ privilegierten Situation in Bezug auf das Risikomanagement profitierten. Die Entwicklung der Nuklearwissenschaften und ihrer Anwendungen beeinflusst positiv die Entstehung von geschlechtsspezifischen Schutzmassnahmen für das den radioaktiven Strahlen ausgesetzte Personal durch die Wiederaufnahme von relativ traditionellen Arbeitsorganisationsschemata.

Maria Rentetzi

Geschlecht, Politik und Radioaktivität :  

der Fall des roten Wiens

Abgesehen von einem wissenschaftlichen Produktionsbereich, ist ein wissenschaftliches Laboratorium ebenfalls ein Arbeitsbereich in dem die einzelnen Aufgaben stark nach ihrem Qualifikations­niveau differenziert werden, und die einzelnen Arbeitsposten durch ihre Vergütungsform – Monatsgehalt oder Spenden – oder Finanzierungsabhängig – definiert werden. In diesem Artikel wird ein im französischen Departement der Vienne
gelegenes Forschung­s­institut zur Radiumforschung untersucht und die Idee einer auf sexueller Gleichberechtigung basierenden Arbeitskultur vertreten, welche es den Physikerinnen ermöglicht hat, wichtige Forschungs­projekte durchzuführen. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen stellten die Frauen ein Drittel des Forscherkontingents, was auf der progressiven Haltung des Institutsleiters, der Politik der „roten“ Vienne
und der Interdiszi­plinarität des Forschungsfeldes beruhte. Im Vergleich zu anderen Laboratorien, wie z.B. das Laboratorium Cavendish
, stellt das Institut der Vienne
ein besonders untypisches und faszinierendes Fallbeispiel für die Promotion von Frauenarbeit im wissen-schaftlichen Arbeitsfeld dar.

Tang Xiaojing

Die Frauen vom Großen Sprung nach vorne

Der „Große Sprung nach vorne“ (1959-1961) ist ein Wendepunkt in der Geschichte der Frauen Chinas, wie vielfach gezeigt wurde und es sich heute erwiesen hat. Im Rahmen dieser Bewegung wurden viele „Hausfrauen“, hier die „Frauen vom Großen Sprung nach vorne“ genannt, vom Staat mobilisiert um eine Erwerb­stätigkeit auszuüben. Aus Sicht des kommunistischen Regimes handelt es sich um einen einzigartigen Fortschritt in Richtung der Emanzipation von „Hausfrauen“, der die weitere Politik zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern in China orientiert hat. Höchstwahrscheinlich aus diesem Grund wurde dieser „Fortschritt“ wenig von der Historiographie hinterfragt. Dieses Bild der Emanzipation ist jedoch stark ideologisch geprägt. Im Rahmen einer Studie zur Arbeitsmarktpolitik der 50iger und 60iger Jahre und anhand der Realisierung von Tiefeninterviews mit 15 Frauen vom „Großen Sprung nach vorn“, die in demselben Unternehmen in Schanghai gearbeitet haben, wird gezeigt, dass es sich um die Schaffung eines Kastensystems handelt, und dass selbst der Ausdruck der „Hausfrauen“ stark ideo­lo­gisch geprägt ist. D. h. das die „Hausfrauen“ einem System ausgeliefert wurden, in dem ihnen ein prekärer und schlecht bezahlter Arbeitsplatz zugewiesen wurde, ohne Karriere­möglich­keiten oder Sozialschutz, welches ausserdem zur Stabilisierung das ansonsten stabilen Erwerbssystem Maos beigetragen hat.

Wang Zheng

Der militante Feminismus im heutigen Chine

Dieser Artikel handelt von der konzeptuellen und organisa-torischen Entwicklung des militanten Chinesischen Feminismus im Rahmen der 4° Konferenz der Vereinigten Nationen in 1995 in Beijing. Anhand einer Untersuchung der militanten Bewegung gegen Gewalt in der Ehe kritisiert der Autor die Beziehungen zwischen von Frauen gegründeten Non Governmental Organizations und dem Frauenverein des chinesischen Staates im Zuge der internationalen Frauenbewegung und des Kapitalismus. Trotz aller Widerstände von Seiten eines patriarchal geprägten Staates, der sich auf einen etablierten Staatsapparat stützt, einem intellek­tuellen stark an männlichen Werten ausgerichtetem Milieu, welches zu einem Wirtschaftskapitalismus tendiert, der Enteignungen und Vertrei­bungen legitimiert, haben die chinesischen Feministen bedeutende feministische Veränderungen durchsetzen können.

N° 24, 2010

Verdammte Vereinbarkeit

Hugues Bardon        

Stillen und Arbeiten :

 kein Ding der Unmöglichkeit

Der aktuelle Diskurs über die Vereinbarkeit von einer Erwerbs­tätigkeit und dem Stillen stipuliert diese Möglichkeit, und hat sich somit seit zwanzig Jahren stark verändert. Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch, dass es sich essentiell um eine rhetorische Veränderung handelt, die hauptsächlich die Notion der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit ent­wickelt. Eine Dekonstruktion dieses Diskurses verdeutlicht die Empfehlung der Verringerung, und gegebenenfalls der Unter­brechung der weiblichen Erwerbstätigkeit zugunsten der Erhaltung der Stillfunktion empfehlt. Die Diskursanalyse zeigt die Entstehung von normativen Verhaltensregeln und Emp­fehlungen auf, die sich zu einem Musterbeispiel der Mutterfigur zusammenfügen, und gleichzeitig an die Verantwortlichkeit und das Schuldbewusstsein der Mütter appelliert, um deren Zustimmung und Verfolgung dieser Regeln zu erzielen.

Danielle Boyer und Benoît Céroux

Die Grenzen der Politik

der Unterstützung der Vaterschaft

Dieser Artikel handelt von den aktuellen Widersprüchen zwischen dem sozialen Modell der Vaterschaft und seiner praktischen Ausübung, wie sie in den Erfahrungsberichten der Väter über ihre Vaterschaft Ausdruck finden. Das Bild der Vaterschaft, dass sich aus diesem Widerspruch ableitet, nähert sich eher einem Akt des persönlichen Engagements, als einer gesellschaftlich anerkannten Stellung, und die Väter haben nicht alle denselben Wunsch sich ihrem Kind gegenüber einzubringen. In diesem Sinne handelt es sich um eine gewollte Vaterschaft, deren Realisierung diverse Hürden im Weg stünden. Die Norm des erwachsenen Arbeitnehmers verstärkt sicherlich die Zuordnung der Männer zur Erwerbssphäre. Der Appell der öffentlichen Hand an das persönliche Engagement der Väter und die Norm der Erwerbstätigkeit stellen in diesem Sinne die Grenzen der Unterstützungsmaßnahmen zur Ein­bringung in die Vaterschaft dar.

Elisabeth Klaus

Antifeminismus und elitärer Feminismus in Deutschland :
ein Zustandsbericht

Die Feministischen Theorien, die in Deutschland lange Zeit Tabu waren, haben in der letzten Zeit an Terrain in der sozialen Debatte gewonnen, insbesondere in politischen Breichen die bisher neuen ideologischen Positionen eher verschlossen gegenüberstanden. Die Veröffentlichung eines Bestsellers einer ehemaligen Fernsehmoderatorin eines Nachrichtenprogramms, der eine Großzahl der aktuellen deutschen Gesellschafts­probleme dem Feminismus zuschreibt, hat dieses Revival
noch weiter angeheizt. Abgesehen vom aktuellen Angriff von Eva Hermann – der Buchautorin – gegen die Feminismusbewegung der 70iger Jahre, führt der Artikel diverse Indikatoren für die Existenz eines weitreichenden und gut organisiertem Anti-feministischen Netzwerkes an, welches sich effizient der neuen Informationstechnologien und der Media bedient. Die Veröffentlichung hat eine Kritikwelle an den traditionellen Stellungnahmen der ehemaligen Fernsehmoderatorin hervor­gerufen, welche von den Medien mit dem allgemeinen Label des „neuen Feminismus“  abgespalten wurden. Eine nähere Untersuchung von diesem äußerst populären Tatsachenbericht zeigt jedoch einen starken Konservatismus, der stellenweise mit antifeministischen Stellungen übereinstimmt. Das Buch stipuliert in diesem Sinne, dass der „konservative Feminismus“  sich durch vier Merkmale charakterisieren ließe: eine Dis­tanzierung von Positionen eines überholten und antiquierten Feminismus; eine neo-liberale Selbstverherrlichung; totale Abwesenheit von Sozialkritik; die Adoption der Norm einer unweigerlichen Heterosexualität.

Ariane Ollier-Malaterre
Von der Vereinbarkeit zur Widerstandskraft :

vierzig Jahre Sprachentwicklung in den Vereinigten Staaten

Obwohl in den Vereinigten Staaten die Berücksichtigung der Problematik der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben bei Auswahlverfahren schon seit vierzig Jahren praktiziert wird, stellt dieser Ansatz in Frankreich eine Neuheit dar. Die Entwicklung der Wortwahl der Personalbeauftragten, und der Forscher im Bereich der Sprachforschung, von « work-family » zu « work-life », und letztendlich der Begriff der « Wider­standskraft », zeugt von einem tiefgreifenderen Verständnis dieser Problematik, und der Strategien die damit verbunden sind. Die Begrenzung dieser Fragstellung auf weibliche Kandi­daten hat diese Praktiken jedoch stark begrenzt, und deren Benutzerinnen benachteiligt. Die Verschmelzung des Begriffes der Vereinbarkeit mit dem Sprachgebrauch im Gesundheits­wesen, die Fragestellung des Wohlseins und der Wider­standskraft könnte eine Möglichkeit zur Überwindung dieser Geschlechtsbarrieren darstellen, und eine bessere Nutzung dieser Praktiken ermöglichen.

Ariane Pailhé
und Anne Solaz    

Verbinden, organisieren, aufgeben :

was für Arrangements?

Dieser Artikel zieht eine Bilanz der Entwicklung der Artiku­lation zwischen Familien- und Berufsleben, der über die feministische Kontroverse hinausgeht. Die Arrangements von Familien- und Berufsleben hängen nach wie vor hauptsächlich von den Frauen ab, insbesondere in Bezug auf die verschie­denen Phasen des Lebens. Die neuen Organisations­formen von Arbeit und die Segmentierung des Arbeitsmarktes führen zu einer Beibehaltung dieser sexuellen Arbeitsteilung. Die Arbeit­geber können zu einer Verringerung der Spannungen zwischen Familien- und Berufsleben beitragen, indem sie eine flexiblere Arbeitsorganisation ermöglichen. Die Situation der Arbeit­nehmer einerseits, unabhängig von ihrem Familienstand, und die Unterstützungsmaßnahmen von Seiten des Arbeits­gebers andererseits, variieren jedoch stark je nach Arbeits­markt­branche und Arbeitnehmerverhältnis.

Rachel Silvera    

Arbeits- und Familienzeiten in Europa :

 neue Konfigurationen

Eine bessere Artikulation von Arbeits- und Familienzeiten ist eines der Hauptthemen der Europapolitik, mit dem Ziel sowohl das Grundprinzip der geschlechtlichen Gleichberechtigung umzusetzen, als auch wirtschaftliche und demographische Objektive zu erreichen, d.h. einerseits wie eine Steigung der weiblichen Erwerbsrate zu erlangen, und andererseits die Familienarbeit von Frauen, und die Erfüllung ihrer Mutterrolle zu erleichtern. Dieser Artikel hat zum Ziel einerseits einen aktuellen, wenn auch unvollständigen Überblick über die öffentlichen Maßnahmen zur Artikulation der verschiedenen Zeiten (Zeiten, Dienstleistungen, Ausgaben) zu verschaffen, andererseits handelt es sich darum die weiteren Akteure, wie z.B. die Unternehmen, und ihren jeweiligen Verantwortlichkeitsbereiche zu identifizieren. Dieser Ansatz beleuchtet die Entwicklung der europäischen Modelle der „Vereinbarkeit“ und der jeweiligen Rolle des Staates, des Marktes und der Familie. Über das Niveau des Diskurses hinausgehend zeigt die Analyse, dass die Praktiken stark unterschiedlich sind und sich trotz der programmatischen Ausrichtung der Europapolitik kein Konsens zum Projekt der „Vereinbarkeit“ und der Gleichberechtigung herausbildet.

Mechthild Veil

Familienpolitik gegen geschlechtliche

Gleichberechtigung ? Der Fall Deutschlands

Die deutsche, im Vergleich zu Frankreich traditionell konser­vative Familienpolitik durchläuft z.Z. eine von der Euro­päischen Union initiierten Anpassungs- und Modernisierungs­phase. Die zwei emblematischsten Elemente dieser Reform, die erzwungene Kapazitätsanpassung der Kleinkinderbetreuung und die Reform der Kindergeldpolitik werden unter dem Gesichtspunkt der geschlechtlichen Gleichberechtigung, der Restrukturierung der „Verbindbarkeit“ und der Erhöhung der schwachen Geburtsraten im Akademikermilieu getestet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind vermischt: einerseits handelt es sich um innovative Maßnahmen im Sinne der Ausrichtung der Maßnahmen zur „Vereinbarkeit“ auf die Bedürfnisse der erwerbstätigen Mütter und die Verstärkung der Rolle der Männer als Väter. Andererseits sind diese Politiken jedoch auf Bi-aktive Mittelklassehaushalte ausgerichtet und somit nicht auf andere soziale Realitäten zugeschnitten. Letztendlich erschwert die konfliktgeladene Koexistenz der beiden Modelle – der aktiven Mutter und des „Bread­winner­
vaters“ – d.h. „die normative Undefinierung“, eine Realisie­rung der geschlechtlichen Gleichberechtigung.

 NDT : im Originaltext in Anführungszeichen.

 NDT : im Originaltext in Anführungszeichen.

 NDT : Résilience
im Originaltext.

 NDT : im Originaltext in Anführungszeichen.

N° 21, 2009

Gleichheit und Verschiedenheit

Carole Brugeilles,
 
Sylvie Cromer
 
und Nathalie Panissal 
     

Sexismus auf dem Programm ?

 Geschlechtsunterschiede im Leseprogramm in der Schule

Das französische Grundschulprogramm enthielt in 2002 eine Referenzliste von 180 Werken der Jugendliteratur für die Schüler/Innen des dritten und vierten Schuljahrs, zum Erwerb einer Allgemeinkultur. Von der Literatur als einem privilegierten Medium zur Vermittlung von Wertvorstellungen und zum Verständnis unserer Alltagswelt ausgehend erschien es uns legitim, die Repräsentationen von männlichen und weiblichen Verhaltensmustern zu hinterfragen, die sie vermit­telt, insbesondere da sie ausdrücklich für ihren Bildungswert von einem Bildungsministerium ausgewählt wurde, das seit den 60iger Jahren die Chancengleichheit von Mädchen und Jungen proklamiert und sich zur Verringerung von Geschlechts­unterschieden einsetzt. Wir haben eine auf der Soziologie der Geschlechterverhältnisse und der sozialen Repräsentationen basierenden Methode benutzt, die anhand eines Fragebogens die Text- und Bildinformationen über sämtliche Personnagen, Schlüsselelemente jeder Geschichte, erfasst. Die Analyse zeigt nicht nur ein numerisches Mißverhältnis der weiblichen und männlichen Figuren auf, sonder auch deren Hierarchisierung und soziale Segregation. Die männlichen Figuren werden hauptsächlich mit der Berufssphäre identifiziert, und die weiblichen mit dem häuslichen und familiären Umfeld.

Christophe Falcoz und Audrey Bécuwe 

Die Verwaltung von  « ausgrenzbaren »

Minderheiten :

das Beispiel der sexuellen Orientierung

Dieser Artikel versucht zu zeigen, dass egalitäre und Antidis­kri­mi­nierungsansätze einerseits und neuere angelsächsische Ansätze in Frankreich, wie das « diversity management », keinen Exklusivitäts­­anspruch haben. Für bestimmte « ausgrenz­bare » (im Unterschied zu ausgeschlossenen Minderheiten) kann gleichzeitig eine Nachfrage an gesellschaft­licher Gleichberechtigung und ein Interesse an « inklusiver » Personal­politik in der Wirtschaft existieren, wie eine Untersuchung mit 1413 schwulen und lesbischen Angestellten zeigt. Da ein Grossteil seine/ihre sexuellen Vorzüge nicht am Arbeitsplatz preisgibt, ist die Frage der sexuellen Diskrimi­nierung für sie zweitrangig. Es handelt sich für diese Arbeitnehmer/Innen eher darum, das Toleranzlevel hinsichtlich « abweichender » sexueller Orientierungen, ins­besondere in Funktion der Zentralität der heterosexuellen Norm, abzuschätzen. Die Studie zeigt, dass eine am Diversifizierungs­management orientierte Personalpolitik sich als wirkungsvoller erwiesen hat als Antidiskriminierungspolitiken, um Schwulen und Lesben ein risikoloses Ausleben ihrer sexuellen Präferenz am Arbeitsplatz zu ermöglichen.

Marie-Thérèse Lanquetin

Gleichberechtigung, Diversifizierung und… vielfältige Diskriminierungen

Das Prinzip der Gleichbehandlung und der Nichtdiskrimi­nierung beruht sowohl auf der europäischen Gesetzeslage als auch auf der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes. Dieses Problem­feld hat nach dem Amsterdamer Vertrag von 1997 einen neuen Platz in der Öffentlichkeit  erlangt. Der Kampf gegen Diskrimi­nierungen und die Notwendigkeit einer Vervielfältigung der Akteure ist seitdem vorrangig. Der Grad der Mobilisierung der Akteure wird sowohl anhand des Stellenwertes des Themen­bereichs der Diversifizierung von Unterschieden im Hinblick auf juristische Maßnahmen zur Antidiskriminierung als auch durch das Ausmaß der öffentlichen Debatte deutlich. Das Thema ist Objekt einer Charta, eines Labels, eines inter-sektoriellen Abkommens, die mehr von der Frage der ethnischen Gleich­berechtigung als von sexueller Chancengleichheit handelt. Wird das Thema der Vielfältigkeit nicht der Frage der Gleichberechti­gung den Rang abtreten? Über diese Entwicklungen hinaus sind die Überlegungen heutzutage in der Europäischen Union auf die Frage der vielfältigen Diskriminierungen gerichtet, denen meistens Frauen zum Opfer fallen, obwohl keine systematischen Studien über diesen Tatbestand in Frankreich zur Verfügung stehen. Unsere Studie untersucht Diskriminierungen als ein vielschichtiges Phänomen, mit diversen miteinander ver­bundenen Urachen, statt eines monokausalen Ansatzes.

Jacqueline Laufer

Von der Möglichkeit den Anspruch auf berufliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern

durch eine Politik zur Diversifizierung von Unterschieden zu ersetzen

Seit einigen Jahren lassen sich Fortschritte in Hinblick auf die berufliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Frankreich und in der Europäischen Gemeinschaft beobachten. Im Gleichzug ist eine Debatte über die Frage der « Vielfältigkeit » in der Gesellschaft und im Unternehmens­bereich entstanden. Eine Vielzahl von Unternehmen hat sich bereitwillig auf eine Diskussion dieser Fragen eingelassen, die Vorgehensweise zeugt jedoch von einer gewissen Unsicherheit in Bezug auf die Artikulation von Maßnahmen zur sexuellen Gleichberechtigung und zur Diversifizierung. Die Konfron­tation von Gleichberech­tigungs – und Diversifizie­rungs­politiken zeigt, dass diverse Arten von Problemen auf dem Spiel stehen. In der Tat wird klar, dass Geschlechtsunterschiede nicht ein « Unterschied » unter anderen sind, und dass die Vervielfältigung der unterschiedli­chen Katego­rien zu einer Situation führen kann, in der das universelle und transversale Gleichheitsprinzip, und insbeson­dere die sexuelle Gleichberech­tigung, ihre Eigenheit verliert. Je mehr sich also die Frage der Gleichberechtigung in Richtung einer Berücksichtigung von diversen Unterschieden entwickelt, desto mehr bildet sich die Notwendigkeit heraus an dessen « Grundprinzipien » zu erinnern, insbesondere in einem Arbeits­marktkontext, der das Prinzip der Gleichbehandlung « zerbrechlich » macht, wie schon  erwähnt wurde.

Olivier Mérignac

Die Frauen im Prozess eines Auslandsaufenthaltes

Mit einer einerseits durch das Weltwirtschaftswachstum stark entwickelten internationalen Mobilität des Managements und andererseits einem gleichwertigen Kompetenz – und Ausbild­ungs­levels von Männern und Frauen, sowie deren vergleichbare Beteiligung am Arbeitsleben, scheinen sämtliche Elemente präsent zu sein um eine ebenbürtige Repräsentation von Frauen und Männern unter Managern im Ausland zu ermöglichen. Widersinnigerweise sind Manager mit Auslandserfahrung weiterhin eher männlichen Geschlechts, obwohl die Erwerbsbe­völkerung sich immer mehr feminisiert. Die Frauen sind unter Managern auf internationalem Level stark unterreprä­sentiert. Diese Studie untersucht die Situation von Frauen an den verschiedenen Etappen der Realisierung eines Ausland­saufenthaltes, um die hartnäckigen Vorurteile zu identifizieren, die die internationale Mobilität von Frauen behindern und sie auch weiterhin begleiten, sofern es ihnen gelingt, sich ins Ausland zu begeben. Trotz der Diskriminierung während des Selektionsprozesses und während ihres Auslandsaufenthaltes ist das Erfolgslevel von Frauen mit dem ihrer männlichen Kollegen gleichsetzbar, und dies sogar in Ländern, wo die Geschäftskultur den Frauen wenig Spielraum und Anerken­nung im Berufsleben zuerkennt.

Monique Meron

« Ethnische » Statistiken : Tabus und Humor?

Statistische Tabus haben schon immer existiert, variieren jedoch nach Land und Epoche. Die Polemik über « ethnische » Statistiken ist in Frankreich besonders intensiv. Die schon immer heftige Debatte über diese Fragestellung wurde neu angeheizt durch die Realisierung einer statistischen Umfrage der Ined (Institut National des études démographiques) über die « Laufbahnen und Herkünfte » von Immigranten und ihrer Nachkommen, sowie durch eine neue Gesetzesvorlage des Innenministeriums. Es stehen sich auf der einen Seite die Vertreter der Identifikation und Messung der Herkunft als Mittel zur Reduktion von Diskriminierungen (evtl. mit Hinblick auf eine positive Diskriminierung) und auf der anderen die Gegner dieser Sichtweise gegenüber, welche eine « ethnisch-rassische » Identifizierung als konträr zum republikanischen Prinzip der Nichtunterscheidung einschätzen und vor dem Risiko einer Banalisierung einer ethnischen Gesellschaft warnen als Weg zur Verstärkung von rassistischen Vorurteilen, die eine grundlegendere Untersuchung von sozialen Unterschieden verhindert. Statistische Kategorien sind immer soziale Konstrukte, die besonders kompliziert zu handhaben sind sobald es sich um physische und persönliche Kriterien handelt, deren Definition so unklar und wage ist wie die ethnische Herkunft oder die Hautfarbe. Ist es möglich jede Art von Frage in einer statistischen Umfrage zu stellen, oder handelt es sich um dasselbe Dilemma welches Humoristen zu lösen haben – ist es möglich alles ins Komische zu ziehen?

N° 22, 2009

Dienstboten von hier und anderswo

Françoise Battagliola     

Philantrophen und feministinnen
zur zeit der Reformatoren (1890-1910)

Das Milieu der sozialen Reformatoren, das sich während der letzten Jahrzehnte des 19ten Jahrhunderts entwickelt, unterscheidet sich von der traditionellen Wohlfahrt durch seinen Hang zur Rationalisierung der Sozialarbeit, die Theorie und Praxis verbindet. Diese Periode ist auch die Hochzeit der feministischen Bewegungen. In Frankreich existieren umfassende Studien über dieses Milieu, aber geschlechtsspezifische Untersuchungen sind immer noch selten. Dieser Artikel versucht diesem Manko entgegenzuwirken: der Platz der Frauen und die sich entwickelnden Geschlechterverhältnisse in diesem sozialen Feld stehen im Vordergrund der Untersuchung. Es werden weiterhin die Zusammenhänge zwischen der sozialen Stellung der Frauen und ihrem Engagement in philanthropischen und feministischen Institutionen, sowie dessen Bedeutung für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der Frauen verschiedener Herkunft, untersucht. Die Untersuchung baut auf Archivmaterial über die verschiedenen Vereine, Gruppen und Tagungen (die meistens Frauen und Männer versammelten) und biographischen Informationen über die Akteure auf. Sie verbindet qualitative und quantitative Methoden, wie Fallstudien einerseits und kollektive Biographien und Netzwerkanalyse andererseits.

Félicie Drouilleau  

Landflucht und Hausangestellte in Bogota

Dieser Artikel handelt von den verschiedenen Anstellungs­modalitäten von Hausangestellten in Bogota (Kolumbien). Anhand eines Vergleiches zwischen der Situation der jungen Mädchen und Frauen vom Land, welche in den 60iger und 70iger Jahren in der kolumbianischen Hauptstadt eine Anstellung als Dienstmädchen gesucht haben, mit derjenigen von Personen, die vor Gewalt flohen, handelt es sich darum die Entwicklung der Einstellungsbedingungen von Hausange-stellten zu untersuchen. Ursprünglich stark durch das familiäre Feld geprägt, hat das Phänomen der „Empfehlungs­schreiben“ die Entstehung von neuen Vertrauensverhältnissen zwischen Fremden ermöglicht und somit den Bekannten- und familiären Kreis über seine ursprünglichen Grenzen hinaus erweitert. Die Erstellung dieses Vertrauensverhältnisses stellt jedoch nach wie vor ein Problem für diese von der Stadtbevölkerung missachtete Landbevölkerung dar, dieses Vertrauen zu gewinnen.

Mélanie Jacquemin

„Kleine Nichten“ und „kleine Dienstmädchen“ in Abidjan 

In der heutigen Gesellschaft in Abidjan besteht der größte Teil der Dienstmädchen aus jungen und sehr jungen Mädchen von unter 20. Es handelt sich um ein Phänomen, dass mit der Gründungsgeschichte der Stadt verbunden ist; die Arbeits-bedingungen der „kleinen Dienstmädchen“ haben sich jedoch insbesondere im Rahmen der seit den 80iger Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Krise an der Elfenbeinküste stark verändert. Um die zeitgenössischen Logiken dieser wirtschaftlichen Ausbeutung von jungen und sehr jungen Mädchen genauer zu beleuchten, zeichnet dieser Artikel die Geschichte des Arbeitsmarktes für jugendliche Hausangestellte in Abidjan in den letzten dreißig Jahren nach. Die Passage von familiären zu anonymeren, Vertrags- und Wirtschaftslogiken denen das Arbeitsverhältnis dieser jugend­lichen ArbeitnehmerInnen untergeordnet ist, zeigt die Komple­xität dieses wenig bekannten Phänomens, welches als ein Indikator für den sozialen Wandel in Schwarzafrika gelten kann.

Claire Marbot

Die Inanspruchnahme von häuslichen Dienstleistungen und deren Ursachen in Frankreich

Die Inanspruchnahme von häuslichen Dienstleistungen und Hilfsdiensten durch französische Privathaushalte variiert stark je nach Komposition und Alter der jeweiligen Familien-mitglieder. In den letzten 10 Jahren (1995-2005) wurden diese Dienstleistungen in den regulären Arbeitsmarkt integriert, ihr Gesamtumfang hat sich jedoch nicht vergrößert. Bei der Existenz einer Frau im erwerbsfähigen Alter ist deren Erwerbstätigkeit ausschlaggebend für die Inans­pruchnahme derartiger Dienstleistungen. Es ist jedoch nicht die Erwerbstätigkeit an sich, welche für die Inanspruchnahme ausschlaggebend ist, sondern deren Kombination mit der Existenz von Kindern, einem höheren Ausbildungsniveau und der Ausübung einer leitenden Position. Die Qualifikations- und Gehaltsunterschiede sind weniger stark ausgeprägt in den Haushalten, die häusliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen, als im Durchschnitt. Letztendlich, selbst wenn das männliche Einkommensniveau auf den ersten Blick als ausschlag­gebend erscheint, so beeinflusst dieser Faktor hauptsächlich das Lebensniveau des Haushaltes; und unter ansonsten gleichen Bedingungen hängt die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme dieser Art von Dienstleistungen vom weiblichen Ausbildungsniveau ab.

Dominique Vidal

Eine Erblast am Rechtsmaßstab

In diesem Artikel werden die Fortschritte und Grenzen des wachsenden Zugangs von Hausangestellten zum Sozialrecht in Rio de Janeiro untersucht. An erster Stelle wird die statistische Beschreibbarkeit dieser Tätigkeit in Brasilien hinterfragt. Anschließend wird ein neuer Sinn für Gerechtigkeit, der zur Entstehung dieses neuen gesetzlichen Rahmens beigetragen hat, untersucht, und die Frage nach den Auswirkungen dieser Veränderungen für das Selbstbewusstsein der Hausangestellten gestellt. Letztendlich wird die Unzulänglichkeit des Rechts als Quelle ihres Schutzes herausgestellt, insbesondere aufgrund des begrenzten Zugangs zur Rechtssprechung, ihrer schwachen Identifikation mit gewerkschaftlichen Tätigkeiten und des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Bereich der häuslichen Dienstleistungen. In der Schluss-folgerung werden die speziellen Eigenheiten dieses Tätigkeits-bereiches im aktuellen Brasilien herausgearbeitet und im weiteren Rahmen der aktuellen Dienstleistungsdebatte interpretiert.

Emmanuelle Zolesio       

Frauen im Männerberuf :

das Erlernen der Chirurgie

Die Lage der Frauen – einer statistischen Ausnahme – erlaubt gewisse spezifische Eigenheiten der beruflichen Sozialisation von Chirurgen herauszuarbeiten. Es handelt sich hierbei darum den Inhalt der beruflichen Sozialisation (was wird weitergegeben?) und die konkreten Bedingungen der Weitergabe der chirurgischen Kultur (wie wird es weitergegeben?) genauer zu untersuchen. Die Assistenzarztzeit steht im Zentrum der Untersuchung. Die Frauen, die sich für die Chirurgenlaufbahn vorbereiten, bringen gewisse Vordispositionen mit. Ihre berufliche Integration setzt jedoch eine gewisse Maskulinisierung voraus. Diese Bereitschaft, die eigene Weiblichkeit in den Schatten zu stellen zeugt von dem Gewicht der männlichen Werte in diesem Beruf. Unsere Empirie stellt die Herausarbeitung der konkreten Mechanismen der männlichen Dominierung bei der Kandidatenauswahl in den Vordergrund. In der Praxis konnte konstatiert werden in welcher Weise schlüpfrige Bemerkungen und sexistischen Scherze zum Ausschluss der Frauen beitragen. Dieselben Prozesse, die gewisse extern ausübende Ärzte ausschließen, ziehen andere an und verstärken bestimmte Verhaltensmuster. Die berufliche Sozialisation baut auf vorhergehende Erfahrungen auf, und baut sie aus.

N° 19, 2008

Die Frauen, die Künste und die Kultur
Grenzen der Künste, Grenzen der Geschlechter

Marie Buscatto

Probieren, erreichen, bleiben

. Die drei Herausforderungen für Jazzinstrumentalististinnen

Eine « gläserne Decke » scheint den Zugang von Frauen zu den sozial am höchsten bewerteten Stellungen zu Anfang des 21. Jahrhunderts zu begrenzen. Die Welt der Jazzmusik in Frankreich – sehr maskulin und mit starken geschlechtsspezifischen Merkmalen ausgestattet – stellt ein interessantes Fallbeispiel dar, um diese Frage auf innovative Weise zu analysieren. Der Frauenanteil der Jazzsängerinnen beträgt 65% und der der Instrumentalisten 4%. Die Musikerinnen, selbst die Anerkanntesten, kommen in dieser Welt nur langsam und marginal voran. Eine seit 1998 geführte ethnographische Studie identifiziert die verschiedenen sozialen Prozesse, die sich auf die Dauer gegenseitig potenzialisieren, und die den Zugang und den Verbleib von Musikerinnen in der Welt der Jazzmusik komplizieren. Diese Realität, Frucht einer langen persönlichen Entwicklung, basiert auf weitumfassenden Geschlechterverhältnissen – die soziale Definition der diversen weiblichen Rollen in den entsprechenden Altersstufen – sowie auf den Normen, Netzwerken und den von den Musikern personifizierten Konventionen.

Marie Duru-Bellat
Die (Re)produktion von Geschlechtsverhältnissen:

 Welche Rolle spielt die Institution Schule?

Hängt die Reproduktion von sozialen Geschlechterverhältnissen ebenso von der Schule ab wie die Reproduktion von sozialen Ungleichheiten? Dies ist die Fragestellung dieses Textes. Die Untersuchung handelt von den potentiellen Facetten des schulischen Einflusses, abgesehen vom determinierenden Einfluss des Elternhauses. Eine Großzahl der Mechanismen, die bei der Reproduktion von sozialen Ungleichheiten mitwirken, bleiben in diesem Zusammenhang unwirksam. In Wirklichkeit ist es eher die Tatenlosigkeit der Schule angesichts der von Geschlechtsmodellen stark geprägten Schülern und Situationen, die essentiell erscheint und lässt die Frage der Legitimität von Geschlechtsunterschieden ab dem Moment offen, wo die Schule diese Rechtfertigung nicht liefert.

Florence Launay

Die Musikerinnen:Von der angehimmelten Pionierin zur gefürchteten Konkurrentin

Die Professionalisierung von Musikerinnen ist ein altes Phänomen, welches sich mit dem Erscheinen der Oper am Ende des 17ten Jahrhunderts, einem neuen Musikgenre, stark an Aktualität gewinnt. Das Wohlgefallen des französischen Publikums an Frauenstimmen (und die Zurückweisung der Kastraten) und der theatralische Wahrheit, ermöglichte den Erfolg von „Divas“ mit den entsprechenden Vergütungen, und das Erscheinen der vermutlich ersten Frauen mit Zugang zu Berufen mit starkem Sozialprestige. Seit seiner Gründung in 1795 lässt das Pariser Konservatorium sowohl Männer als auch Frauen zu, und vergibt  – hundert Jahre früher als die Schule hohen Künste – hoch anerkannte Diplome an Sängerinnen und Pianisten. Für andere Berufsmusiker hat sich der Zugang von Frauen als komplizierter erwiesen, wie in den Berufen, die als typisch „männlich“ betrachtet werden. Selbst wenn sich weibliche Solisten im Laufe der Jahrhunderte durchsetzen konnten, wurden Orchesterinstrumentalisten, weibliche Dirigenten und Komponisten als „Ausnahmen“ und letztendlich als Konkurrenten betrachtet, und haben bis in die heutige Zeit Anerkennungsprobleme und werden diskriminiert. Die Musikpädagogik wurde hingegen frühzeitig von den Frauen erobert, insbesondere aufgrund des starken Einflusses der Frauen des Bildungsbürgertums, für die eine Kenntnis der schönen Künste zum guten Ton gehörte, und deren Vermittlung im Allgemeinen den Frauen oblag.

Marion Paoletti

Die Heimchen am Gemeindeherd. Hausfrauen in der Politik

Die traditionell notwendige Verbindung vom Engagement von Frauen in der Politik mit ihrer Berufstätigkeit, insbesondere bei politischen Mandaten, lässt die Präsenz von militanten Hausfrauen auf den ersten Blick als überraschend erscheinen. Die « Verfügbarkeit », die die Parteimitglieder bei ihren weiblichen Kollegen finden, erklärt die starke Vertretung von Frauen auf der Gemeindeebene, insbesondere auf dem Land. Die Präsenz von Hausfrauen in der Politik lässt sich im Ganzen jedoch als eine konservative Dimension der politischen Ordnung interpretieren, die mitnichten die Maßnahmen zur politischen Gleichberechtigung seit 2001 durchkreuzen, ganz im Gegensatz zu den von den Media verbreiteten Bildern der „neuen und modernen Hausfrau“.

Aurélie Peyrin

Die Museen demokratisieren.

Ein intellektueller Frauenberuf

Zu Anfang des 20ten Jahrhunderts stellt die Begleitung von Museumsbesuchern einen für Frauen konzipierten Beruf dar, genauer genommen von den Konservatoren, um die ersten diplomierten Kunstgeschichtswissenschafterinnen von den wissenschaftlichen Funktionen fernzuhalten. Dieser intellektuelle Frauenberuf formiert sich über das Jahrhundert nach dem Muster der Arbeit auf Nachfrage, d.h. als Kurz- und Teilzeitarbeit. Hundert Jahre später haben sich die Arbeitsbedingungen grundsätzlich nicht verändert, aber der Beruf zieht inzwischen auch einige Männer an, insbesondere Künstler, die sich mit den flexiblen Arbeitsbedingungen abfinden, da sie ihnen ausreichend freie Zeit zum kreativen Schaffen lassen. Unabhängig von ihrem Geschlecht tendieren die „Begleitungsbeauftragten“ zu einer „Naturalisierung“ der in ihrem Beruf mobilisierten Kompetenzen und leben in „typisch“ weiblichen Lebenssituationen: die Absicherung des Familieneinkommen ist Sache des Partners.

Séverine Sofio

Die Qualitäten der Reproduktion

Französische Kopisten in der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts

Selten untersucht (und noch weniger im Hinblick auf Geschlechtsunterschiede), erscheint das Kopieren von Gemälden auf den ersten Blick al seine wertlose Arbeit von Anfängern, Amateuren oder missratenen Malern. Im 19ten Jahrhundert wird diese Tätigkeit jedoch von einer Vielzahl von Malern (Männer aber auch ein Grossteil an Frauen) ausgeübt und hat wenig mit dieser Idee des Kopierers „aus Mangel an anderen Optionen“ zu tun. Diese Tätigkeit ist umso zentraler bei der Realisierung einer Karriere als Künstler, als sie stark von der öffentlichen Hand geschätzt wird. Für Maler beiden Geschlechts ermöglicht das Erstellen von Kopien ein interessantes Gehalt, Zugang zur Künstlerwelt als auch Legitimität und Anerkennung in einem der am höchsten bewerteten Genre der Malerei. Zu guter letzt zeigt der Vergleich der Situationen von Frauen und Männern Kopisten unter der Julimonarchie, dass es sich also um ein originales Berufsfeld handelt, welches sich, entgegen allen Erwartungen, durch eine relative Gleichberechtigung der Geschlechter charakterisiert.

N°20, 2008

Migrationen und Diskriminationen

Gilles Combaz und Olivier Hoibian

Rolle der schulische Einfluss bei der Konstruktion von geschlechtlichen Ungleichheiten

Die schulische Leistung von Mädchen im Fach Sport ist wesentlich geringer als die der Jungen, im Gegensatz zu ihrem allgemeinen Leistungsbild. Dieser Artikel analysiert diese geschlechtspezifischen Leistungsbilder in Bezug auf die Lehrinhalte und vervollständigt somit die Ergebnisse vorhergehender Untersuchungen. Anhand gewisser Studien aus dem Bereich der Bildungsforschung (Soziologie des Kurrikulums und Soziologie des Lehrkörpers) wird aufgezeigt in welcher Art und Weise die Natur der körperlichen Aktivitäten und die Praxisbedingungen den geringeren Erfolg  der Mädchen erklären können. Im Hinblick auf die Methode wurden drei verschiedene Arten von Daten untersucht: zwei nationale statistische Untersuchungen, die auf Umfragen mit 1954 Schülern und 1317 Lehrern beruhen, die in 2006 vom französischen Bildungsministeriums realisiert wurden; das neueste offizielle Lehrprogramm ; die Durchschnittsnoten des französischen Abiturs (baccalauréat) im Fach Sport.

Stéphanie Condon

Arbeit und Geschlecht in der Geschichte der Antillenmigrationen

Im Allgemeinen vergessen, oder von der offiziellen Geschichte der französischen Immigration aufgrund ihrer Verbindung zum Kontinent ausgeschlossen – die Migrationen von den Inseln Guadeloupe oder Martinique in die französische  Metropole sind weithin unerforscht. Die Untersuchung der geschlechtlichen Unterschiede von Einwanderern aus den Antillen hinsichtlich der  Einwanderungspolitik und der Situation zwischen 1950 und 1970 (Epoche der « Arbeitsmigrationen ») auf dem Arbeitsmarkt in der französischen Metropole, zeigt Interaktionen zwischen diversen sozialen Beziehungen auf. Anhand einer kombinierten Analyse von statistischen Daten, Archivmaterial und biografischen Interviews, zeigt dieser Artikel das Zusammenspiel der verschiedenen Interaktionen und ihr Einfluss auf den sozialen und beruflichen Werdegang der Migranten/Innen aus den Antillen. Die Vergleiche mit den Migrationen aus der Karibik nach Großbrittanien ermöglichen einen zusätzlichen Einblick in Geschlechts- und „Rassenverhältnisse“ im postkolonialen Kontext.

Dominique Meurs und Ariane Pailhé

Töchter von französischen Einwanderern : doppelte Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt ?

Die Töchter von Einwanderern machen einen höheren Schulabschluss als ihre Brüder und profitieren im Allgemeinen von einem positiven Image in den Medien. Ist dieser Vorsprung ausreichend um ihre Position auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu den Männern der 2. Einwanderergeneration zu verbessern? Wie ist ihre Stellung im Vergleich zu den Töchtern von „Eingeborenen“? Dieser Artikel untersucht die Wahrscheinlichkeiten des Zugangs zum Arbeitsmarkt in Bezug auf Geschlechts- und Herkunftsunterschiede (Südeuropa und Maghreb) anhand der Ergebnisse einer Studie zur Familiengeschichte (Étude de l’Histoire Familiale – EHF, 1999). Unsere Ergebnisse zeigen, daß die Frauen aus dem Maghreb eine höhere Chance haben arbeitslos zu werden als die in Frankreich geborenen Frauen (auch als jene der 2. Einwanderergeneration, die in Südfrankreich geboren worden sind). Unabhängig von ihrer Herkunft haben Frauen größere Chancen arbeitslos zu werden als Männer. Alle Faktoren zusammen genommen werden die maghrebinischen Frauen auf dem Arbeitsmarkt doppelt diskriminiert: hinsichtlich ihrer Herkunft und ihres Geschlechts.

Anmerkung der Übersetzung : Anführungszeichen in der Übersetzung.

Céline Schoeni und Nora Natchkova
Wer hat es nötig die Frauen zu « schützen »? Die Frage der Nachtarbeit (1919-1934)

Das Angestelltenverhältnis, welches für Frauen im 19ten und 20igsten Jahrhundert Gang und Gäbe ist, steht, sowie seine Gesetzgebung, im Kreuzfeuer der wirtschaftlichen Lage einerseits, und der Notwendigkeit der Legitimation der sozialen Ordnung andererseits. Unter dem doppelten Joch der kapitalistischen und patriarchalen Ansprüche kristallisiert das Verbot der Nachtarbeit von Frauen, welches durch eine Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation
in 1919 festgeschrieben wurde, die Machtkämpfe zwischen nationalen Autoritäten, den Legitimisierungsansprüchen einer neuen internationalen Organisation, den Gewerkschaften, Arbeitgebervertretungen und Feministinnen heraus. Die Analyse zeigt den Verfestigungsprozess der sexuellen Arbeitsteilung in der Industrie sowie im sich verändernden Dienstleistungsbereich für den Zeitraum zwischen 1919 und 1934, Jahr der Überholung der Konvention.

Anmerkung der Übersetzung : im Original in Kursivschrift.

Sylvie Schweitzer

Die Mutter von Cavanna.

Ausländische Arbeitnehmerinnen im 20igsten Jahrhundert

Die Geschichte der Position von ausländischen Arbeitnehmerinnen auf dem Arbeitsmarkt bleibt  weitgehend unbekannt, da ihre Präsenz weitgehend von sozialen Repräsentationen ausgeschlossen wird. In diesem Sinne wurden sie einerseits bis in die 70iger Jahre als kurzzeitige Aushilfskräfte betrachtet; andererseits wurde die Figur des Ausländers lange Zeit mit dem Bild eines unqualifizierten Arbeiters verbunden, der nur kurze Zeit auf dem französischem Staatsboden verbliebe. Die Realität sieht jedoch anders aus. In der Tat haben die Frauen einen Großteil des AusländerInnenkontingents dargestellt, zwischen 30 und 45% je nach Zeitraum und Ort. Nicht unbedingt verheiratet oder Familienmütter, waren sie stark im französischen Wirtschaftsleben engagiert, insbesondere als Verkäuferinnen, Arbeiterinnen und Dienstleistungspersonal in Privathaushalten.

Michèle Vatz Laaroussi

Vom Maghreb bis nach Quebec: zwischen Anpassung und Strategie

Dieser Text handelt von den Arbeits- und Familienstrategien von maghrebinischen Immigrantenfrauen in Quebec. Die Studie untersucht die spezifischen Eigenheiten der maghrebinischen Einwanderung in Quebec, sowie die Immigrationspolitiken und die Auswirkungen der sozialen und politischen Konjunktur. Der Platz der maghrebinischen Einwandererfrauen innerhalb der familiären Integrationslaufbahnen und deren Strategien wird anhand von drei Dimensionen untersucht: ihre Integration auf dem Arbeitsmarkt, die Familiendynamik und die transnationalen Netzwerke. Eines der Hauptergebnisse ist die Zweischneidigkeit mit der die maghrebinischen Einwandererfrauen empfangen werden und ihre Strategien um diese Grenzen zu überwinden.

N° 17, 2007

Geschlecht und Organisationen

Cécile Guillaume und Sophie Pochic

Die Fabrikation von Managern innerhalb der Organisation. Ein Blick auf die unsichtbaren Grenzen von weiblichen Karrieren*.

In diesem Artikel wird die Idee vertreten, dass eine genauere Untersuchung von Karrierenormen und der « Fabrikation » von Führungskräften das Weiterbestehen der unsichtbaren Grenze in einem neuen Licht erscheinen lässt. In diesem Sinne zeigt unsere Untersuchung, dass die Diskriminierungen, die Frauen im untersuchten Unternehmen erfahren, in organisationelle Prozesse eingebunden sind. Sie hängen sowohl mit dem maskulinen Modell der spiralförmigen Karriere und dem formellen Aufstiegssystem zusammen, als auch mit informellen Promotionspraktiken  und Auswahlmethoden (Wirksamkeit von Netzwerken und Beziehungen), den Rollenerwartungen und den Repräsentationen der Figur des « Managers », die im Zentrum der Methodik der Kompetenzbewertung steht. Diese Kontextualisierung der Karrierebremsen von Frauen erlaubt, die Haupthindernisse des Feminisierungsprozesses des gehobenen Managements innerhalb einer paradoxalerweise vorteilhaften institutionellen Konjunktur (Bestehung einer Vereinbarung zur beruflichen Gleichberechtigung und politischer Diversität) zu verstehen.

* Anmerkung der Übersetzung: im Original: „plafond de verre“. Es handelt sich um die unsichtbaren limits von weiblichen Berufskarrieren, die Frauen von Spitzenpositionen ausschliessen.

Susan Halford
Organisationelle Veränderungen und Identitätsstrategien. Ein Fallbeispiel von fünf britischen Krankenschwestern/pflegern.

Die Organisationssoziologie hat sich in den letzten Jahren für die Beziehung zwischen Geschlecht und Arbeitsorganisationen anhand der Untersuchung von organisationellem Wandel interessiert. Die « Identität » hat sich in diesen Arbeiten zu einem Schlüsselbegriff entwickelt zu einem Zeitpunkt wo die Unternehmen immer neue « Performanzen » von ihren Arbeitskräften fordern, die mit der diskursiven Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit zusammenhängen. Dieser Artikel erforscht die Zusammenhänge zwischen den organisationellen Anforderungen an geschlechtlichen „Performanzen“ und der Konstruktion von individuellen geschlechtlichen Identitäten. Er baut auf die Diskursanalyse von Interviews mit fünf Krankenschwestern und Krankenpflegern in zwei Krankenhäusern des britischen National Health Service (NHS) auf. Die Studie zeigt komplexe Anpassungsprozesse, da die Individuen aktiv an der Konstruktion ihrer geschlechtlichen Identität teilhaben, insbesondere durch ihre Interpretation von organisationellen und professionellen Veränderungen. Im Gegenzug erlaubt dies, über neue Formen von Arbeitsorganisation zu reflektieren.

Guillaume Malochet

Frauen im « Männerhaus »

Das Beispiel von Gefängnisaufseherinnen

Dieser Artikel interessiert sich für die Feminisierung des Aufsichtspersonals in Gefängnissen für Männer. Anhand dieses Ansatzes wird die Dynamik der Geschlechtsverhältnisse in Gefängnissen untersucht. Einerseits wird gezeigt, dass das Auftreten von Gefängnisaufseherinnen die organisationellen Mechanismen der Domination von Männern im karzerahlen Bereich auf sehr anschauliche Weise verdeutlicht. Andererseits wird klar, inwieweit die Feminisierung eines Berufes und eines nach bestimmten geschlechtsspezifischen Sicherheitsvorlagen organisierten Bereiches die Prinzipien und Repräsentationen dieses « Männerhauses » offenlegt. Bei dieser Analyse werden drei Niveaus miteinander verknüpft, die oft getrennt behandelt werden: das der im Gefängnis beobachtbaren Organisationsprinzipien; das der sozialen Interaktionen, die geknüpft werden und das des dominanten Geschlechterverhältnisses.

Céline Marc und Hélène Zajdela

Familienpolitik und Mutterbeschäftigung, ist das schwedische Modell übertragbar?

Das Ziel dieses Artikels ist es die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Artikulation von Familien- und Berufsleben in Frankreich und Schweden zu erfassen, insbesondere anhand ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung von Familienmüttern. Um die Auswirkungen der Familienpolitik zu vergleichen werden zuerst die institutionellen Strukturen in Bezug auf Elternurlaub und Strukturen für Kleinkinder untersucht. Anschließend wird eine vergleichende statistische Untersuchung von Teilzeitarbeit hinsichtlich ihres Einflusses auf berufliche Segregation durchgeführt. In Frankreich hängt die Nutzung von Teilzeitarbeit durch Müttern zumindest teilweise von der Struktur des Arbeitsmarktes ab. In Schweden beruht Teilzeitarbeitarbeit anscheinend in erster Linie auf der Nachfrage der Mütter, auch wenn die Artikulation von Familien- und Berufsleben die Nutzung von Teilzeitarbeit unumgänglich erscheinen lässt.

Carlos Prieto

Der Geschlechterstreit in der Geschichte der spanischen Moderne

Von der Annahme ausgehend, dass die Bestandteile einer sozialen Ordnung immer eine normative Dimension beinhalten, ist das Hauptziel dieses Artikels die Definition der Frau, des Mannes und ihres Verhältnisses zueinander anhand des Gesetzes von 1999 über familiäre und berufliche « Vereinbarkeit » zu erfassen, das davon ausgeht, dass sie gleichberechtigt und identisch sind. Um diese Eigenheit besser zu verstehen, wird zuerst die spanische Moderne auf der Suche nach ihrer Vergangenheit durchforstet. Auf diesem Wege wird klar, wie sich im 19ten Jahrhundert mit der liberalen Revolution die Definition des menschlichen Wesens als einem arbeitenden Individuum herausbildet. Anschließend wird gezeigt, dass es sich um eine vorläufige Definition handelt, die eine Version verdeckt, die zwischen « dem Mann » und « der Frau » unterscheidet, wobei dem ersteren die Rolle des dominantes « Haupterwerbsverdieners zukommt, und der Frau die Rolle der « Zuwendung », die mit einem untergeordneten Status verbunden ist. Die « Vereinbarkeit » wird im dritten Teil der Analyse behandelt.

Ina Wagner und Andrea Birbaumer

Karrierefrauen in innovativen Unternehmen

Dieser Artikel basiert auf einer Untersuchung von Frauen in Führungspositionen in innovativen Unternehmen im Bereich der Media, der Architektur und im Finanzdienstleistungssektor im Einzugsbereich Wien. Unsere Datenanalyse dialogiert mit der aktuellen Debatte eines geschlechtlichen Ansatzes der Organisations- und Berufssoziologie. Wir untersuchen wie die Frauen sich innerhalb eines Negotiationsprozesses mit ihren Arbeitskollegen definieren, indem sie sich einerseits an der Unternehmenskultur und an den beruflichen Normen in ihrem jeweiligen Fachbereich orientieren, und andererseits dazu beitragen, diese spezielle Kultur zu verändern. Wir beleuchten ebenfalls die berufliche Praxis dieser Frauen in Hinblick auf ihre individuelle Biographie, sowie um den Einfluss ihres Lebensstils, die Rolle der Lebenspartner und die Wendepunkte ihrer Karrieren zu verstehen.

N° 18, 2007

Ausbildung und Berufsorientierung : der Einfluss des Geschlechts

Nathalie Bosse und Christine Guégnard 

Berufsvorstellungenr von Jugendlichen: zwischen Widerständen und Vorsprüngen

Anhand einer Studie, die mit 1 149 Schülern durchgeführt wurde, werden ihre Berufsvorstellungen untersucht, welche die je nach deren individuellen Unterschieden variierenden Weltvor­stellungen widerspiegeln. Die Berufsvorstellungen der großen Mehrheit der Oberschüler, insbesondere der natur–wissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Zweige, ten–dieren in Richtung einer geschlechtsneutralen Betrachtung, wohingegen bei den Jungen Widerstände und die Beibehaltung von stereotypierten Beruf­svorstellungen weiterhin bestehen. Die schriftlichen Aufzeichnungen der Jugendlichen lassen ebenfalls den Weiterbestand der Repräsentationen der natür–lichen Qualitäten und der tradi­tionellen Rollen die Frauen und Männern zugeschrieben werden, erscheinen. „Mütterlichkeit, Sanftheit und Verständnis“
sind die Worte die mit Frauenberufen verbunden werden, wohingegen „Stärke, Widerstandskraft und Mut“
Männerberufen zugeschrieben werden.

Dominique Epiphane
My tailor is a man… Berufsbeschreibungenr in Kinderbüchern

In Hinblick auf ein besseres Verständnis der sexuellen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt, welche auf den unter­schied­lichen Schulorientierungen von Jungen und Mädchen beruhen, werden die Repräsentationen von der Arbeits- und Berufswelt in den Illustrationen von Kinderbüchern untersucht. Es handelt sich insbesondere darum zu zeigen, inwieweit die Kinder von Beginn ihres Kontaktes mit der Lesewelt mit einer segregierten Sichtweise des Arbeitsmarktes konfrontiert werden. Die den Kindern dargebotenen Berufe sind die Arche–typen der sexuellen Arbeitsteilung, die die Realität des Arbeitsmarktes noch übertreffen, wie z.B. die ausgeübten Berufe, die Verantwortung der einen und der anderen und die gewählten Berufsfelder sind noch stärker auf die traditionnellen Rollenklischees festgelegt als dies in der Realität der Fall ist.

Clotilde Lemarchant
Die unvollständige Auflösung der traditionnellen Rollenklischees.

Jungen und Mädchen in der Minderheit in technischen Ausbildungsgängen

 

Diese Studie untersucht die Motivationen, Lernbedingungen, Bildungs- und Berufsprojekte von Oberschülern und Ober–schülerinnen mit untypischen Ausbildungsorientierungen, die eine Minderheit in ihrem Ausbildungsbereich darstellen (weniger als 20%). Die Untersuchung, die Interviews und Fragebögen mit Auszubildenenden Jungen und Mädchen, aber auch mit ihren Lehrern und Schulvorstehern in der Normandie kombiniert, zeigt kontrastierende Ergebnisse. Die meist gut integrierten Jungen heben Orientierungsprobleme hervor (die Hälfte folgt dem Lehrgang aus Mangel an Alternativen); wohingegen die Mädchen, die eine stärkere Motivation zeigen, ihre Situation als Minderheit und die ungleichen Beziehungen zwischen den Geschlechtern als ein Handicap sowie während der Ausbildung als auch für die Zukunft empfinden.

Françoise Vouillot
Die Berufsorientierung im Konflikt mit dem Geschlecht

Die Statistiken enthüllen immer wieder eine ungleiche Ver–teilung von Jungen und Mädchen auf die verschiedenen Ausbildungsbereiche. Im Allgemeinen wird die geringe Vielfalt der weiblichen Berufswahl als ein Grund für die sexuelle Segregation des Arbeitsmarktes und deren negative Auswir–kungen auf das Berufsleben und die Karrieren von Frauen angeführt. Dabei wird meistens übersehen, dass der Geschlechtsfaktor ebenfalls eine Rolle bei den Jungen spielt, die ebenso gewisse Bereiche meiden. Die Studie zeigt jedoch, dass in Frankreich, einem Pionierland der Berufsorientierung, die lange Ausgrenzung des Geschlechtsfaktors bei der Definition der Ausbildungs- und Berufsprojekte, sowohl im Bereich der Forschung, Orientierungspsychologie als auch in der Praxis, die Produktion von kritischen Analysen und theoretischen Elementen als Grundlage politischer Aktionen, damit der Faktor Geschlecht bei der Berufswahl nicht mehr ausschlaggebend wirkt, verlangsamt hat.

Claudio Zanier
Die Herstellung von Seide:

 eine Frauendomäne

Seit dem Einzug der Seidenkultur nach Europa im Mittelalter haben die Frauen eine zentrale Rolle bei der Aufzucht der Seidenwürmer und dem Spinnen von Seidengarnen gespielt. Sie haben eine ähnliche Rolle in Asien und Nordafrika gespielt – von China bis in den Iran und in Marokko – und unabhängig von der sexuellen Arbeitsteilung. Außerdem kontrollierten sie die Gewinne der Seidenproduktion. Die Männer haben mehrfach versucht, die Kontrolle über den Produktionsprozess der Seide zu übernehmen, aber die Frauen haben es geschafft ihre zentrale Rolle bis zum 19ten Jahrhundert beizubehalten. Abgesehen von der Weitergabe eines hochtechnischem Spezial–wissens über Generationen von Frauen, inklusive von „Geheim–nissen“ zur Pflege der Seiden­würmer und dem Schutz vor dem Teufel, haben diverse Riten und der Glaube an die exklusiven Fähigkeiten des weiblichen Körpers beim Ausbrüten der Eier der Seidenwürmer ihnen die Macht über die Männer garantiert. Es ist möglich, dass viele dieser (Aber)glauben der Migration der Seidenkultur von China Richtung Westen gefolgt sind.

N° 15, 2006

Frauengehälter, abrechnen und zuverdienen

Christian Baudelot und Delphine Serre

Eine Befriedigung mit Widersprüchen

Oder wie die Frauen ihr Gehalt einstufen

Die Antworten von Frauen und Männern auf die Frage ob sie in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit mit ihrem Gehalt zufrieden sind stimmen weitgehend überein, obwohl die Frauen 20% weniger verdienen. Dieser Widerspruch beruht einerseits darauf, dass die Frauen ihr Gehalt als Zusatzeinkommen betrachten und andererseits auf den Vergleichselementen, auf die Frauen und Männer sich jeweils bei der Einschätzung ihres Gehaltes beziehen. Das Befriedigungsniveau der Männer mit ihrem Gehalt bezieht sich auf die Gehälter ihrer direkten Vorgesetzten oder anderer (männlicher) Kollegen; wohingegen die Befriedigung (oder Unzufriedenheit) der Frauen sich auf die berufliche Entwicklung seit der Generation ihrer Mütter und das Gehalt anderer, oft weniger bezahlten Frauen, bezieht.

François Beck, Stéphane Legleye und Gaël de Peretti

Der Alkoholkonsum als Geschlechtsfaktor ?

Die Untersuchung der Verhaltensweisen in Bezug auf den Alkoholkonsum und deren gesellschaftliche Beurteilung stellen einen interessanten Untersuchungsansatz für eine Geschlechterstudie dar, insbesondere in Frankreich, wo dieser Konsum ein fester Bestandteil der sozialen Beziehungen (anlässlich von Familienzusammenkünften, mit Freunden, bei diversen festlichen Anlässen, etc.) darstellt, und dadurch a priori
weniger stigmatisiert wird als in anderen Gesellschaften. Basierend auf den Studien von Sidsel Erikson (1999), der Alkohol als ein « Geschlechtssymbol » definiert und der Auswertung mehrerer neuerer statistischer Untersuchungen (Baromètre santé, Etopp 2002), wird gezeigt, dass die Dichotomie zwischen Geschlecht und der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Alkoholkonsums, die seit dem 19ten Jahrhundert besteht, auch heute weiterhin gültig ist. Im Einzelnen wird genauer beleuchtet, dass obwohl der weibliche Alkoholkonsum wesentlich geringer als der der Männer ist, die Explosion des Alkoholkonsums im Allgemeinen als eine starke gesellschaftliche Bedrohung dargestellt wird.

Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen

Delphine Roy

Das Haushaltsgeld: wer bezahlt was?

Innerhalb eines Paares, statt zu einem einzigen « Haushaltsbudget » zusammenzufließen, wird das Einkommens beider Partner auch weiterhin getrennt behandelt. Eine Grundlagenstudie der Ergebnisse der Einkommensstudie der Insee zeigt auf, dass die Einkommen beider Partner nicht für dasselbe aufgewendet werden: einige Ausgabenposten sind vergeschlechtlicht. Aus ethnographischer Sicht wird klar, das die Ausdehnung und die Art und Weise der Zusammenführung nicht selbstredend ist. Die gemeinsamen Ausgabenposten sind mehr oder weniger begrenzt und ihre ausdrückliche Verhandlung nicht immer möglich, oder wird nicht von beiden Partnern gewünscht. Ohne Gemeinschaftskonto, und bei einem geringeren weiblichen Einkommen wurde in sämtlichen untersuchten Haushalten genau umgekehrt als bei einem « Zuverdienergehalt » erwartet, verfahren wurde: das geringere Einkommen der Frau wird als Grundstock des gemeinsamen Haushaltsgeldes genutzt.

Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen
Im Original: «Budget des familles» de l’Insee
Anmerkung der Übersetzung: im original in Anführungszeichen

Laura Lee Downs

Gehälter und der Wert von Arbeit

Der Zugang der Frauen zur mechanischen Industrie im Zeichen der Ungleichheit in Frankreich und Großbritannien (1914-1920)

Was sind die Ursachen des quasi universellen Unterschieds zwischen weiblichen und männlichen Gehältern in der Industriearbeit? Anhand einer vergleichenden Studie des massiven Zugangs von Frauen zu einen männlichen Industriezweig – der mechanischen Industrie – in Frankreich und Großbritannien ab Herbst 1914 wird dieser Fragestellung nachgegangen. Der Zugang der Frauen hat diesen ausschließlich männlichen Arbeitsbereich in gemischte Arbeitsbereiche verwandelt, die fürderhin von einer neuen sexuellen Arbeitsteilung und Qualifikations- und Gehaltsskalen strukturiert wurden. Die Studie der Lohnverhandlungen zwischen Arbeitgebern, Arbeitern, dem Staat und den Arbeiterinnen zeigt die Unfähigkeit des Staates, die Arbeiterinnen vor den Arbeitgeberstrategien zu schützen, die darauf abzielten, den Frauen ein geringeres Gehalt für dieselbe, oder sogar Mehrarbeit im Vergleich zu den Männern zu zahlen. Die Bürokraten zu beiden Seiten des Ärmelkanals waren davon überzeugt, dass die geringeren weiblichen Gehälter nicht nur traditionell sondern quasi natürlich waren. Die Einmischungen der Kriegsministerien der beiden Länder in die Lohnverhandlungen zog eine eindeutige Aufbesserung der Frauenlöhne nach sich, die bis 1917 oft nur Hungerlöhne waren. Nichtsdestotrotz, selbst nach den tatkräftigen Interventionen der beiden Kriegsministerien verblieb der Unterschied zwischen den Gehältern für Männer und Frauen, der zu Anfang des Krieges bei ca. 50% lag, in 1918 bei 20 % in Frankreich und bei 30 % in Großbritannien. Die weibliche Arbeitskraft behielt also ihren Status der preisgünstigen Arbeitskraft und die französischen und britischen Industriellen beendeten den Krieg ausgerüstet mit einer neuen schlagkräftigen Waffe in ihrem Kampf zur Senkung der Produktionskosten: die weibliche Arbeitnehmerin der metallverarbeitenden Industrie, die nach ihrer eigenen geringeren Lohnskala für eine vorher von einem Mann erledigte Arbeit vergütet wird.

Marie-Thérèse Lanquetin

Juristische Chronik der Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern

Die Forderung nach « gleichem Lohn für gleiche Arbeit » ist alt und wurde zeitweise missdeutet. Diese Forderung entstand in einem Kontext wirtschaftlicher Konkurrenz, bevor sie als ein Prinzip der Gerechtigkeit und letztlich als ein Grundrecht anerkannt wurde. Der Begriff des « weiblichen » Gehalts hat bis zur Verkündung des Prinzips der Gleichbehandlung von Frauen und Männern überlebt. Die damit verbundenen Schwierigkeiten hörten jedoch nicht auf, da die Arbeitgeber das Gehaltsniveau frei oberhalb der legalen und durch die Ta  rifverträge gebundenen Minima
festlegen können. Es bestehen jedoch rechtliche und gerichtliche Maßnahmen um das Prinzip der gleichen Gehälter durchzusetzen und gegen Diskriminierungen vorzugehen, die vom Recht der Europäischen Gemeinschaft abgeleitet werden. Die effektive praktische Durchsetzung und Erfüllung des Begriffes des Prinzips der Gleichheit beruht auf gerichtlichen Maßnahmen. Diese beruhen jedoch auf dem Verhalten der Akteure, da ein Gesetz ohne dessen Anwendung in der Praxis bedeutungslos ist. Der Kampf gegen ungleiche Gehälter ist jedoch in Frankreich noch wenig entwickelt. Was sind die Gründe dafür?

Anmerkung der Übersetzung: im original in Anfürungszeichen
Anmerkung der Übersetzung: im original in Anfürungszeichen

Séverine Lemière

Ein gleiches Gehalt für eine vergleichbare Beschäftigung

Das Ziel der Politik des «vergleichbaren Wertes», oder zufolge des Kanadischen Begriffs der « Gehaltsgleichwertigkeit, entspricht der konkreten Anwendung des Prinzips « des gleichen Gehalts für eine Arbeit mit vergleichbarem Wert », um gegen die Entwertung der weitgehend weiblichen Beschäftigungen anzugehen. Verschiedene ausländische Erfahrungen haben zur Entwicklung von Einstufungskriterien für Beschäftigungen geführt. Diese auf dem Begriff des « vergleichbaren Wertes » aufbauenden Methoden werden jedoch stark kritisiert.

Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen
Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen ; im Original : « d’équité salariale »
Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen
Anmerkung der Übersetzung: im Original in Anführungszeichen

Dominique Meurs und Sophie Ponthieux

Wenn die Variable « Frau » nicht mehr das Gewinnkalkül bestimmt…

Im Sinne einer orthodoxen Analyse Faktoren die das Gehaltsniveau bestimmen, müßte die Annäherung des Bildungsniveaus von Frauen und Männern sich durch eine Verringerung der Gehaltsunterschiede übersetzen. Diese Vorhersage bewahrheitet sich nur zögernd: das durchschnittliche Bildungsniveau der berufstätigen Frauen ist höher als das der Männer, ihre Gehälter liegen jedoch im Schnitt niedriger. Der Bildungsvorsprung der Frauen reicht nicht aus, um die Beschäftigungsstruktur und die Arbeitszeiten auszugleichen, auf denen der Großteil der Gehaltsunterschiede basiert. Diese Unterschiede hängen mit der Berufsstruktur zusammen, die selbst auf dem Sozialverhalten und der Verteilung der häuslichen und familiären Aufgaben zwischen den Frauen und Männern aufbaut.

N° 16, 2006

Die Folgen wirtschaftlicher Zerstörung

Stéphanie Gallioz

Körperkraft und Feminisierung der Berufe im Bauhandwerk

Dieser Artikel soll aufzeigen, dass die Betrachtung von körper­licher Stärke als einer typisch männlichen Eigenschaft – als ein Pendant zur weiblichen Zerbrechlichkeit – das Ergebnis der sozialen Konstruktion des Männlichen und des Weiblichen ist. Unsere Untersuchung stützt sich insbesondere auf Ergebnisse aus dem Bereich des Bauhandwerks. In diesem Tätigkeitsbe­reich hat die Mobilisierung des Begriffes von körperli­cher Stärke sowohl zum Ausschluss von Frauen und als auch zu ihrer Nichtbeachtung geführt. Die Identitätsmerkmale der Berufe des Bauhandwerks, das genaue Gegenteil von Gesch­lech­ter­mischung, obwohl die Frauen dort immer eine wichtige Rolle gespielt haben, konstruieren sich auf den Zügen der Männlichkeit. Körperliche Kraft erscheint als eine strukturelle Eigenschaft der Berufe in diesem Tätigkeitsfeld. In diesem Sinne ist die Existenz von Frauen in diesem Bereich kein Zufall oder selbstverständlich. Im Gegenteil, die Frauen die trotz allem dort arbeiten, werden entweder negiert oder sind auf bestimmte Berufe, Aufgaben und Funktionen beschränkt.

Gao Yun, Florence Lévy und Véronique Poisson

Von der Migration zur illegalen Arbeit : Chinesen(innen) in Paris

Die Verwundbarkeit steht im Herzen der Einwanderung­s­laufbahnen von Chinesen nach Frankreich. Sie fängt mit der Reise an und überdauert weit die Ankunft. Ihre Reise unter unmenschlichen Bedingungen dauert oft mehrere Monate. Die Ankunft in Frankreich bedeutet kein Ende der Tortur, ganz im Gegenteil. Die meist illegalen Einwanderer und hin – und her gerissen zwischen der Unmöglichkeit eine Arbeitserlaubnis zu erhalten und so schnell wie möglich ihre Schulden abzuzahlen. Der parallele Sektor, großer Anbieter von Schwarzarbeit, insbesondere die ethnische Ökonomie, erscheint als die einzig mögliche Lösung. Ein Ausweg, der sich oft eine Form extremer Ausbeutung entpuppt. Dieser Artikel beleuchtet insbesondere die Rolle der aus der chinesischen Gemeinschaft stammenden Arbeitgeber, deren Herkunft sie prädestiniert um die Schwäche der neuen Einwanderer auszunutzen.

Blanche Le Bihan-Youinou und Claude Martin

Erwerbstätigkeit und Altenpflege in der Familie

Die Autoren dieses Artikels untersuchen die Situation von vollzeitbeschäftigten Frauen, die gleichzeitig für die tägliche Pflege eines alten abhängigen Elternteils, oder Schwiegerel­ternteils, zuständig sind. Sie analysieren einerseits die Art und Weise, mit der die Frauen sich dieser Aufgabe annehmen und dessen Auswirkung auf ihr Privat-, Familien- und Berufsleben. Im Unterschied zur Pflege von Kleinkindern, ziehen die Frauen die für diese Belastung nötige Zeit von ihrer freien Zeit, sowie ihrer Familienzeit ab, ohne ihren beruflichen Einsatz zu verringern. Im Dienstleistungsbereich sind Formen von diffuser, wenig sichtbarer und sozial tolerierter Ausbeutung das Los tausender Frauen. Das Ziel dieses Artikels ist es die Beschäftigungs­praktiken von Nichtqualifizierten Arbeitnehmern(innen) zu beleuchten, die unter dem Vorwand von Flexibilität und maximaler Kostenreduzierung die schwächsten Frauen auf dem Arbeitsmarkt – insbesondere Ausländerinnen – als Anpassungs­variable behandeln. Dieser Artikel untersucht anhand einer empirischen Forschung über Zimmermädchen eine wenig bekannte Seite dieser prekären Beschäftigungen. Es handelt sich zum Großteil um befristete Anstellungen, die wenig Schutz vor peniblen Arbeitsbedingungen, wie unbezahlte Überstunden, Hungerlöhne und ungesetzliche Arbeitgeberpraktiken, bieten.

Christian Trotzier

Der Schock der Entlassung : Frauen und Männer in der Öde

Die Analyse basiert auf zwei Untersuchungen – die eine in 1999 und die andere zwischen 2003 und 2005 – von arbeitslosen Arbeiterinnen und Arbeitern, die 1979 und 1983 im Rahmen von Personalreduzierungen entlassen wurden. Der selektive Cha­rak­ter dieses Ausschlusses führt zu starken Gefühlen von Ungerechtigkeit und Verletzung, im Gegensatz zu einer Be­triebs­­schließung. Die Hilflosigkeit, die der Entlassung folgt, beruht hauptsächlich auf der Ermessung von Arbeitsplatz­perspektiven, und entspricht einem eher weiblichen Verhaltens­muster. Jedes Geschlecht zeigt spezifische Gesundheitsschäden auf. Die Frauen verfallen oft in eine Langzeitdepression. Die durch die Entlassung hervorgerufene soziale Ausgesetztheit äußert sich bei den Männern durch eine überhöhte Sterblichkeit. Das kollektive Kapital ist zerstört. Das definitive Misstrauen den Gewerkschaften gegenüber ist nur ein Aspekt. Das mit Einsamkeit verbundene Gefühl der Ungerechtigkeit führt zu Bitterkeit. Die Gewalt der Entlassungen erscheint hier als versteckte Gewalt.

N° 13, 2005

Die Chefinnen

Annie Fouquet

Frauen im Geschäft : der Fall Frankreichs

Wer sind die heutigen Geschäftsführerinnen ? Wieviel sind sie? Wie werden Frauen zu Geschäftsführerinnen ? Dieses sind nur einige der Fragestellungen, die dieser Artikel anhand von statistischen Daten aus der Erhebung zur Erwerbstätigkeit der Insee1, sowie einer Monographie über Geschäftsführerinnen in der Ile de France behandelt. Der Artikel bezieht sich auf Unternehmerinnen mit eigenen Angestellten. Es handelt sich für diese Frauen weniger darum eine Anerkennung für die in ihrer bisherigen Laufbahn erlangten Fähigkeiten zu erreichen, als um die Initiative an sich, die sie zur Unternehmensgründung oder Übernahme gebracht hat. Der Aufbau eines Unternehmens setzt eine erfolgreiche Laufbahn fort. Die Frauen weisen traditionell weibliche Fähigkeiten und Handlungsweisen auf, die sowohl die Auswahl des Tätigkeitsfeldes als auch die Managementmethoden beeinflussen. Sie haben meist mehr Erfolg im Servicesektor als Männer. Der Zugang zu dieser Funktion im Zuge einer Erbfolge bildet eine Ausnahme und ist oft das Ergebnis zwingenden Umständen, bei der die Arbeitsteilung stärker ausgeprägt ist und die Frauen weniger Befriedigung erfahren.

Clare Haru Crowston

Die Königin und ihre « Modeminister »: Geschlecht, Kredit und Politik im prerevolutionären Frankreich

Dieser Artikel behandelt anhand einer Untersuchung der Karriere der Modehändlerin Rose Bertin die wirtschaftliche, kulturelle und politische Rolle des Kreditwesens im absolutistischen Frankreich. Es werden drei Aspekte der Kreditpraktiken von Rose Bertin genauer untersucht: ihre Verbindungen mit kommerziellen Kreditunternehmen, die Nutzung ihrer Reputation als einer speziellen Form von Kredit und die Art und Weise mit der ihre Feinde ihre Beziehungen zu Marie Antoinette benutzt haben um die Wirtschaftspolitik des absolutistischen Regimes zu diskreditieren. Die Karrierestudie von Rose Bertin dient zur Aufdeckung der Verwicklung von Frauen in diverse Formen von Kredit und zeigt insbesondere die praktischen und konzeptuellen Zusammenhänge zwischen Kredit und anderen geschlechtlichen Umgangsformen, wie die Mode oder der Sexualverkehr.

1 Anmerkung der Übersetzung: Es handelt sich um die « Enquêtes Emploi ».

Jackie Clarke

Die häusliche Organisation als Pädagogie

Paulette Bernège und die Bildung einer neuen Mittelschicht in den dreißiger und vierziger Jahren

Dieser Artikel handelt von der Bewegung zur Rationalisierung des häuslichen Arbeitsbereiches (d.h. seiner wissenschaftlichen Organisierung), das zwischen den beiden Weltkriegen unter der Houlette von Paulette Bernège ins Leben gerufen worden ist. Das untersuchte Bildungsprojekt von Bernège stand unter dem Motto der Erschaffung der neuen Frau und eines neuen häuslichen Arbeitsbereich für die Familien der Mittelklasse. Der Artikel beleuchtet die gegenseitige Durchdringung der Rollen des wissenschaftlichen Organisators und des Pädagogen durch die Entwicklung neuer pädagogischer Theorien, basierend einerseits auf der Bewegung zur neuen Bildung und andererseits auf den neuen Methoden der industriellen Arbeitsorganisation, wie der Taylorismus oder die Ergonomie. Die Haushaltslehre von Bernège beruht auf einer strengen Selbstdisziplin, die sowohl den Körper und den Geist der Studenten schulen soll. Die Frau und der somit « rationalisierte » häusliche Arbeitsbereich haben die Aufgabe den Eheleuten und ihren Sprösslingen die Grundlagen einer produktiven Effizienz für den beruflichen Bereich mitzugeben.

Christine Mennesson

Alpine Bergführerinnen: Formen des Engagements und Berufsauffassungen

Die Öffnung des Berufes des Bergführers für Frauen beginnt in Frankreich zu Mitte der achtziger Jahre, obwohl dieser Beruf immer noch hauptsächlich von Männern ausgeübt wird. Dieser Artikel untersucht einerseits die sozialen Bedingungen die den Frauen den Zugang zu diesem Beruf ermöglichen und andererseits ihre Berufskarrieren und Auffassungen. Das Engagement der Frauen in alpine sportliche Praxis wird durch zwei Entdeckungsweisen gefördert, entweder frühzeitig durch familiäre Prägung oder später, in männlicher Begleitung, sowie durch eine Sozialisierung im Kindesalter in durch Jungen geprägte Gruppen von Gleichaltrigen. Auch wenn eine Vorliebe für diese Sportarten auf spezielle Einführungsriten hinweist, so erfolgt ihre Verwandlung in eine Erwerbstätigkeit nur nach einer langen und komplizierten Entwicklung. Somit üben die Frauen diesen Beruf erst relativ spät aus, insbesondere wegen ihrer Schwierigkeiten sich einen ausreichend guten Ruf zu schaffen um Zugang zur Ausbildung zu bekommen. Außerdem sind die Arbeitsbedingungen in diesem Beruf oft bei Frauen unbeliebt. Für die Mütter scheint ihre Berufsausübung umso schwieriger zu werden, je geringer das kulturelle Kapital ihrer Partner ist. Die Anderen stellen die Kinderlosigkeit als eine Bedingung ihres beruflichen Engagements dar. Die Bergführerinnen ziehen eine sogenannte weibliche Berufsauffassung vor um sich auf einem von Männern dominierten Arbeitsmarkt durchzusetzen, insbesondere indem sie die relationnellen Seiten des Berufes ausbauen. Die ständige Notwendigkeit ihr Dasein teilweise verunsicherten Kunden zu erklären erlaubt ihnen letztendlich eine spezifische Klientel anzuziehen und eine gesicherte Position zu erlangen, wobei ihnen die aktuelle Konjunktur, in der die Frage der Sicherheit sehr ernst genommen wird, zu Gute kommt.

Mary Yeager

Eine Leseweise der amerikanischen Businesshistory

Die Frauen waren schon immer im Geschäft, und manche mit einem stärker entwickelten Geschäftssinn als Andere. Die Geschäftsfrauen sind jedoch bis vor noch relativ kurzer Zeit die großen Abwesenden des Mainstrams der Frauengeschichte und der Businesshistory. Eine neuere Erfolgsserie des amerikanischen Fernsehens, The Apprentice, hat die Interaktionen zwischen jungen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt, die im Geldgeschäft tätig sind genauer beleuchtet. Sie beantwortet eine wichtige Frage: warum haben sich in der individualistischsten und am meisten nach dem Markt ausgerichteten Gesellschaft die Frauen und Männer derart verschiedene Laufbahnen in der Welt der Geldgeeschäfte gebahnt?

Claire Zalc

Frauen, Unternehmen und Abhängigkeit Ausländische Geschäftsfrauen in Paris zwischen den beiden Weltkriegen

Ist die Rolle der Geschäftsführerin für eine zudem auch noch ausländische Frau gleichbedeutend mit Emanzipation? Einige Antworten auf diese Frage bietet eine Untersuchung die von der Art und Weise handelt mit der sich die Frauen in die Welt der kleinen Unternehmen in Paris zwischen den beiden Weltkriegen eingliedern. In diesem Artikel geht es insbesondere darum die Wichtigkeit der Rolle der Frauen in der Welt der Boutiquen und der Ateliers herauszustellen. Sie stellten oft einen unentbehrlichen Teil der Aktivität dar und blieben nichtsdestotrotz in den administrativen Quellen meistens unerwähnt. Die Realisierung einer Studie über die Unabhängigkeit von Frauen impliziert deshalb auch sich für das Verhältnis zwischen deren wirtschaftlicher und familiärer Rolle zu interessieren. Im Weiteren beinhaltet ein Inter-esse für die Welt der kleinen ausländischen Unternehmen die Frage nach der Stellung der Geschäftsfrauen innerhalb der beruflichen, urbanen und wirtschaftlichen Strategien der Immigranten.

N° 14, 2005

Wissenschaft, Forschung und Geschlecht

Sandra Beaufaÿs und Beate Krais

Wissenschaftskultur und Geschlechterordnung in Deutschland

Die versteckten Mechanismen der Macht

Die Statistiken der Europäischen Union zeigen jedes Jahr von Neuem, dass Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen deutlich unterrepräsentiert sind, wie auch in Deutschland, wo der Frauenanteil besonders niedrig ist. Bis heute werden in der Forschung die Gründe hierfür vor allem bei den Frauen selbst gesucht, d.h. durch ihre Interessenlage, ihre besondere Lebensplanung, ihre « wissenschaftsuntauglichen » Persönlichkeitsmerkmale, usw. erklärt. Unsere Forschung hingegen visiert nicht die Frauen, sondern untersucht das soziale Feld Wissenschaft. Es geht also um die Organisation, die sozialen Beziehungen und Interaktionen jener Arbeit, die wissen-schaftliche Erkenntnisse produziert. Dieser Kontext ist, wie gezeigt wird, keinesfalls « sozial neutral », sondern in hohem Maße vergeschlechtlicht. Dazu werden Ergebnisse aus zwei empirischen Studien vorgestellt, die wir zu dieser Frage durchgeführt haben. Das Problem der Nicht-Anerkennung von Frauen als « Mit-Spielerinnen » im wissenschaftlichen Feld steht im Zentrum des komplexen Bedingungsgefüges, das zum weitgehenden Ausschluss von Frauen aus wissenschaftlichen Karrieren führt.

Delphine Gardey

Die Licht- oder die Schattenseite?

Das Geschlechterverhältnis in Wissenschaft und Forschung

Dieser Artikel untersucht den Blickwinkel unter dem die heutigen Sozialwissenschaften das Verhältnis von Frauen und Wissenschaft, sowie das Geschlechterverhältnis in der  Wissenschaft, und letztendlich deren Verhältnis mit der Forschung der letzten dreissig Jahre betrachtet haben. Es handelt sich insbesondere darum, die Vitalität dieser For-schungsgebiete im Hinblick auf ihre empirische, methodische und theoretische Vielfalt, sowie ihre Einbettung in weiterreichende soziale und politische Überlegungen und sonstige Potenziale, aber auch ihre Grenzen herauszustellen. Mit einem historischen Ansatz wird in erster Linie der inzwischen schon klassischen Frage nach der Stellung der Frauen in der Wissenschaft und ihrer Teilhabe an der wissenschaftlichen Produktion und der Schaffung von Wissen nachgegangen. Die ursprüng-liche Frage nach: « wer konnte (oder kann) in den westlichen Gesellschaften Wissenschaft machen? » erlaubt es, eine Reihe von Konsequenzen in Bezug auf die alltägliche Wissenschaftspraxis einer bestimmten Epoche, deren Platz in der dominanten Kultur und herrschenden Wertvorstellungen, sowie deren Beitrag zu den jeweiligen sozialen Verhältnissen und insbesondere dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern anzuschneiden. Letztendlich handelt es sich darum, drei Beiträge dieses kritischen Reflektionsfeldes herauszustellen: Die Untersuchung der Geschlechterverhältnisse haben das Verständnis von Wissenschaft verändert (und tun es weiterhin) und haben zu einer realistischeren Sichtweise beigetragen; der Beitrag von Frauen zur Wissenschaft (der Natur- sowie der Sozialwissenschaften) sollte als eine Möglichkeit zur Bereicherung und zu deren Universalisierung betrachtet werden; die gesellschaftliche Öffnung der Wissenschaft in ihrer Vielfältigkeit (sowohl im Hinblick auf legitime Akteure des wissenschaftlichen Feldes, als auch im Hinblick auf die Definition einer Wissenschaftsagenda und einer Bewertung der wissenschaftlichen Praxis) sollte zu den Richtlinien einer Wissenschaft der Zukunft gehören.

Emmanuelle Houzé-Robert

Das Gedächtnis ist nicht neutral.

Erinnerungen von Frauen an der naturwissenschaftlich-technischen Universität von Nantes

Dieser Text untersucht anhand der Erinnerungen von weiblichen Fakultätsmitgliedern bestimmte Aspekte der Entwicklung des Geschlechterverhältnisses in einer Universität mit einem geringen Frauenanteil, der naturwissenschaftlich-technischen Fakultät der Universität von Nantes. Es wird davon ausgegangen, dass die Struktur, die Form und das Ausmaß der Erinnerungen von der sozialen Position strukturiert werden. Der Androzentrismus der Institution kommt in den Erinnerungen an weiblichen Lehrkräfte zum Ausdruck. Die Berufsbiografien des weiblichen Lehrkörpers legen trotz des gehobenen Niveaus eine starke horizontale und vertikale Segregation der Beschäftigten an den Tag. Die Auswertung von persönlichen Erinnerungen verhindert jedoch jedwede miserabilistische Deutung, da die Frauen ihre Karrieren ihren Erwartungen anpassen, indem sie die vielseitigen Möglichkeiten ihres Berufes nutzen.

Ilana Löwy

Hat der Feminismus die biomedizinische Forschung verändert?

Das Women Health Mouvement und die Veränderungen der Medizin in den Vereinigten Staaten

Aus Sicht bestimmter Beobachter hat sich die Medizin unter dem doppelten Druck – der Frauenbewegung und von Seiten immer häufigerer weiblicher Ärzte – radikal verändert. Dieser Artikel untersucht die Fundierung einer solchen Annahme, d.h. den Beitrag der Frauenbewegung zur Veränderung der medizinischen Praxis, insbesondere anhand der Untersuchung des Einflusses des « Women Health Mouvements » (WHM) auf das Verhalten von Frauen und Medizinern. Diese Bewegung hat sowohl die Macht der Experten in Frage gestellt und das Recht der Frauen auf ihren eigenen Körper proklamiert, als auch mit Hilfe von Experten/Innen und militanten Mitarbeitern/Innen ein « paralleles » Gesundheitssystem aufgebaut. Auch wenn sich die bewunderungswürdige Radikalität des WHM der 70iger Jahre verlaufen hat, so übt die Frauenbewegung doch weiterhin einen starken Einfluss auf die Medizin und die biomedizinische Forschung in den Vereinigten Staaten aus.

Catherine Marry und Irène Jonas

Forscherinnen zwischen zwei Leidenschaften: das Beispiel der Biologen

Auch der wissenschaftliche Raum bestätigt die Regel der un-sichtbaren Grenze oder « gläsernen Decke », der die Karrieren von Frauen in der Wissenschaft limitiert: in sämtlichen Disziplinen verringert sich ihr Anteil mit steigendem Hierar-chieniveau oder sonstigen Auszeichnungen. Anhand statis-tischer Untersuchungen und Interviews schlägt dieser Artikel einige Erklärungsansätze für sexuelle Ungleichheiten im wissenschaftlichen Arbeitsfeld vor. Basierend auf der Unter-suchung eines Teils dieses Phänomens der « gläsernen Decke » – die die Laufbahnen der französischen Biologen begrenzt – betont dieser Artikel insbesondere dessen subjektive Dimensionen, d.h. die Freuden und Leiden des Forscherberufs und die Widersprüche, insbesondere aus Sicht von Frauen, zwischen den gegensätzlichen Anforderungen einer idealen Ausübung dieses Berufes und des der Erzieherin und Mutter.

Anne-Lise Moreau

Über Kindererziehung und Rentenansprüche

Was bedeutet die Anerkennung von Erziehungszeiten in Bezug auf Rentenansprüche im Zuge des Anstiegs der weiblichen Erwerbstätigkeit, d.h. mit einer abnehmenden Anzahl von Hausfrauen und Müttern in den zukünftigen Rentnergenerationen? Seit dem Fall Griesmar, sprich dieser Fragestellung im Bereich des Berufsbeamtentums, stellt sich die Frage der Gleichberechtigung von Müttern und Vätern in Bezug auf ihre Rechtsansprüche. Seitdem hätte dieses Problem eigentlich im Rahmen der Rentenreform diskutiert werden müssen. Jedoch aufgrund einer mangelnden grundsätzlichen Entscheidung hinsichtlich der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bezug auf die Altersversorgung steht diese Frage weiterhin offen. Über die strikte Problematik des Verhältnisses der Geschlechter hinausgehend stellt sich ebenfalls die Frage nach dem Anrecht der Familien.

N°11, 2004

Statistiken: zurück zur Quelle

Thomas Amossé

Frauenberufe: statistische Erfassung, soziale Konstruktion

Die Präsenz der Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist weder in der sozialen Wirklichkeit noch in ihrer statistischen Erfassung selbstverständlich, wie der Platz von Frauenberufen in der französischen Nomenklatur der Berufe zeigt. Tatsächlich werden die hauptsächlich von Männern ausgeübten Berufe meistenteils mit akribischer Sorgfalt beschrieben, wohingegen die Frauenberufe in wenigen ungenau umrissenen und unzureichend definierten statistischen Aggregaten aufgeführt werden (sie entsprechen einem Drittel der männlichen Berufsfelder, beinhalten aber dreimal mehr Arbeitskräfte). Die statistische Konzentration von Frauenberufen, die sowohl eine reelle als auch symbolische Segregation widerspiegelt (einerseits haben die Frauen wenig Zugang zu der großen Mehrzahl der Berufe und andererseits nehmen die Berufsfelder zu denen sie Zugang haben nur wenig Platz in der Nomenklatur ein), legt ein sozialpolitisches Konstrukt vom Geschlecht der Berufe und der Qualifikationen offen, das bis zu der Definition der Kategorien und den statistischen Regeln der Klassifizierung reicht. Ohne neutral zu sein (wie sollte sie auch?), registriert und verstärkt die französische Berufsnomenklatur nur die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Annie Fouquet

Die Erfindung der Nichterwerbstätigkeit

Dieser Artikel handelt von der Erfindung des Konzeptes der Nichterwerbstätigkeit, dessen Naturalisierung auf seiner Anwendung für die Erwerbssituation von Hausfrauen und den Frauen von Landwirten beruht. Der Begriff taucht in diesem Sinne zum ersten mal in der Volkszählung von 1896 auf, welche die erwerbstätige Bevölkerung von den Untätigen unterscheidet, wobei die Grenze zwischen den Untätigen und den Arbeitslosen den Hauptgegenstand der Debatte darstellte. Die Nichterwerbstätigkeit wurde niemals ausschließlich durch ihr Gegenteil definiert: der Erwerbstätige wurden im Sinne der politischen Ökonomie des 18ten Jahrhunderts definiert, d.h. mit Adam Smith und später mit den Physiokraten, die versuchten die Ökonomie durch die Entdeckung ihrer Gesetze zu verändern. Das Adjektiv erwerbstätig stammt aus dieser Zeit und geht auf einen Begriff der chemischen Physik zurück, welcher einen bewegungslosen Zustand beschreibt oder ein Mittel ohne Wirkung. Die Absonderung der häuslichen Sphäre von der produktiven Arbeit durch die « Wirtschaftswissenschaftler » beruht auf der Begrenzung des Handlungsspielraums der gesellschaftlichen Aktionsprinzipien, d.h. der Wirkungslosigkeit der Politik auf die Privatsphäre. Indem sie mit Malthus ihren Handlungsspielraum auf den quantifizierbaren Bereich begrenzten, schlossen sie somit jedweden symbolischen Austausch, als auch die Schaffung von sozialen Bindungen aus, der jedweder Kontakt mit sich bringt.

Jacques Freyssinet

Arbeitslosenquoten oder Erwerbsquoten, eine Rückbesinnung auf die Europäischen Zielsetzungen

Die Einführung der Erwerbsquoten, anstatt der Arbeitslosenraten, als Zielsetzung der Beschäftigungspolitik, insbesondere der europäischen Arbeitsmarktstrategie, vermittelt Einsichten in die Konstruktionsprozesse der als pertinent geltenden Kategorien der Sozialdebatte. Die Hauptauswirkung dieser Orientierung ist die Polarisierung der Debatte auf die Kategorien, deren Erwerbsquoten als stark variabel gelten. Eine Übereinstimmung konnte nur auf der Basis einer Doppeldeutigkeit gefunden werden. Einerseits kann eine Steigerung der Erwerbsquoten als eine Grundlage für den effektiven Respekt eines Rechts auf Arbeit für alle interpretiert werden. Andererseits werden durch diese Zielzetzung Politiken legitimiert, die Nichterwerbstätige auf den Arbeitsmarkt drängen und den Verhandlungsspielraum der Erwerbstätigen begrenzen, da diese auf die gebotenen Erwerbsmöglichkeiten angewiesen sind. Die potentiellen Widersprüche zwischen diesen beiden Handlungsmöglichkeiten erscheinen am klarsten am Beispiel der Frauenerwerbstätigkeit.

Pierre Leroux und Philippe Teillet
Die Domestizierung der feministischen Campagnen

Der problematische Platz der Frauen in der französischen Politik, und die durch die Anwendung der Paritätsregeln geöffneten Breschen haben uns dazu geführt den Einfluss der Geschlechter auf das Wahlverhalten zu untersuchen. Abgesehen vom Anschein, der leicht vergessen läßt, dass das politische Universum auf vielerlei Weisen von einer männlichen Domination geprägt ist, verweist der Einzug der Frauen in die Politik auf die Ambivalenz zwischen Gewinn und Risiken die mit der Wertschätzung des « Feminismus » oder des « Geschlechtes » in diesem Aktivitätsbereich einhergehen. Die Studie zeigt anhand des beispielhaften Falles einer Politikerin während ihrer Kampagne für die Parlamentswahlen, dass die Verwaltung der öffentlichen Identität und der « femininistischen » Güter derartigen Zwängen unterworfen werden, dass diese zu ihrer scheinbaren « Domestizierung » führen.

Maryse Marpsat
Die Obdachlosen oder in Notunterkünften lebende Personen

Die Realisierung von statistischen Untersuchungen hängt von der Präzision des Untersuchungsfeldes und dem Anpassungsgrad der Methoden ab. Die französischen Statistiker benutzen, abgesehen von einer « spontanen » Definition der Obdachlosen, die von ihrer Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ausgeht, eine Definition der Obdachlosen, die sich ausschließlich auf ihre Wohnungslage bezieht, was andere Elemente ihres allgemeinen Verständnisses, sowie soziale Isolierung oder Geistesgestörtheit, ausschließt. Die Struktur der jeweiligen Population variiert jedoch stark mit ihrer « Wohnsituation », wie z.B. in Notunterkünften, Wohnheimen und auf der Strasse, insbesondere je nach Geschlecht. Die Selbsteinschätzung der betroffenen Personen, und deren Einfluss auf ihre Antworten, müssen ebenfalls bei der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Diese Probleme bei der Erstellung der Grunddefinitionen sowie der Nomenklaturen, führen jedoch ebenfalls zu neuen Erkenntnissen, die sowohl kritischen Überlegungen zu den Grenzen statistischer Untersuchungen und deren Wiedergabequalität der Realität dienen, als auch ein besseres Verständnis des Untersuchungsfeldes ermöglichen.

Marion Paoletti
Vom strategischen Nutzen des Geschlechts beim Wahlkampf

Die spezifische Position der Kandidatin (im Wahlkampf 2002, für die sozialistische Partei, gegen Alain Juppé, in der zweiten Zirkonskription des französischen Departements der Gironde) kann man so auslegen, daß das Geschlecht in der Politik von Nutzen sein kann, abwohl das Thema der Gleichstellung nach dem 21.4.2003 in den Schatten geriet. Auch wenn diese spezifische Beobachtung, zusammen mit den utilitaristischen Aspekten der militanten Praktiken zu einer extrem intentionnalistischen Darstellung des Geschlechts führt, so erlaubt dieser Ansatz jedoch eine genaurere Erfassung der Bedingungen dieser spezifischen strategischen Identität. Die Herausstellung der weiblichen Identität, abgesehen von den individuellen Variationen, findet im Rahmen der allgemein anerkannten Grenzen statt. Diese Herausstellung führt zu widersprüchlichen Erwartungen von Aktivisten innerhalb sowie ausserhalb der Partei, bei den Wähler/Innen. Auch wenn diese Strategie individuel nicht anwendbar ist, so ist sie es dennoch innerhalb des Kollektifs, insbesondere im Kontext der Gleichstellung, auch wenn dieser Aspekt bisher weitlich vom Ausmass der Politiserung der Wahlen abhängt.

Sophie Ponthieux
Verarmte Arbeitnehmer : Die Identifizierung einer Kategorie

Die Kategorie der « verarmten Arbeitnehmer » setzt sich aus den Begriffen der Arbeit und der Armut zusammen, was diese auf zwei statistischen Einheiten aufbauende Kategorie – das Individuum und der Haushalt – als hybride erscheinen lässt. Letztendlich zeigt sich, dass einige der spezifischen Eigenschaften dieser Population, zusammen mit anderen Informationen und einer Geschlechtsdifferenzierung, ein besonders interessantes Gefüge erkennen lassen. D.h., obwohl das Armutsrisiko der Frauen im Durchschnitt dem der Männer entspricht (siehe Gleichstellung!) und sie die Mehrheit der Arbeitnehmer/Innen mit unvorteilhaften Arbeitsbedingungen stellen, sind die verarmten Arbeitnehmer hauptsächlich Männer. Mehr noch als ein Paradox, so stellt dieses Gefüge die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen bloß – nicht nur in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt.

Thibaut de Saint Pol, Aurélie Deney und Olivier Monso
Haushalt und Familienoberhaupt : zwei stark verankerte Begriffe

Seit 1982 bestimmt nicht mehr jeder Privathaushalt sein « Familienoberhaupt » selbst. Die « Bezugsperson » hängt von einer systematischen Regel ab, die innerhalb der Paare generell den Mann der Frau bevorzugt. Die Statistiker haben auf diese Art und Weise eine männliche Vision der Gesellschaft gefestigt, die auf einer traditionellen Repräsentation der Familienhierarchie beruht, und die auf eine mehr oder weniger sichtbare Weise die französischen Volkszählungen seit zwei Jahrhunderten prägt. Eventuelle Benutzer dieser Statistiken müssen sich ergo darüber bewusst sein, daß der Bezug auf das Familienoberhaupt eine bestimmte Sichtweise der Gesellschaft mit sich bringt. Die aktuellen Bemühungen um neue Konzepte (Ersetzung des Haushaltes durch eine Lebensgemeinschaft, Einkommenskriterien bei der Bestimmung des Familienoberhauptes,…) dürften diesen Makel der überkommenen Meßmethoden ausgleichen ohne an Benutzerfreundlichkeit einzubussen, die, zusammen mit ihrer historischen Kontinuität, ohne Zweifel ihre Hauptvorteile darstellen.

N°12, 2004

Die Arbeit des Körpers

Philippe Charrier
Wie wird ein Mann zur Hebamme ? Die berufliche Integration von männlichen Geburtshelfern während der Ausbildung

Der besonders weiblich geprägte Beruf der Hebamme, für den seit 1982 auch männliche Bewerber zugelassen sind, wurde seitdem auch tatsächlich von einigen Männern gewählt. Aufgrund einer Veränderung des Ausbildungssystems, welches die Kandidaten dazu verpflichtet das erste Jahr des Medizinstudiums zu belegen, besteht eine reelle Möglichkeit, dass diese Veränderung sich zu einer generellen Tendenz ausweitet. Die Geburtshelferschule in Grenoble, die dieses System seit zehn Jahren erprobt, stellt aus diesem Grunde die idealen Ausgangsbedingungen zur Erfassung von neuen Berufsdynamiken. Anhand einer Diskursanalyse der Interviews mit zwölf männlichen Studenten dieser Schule werden ihre beruflichen Integrationsformen untersucht und der Frage nachgegangen, ob sie ein neues Berufssegment bilden und welches Berufsbild sie selbst während ihrer Ausbildung entwickeln.

Christophe Falcoz
Reflektionen zum Thema Virilität und Management.Die Sichtweise homosexueller Manager

Die moderne Männlichkeit und das Organisations – und Arbeitsfeld stellten bisher weitgehend getrennte Fragestellungen dar. Der Artikel behandelt in einer sozio-historischen Perspektive die Entwicklung des Begriffs der Virilität seit der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts anhand von zwei gegensätzlichen Grundtypen, Frauen und den Homosexuelle. Im Zentrum der Untersuchung von Unternehmen, einem weiteren « Haus der Männer » , in dem die Manager, die Karriere und das Aufstiegssystem eine Schlüsselrolle männlicher Domination spielen, stehen drei Institutionen (das Heer, der Sport und die Medizin). Anhand einer Umfrage mit 194 homosexuellen Managern wird untersucht wie virile Verhaltensformen zum Auswahlkriterium von Kandidaten für Machtpositionen werden. In diesem Zusammenhang handelt die Studie anhand der Repräsentationen der dominierten Gruppen insbesondere von homophoben Strategien und Handlungsräumen, wie z.B. das Austesten von Männlichkeit und die Vertuschung dieser Manöver, Folgen von Diskriminierungen, Ungleichheiten und Gesundheitsschäden der diskriminierten Minderheit.

Rossella Ghigi

Der weibliche Körper zwischen Wissenschaft und Schuldzuweisung Die Geschichte der Zellulitis

Dieser Artikel untersucht zu Anfang des 20ten Jahrhunderts die Entstehung der Zellulitis als ein wissenschaftliches Objekt und die Aufnahme des Themas durch zwei französische Frauenzeitschriften der 30iger Jahre, Votre Beauté und Marie Claire. Es wird beschrieben, wie die Zellulitis vor ihrer « Erfindung » nur einfach von denMedizinern an diversen Stellen des weiblichen, erwachsenen Körpers lokalisierte Haut darstellte (an den Hacken, im Bauchbereich bis zum Hals) und in welcher Terminologie diese Bereiche nach und nach als pathologisch beschrieben werden, d.h. als ein Zeichen physischer und psychischer Häßlichkeit (insoweit, als die Zellulitis als das Ergebnis des weiblichen « sich gehen lassens » interpretiert wird). Das Ziel der Untersuchung ist es insbesondere zu zeigen, wie die Zellulitis zur Bildung des Begriffes einer bestimmten « Weiblichkeit » beigetragen hat und auf welche Weise dieser Kreuzzug mit der Idee des für seine physische Kondition eigenverantwortlichen Individuums übereinstimmte. Schönheit ist nicht eine Gabe, sondern das sichtbare Zeichen einer bewussten Arbeit am eigenen Körper. Das Problem der moralischen Schuldzuweisung wird am Beispiel der Fettleibigkeit zischen den beiden Weltkriegen behandelt, sowie die zeitgenössischen Diskurse untersucht, die das Bild eines weiblichen, ungesunden und degenerierten Körpers als das Resultat der vom Stadtleben und weiblicher Erwerbsarbeit verursachten negativen Einflüsse und Vergiftungen verbreiten, und sich somit als eine Verurteilung der Modernität selbst entpuppen.

Karen Messing, Maude Randoin, France Tissot, Geneviève Rail, Sylvie Fortin

Unnötiges Leiden: die aufrechte unbewegliche Haltung in Dienstleistungsberufen

Die ständige aufrechte Haltung der Mehrheit der Arbeitnehmerinnen in Quebeck verursacht Herzkreislaufstörungen und Rückenbeschwerden, Schmerzen in Beinen und in Füßen. Tatsächlich ist die Ausübung von zwei der fünf häufigsten weiblichen Tätigkeiten an eine verlängerte aufrechte und relativ unbewegliche Körperhaltung gebunden. Die körperlichen Anforderungen sind typisch für bestimmte Berufsanforderungen an Frauen in dem Sinne als die Anstrengung nicht offensichtlich ist und das Ergebnis auf kurze Sicht unmerklich. Trotz der Schmerzen besteht ein starker Widerstand zur Veränderung. Dieser Artikel erläutert die Ergebnisse verschiedener Studien Über beruflich bedingte Körperhaltungen von Frauen, deren physiologische Konsequenzen der verlängerten aufrechten statischen Haltung und das weibliche und Männliche Verhalten unter diesen Arbeitsbedingungen mit dem Ziel ihren Widerstand besser zu verstehen.

Stéphane Portet

Teilzeitarbeit in Polen: Ein Trugbild der sexuellen Arbeitsteilung

Unsere Untersuchung geht von der relativ schwachen Feminisierung von Teilzeitarbeit in Polen aus. Sowohl anhand unserer Auswertung der Daten der polnischen Arbeitsmarktstudie, als auch der Ergebnisse einer dreijährigen Feldforschung, behandelt der Text die verdeckten Seiten dieser Realität in Hinblick auf die spezifischen Eigenschaften von Teilzeitarbeit in Polen und deren Rolle in Bezug auf die sexuelle Arbeitsteilung im Allgemeinen. Die Rolle von Teilzeitarbeit in Polen ist weniger eine Spaltung der Geschlechter, als eine Notlösung für Sozialhilfeempfänger, die dazu gezwungen sind weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachzugehen um ihre unzureichenden Mittel aufzubessern. Nichtsdestotrotz stellt die Teilzeitarbeit jedoch ein Schlüsselelement zum Verständnis von neuen geschlechtlichen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt dar. Frauen und Männer entwickeln unterschiedliche Strategien in Reaktion auf die Intensivierung und Verlängerung der Arbeitszeit. Diese Dynamik hat einen Anstieg der sexuellen Segregation der Berufe und der Arbeitslosigkeit zur direkten Folge.

Pierre-Emmanuel Sorignet

Zeitgenössische Tänzerin: eine Karriere mit « Leib und Seele »

Der Körper der Tänzerin kristallisiert die geradezu ideologischen Hintergründe des Strebens nach einem Bruch mit dem Akademismus. Die zeitgenössische Tänzerin, die sich grundlegend vom Model der klassischen Tänzerin unterscheidet, weicht scheinbar von den insbesonders durch die Ausbildungsinstitute verbreiteten körperlichen und moralischen Auflagen ab. Unsere Untersuchung zeigt jedoch den Weiterbestand eines weiblichen Stereotyps in einer anderen Form auf. Anhand einer Analyse des Arbeitsmarktes des zeitgenössischen Tanzes wird die Diskrepanz zwischen dessen Ideologie (Zulässigkeit einer Mehrzahl von weiblichen Modellen, Privilegierung der « Singularität » des Einzelnen) und den konkreten Bedingungen zur Erlangung einer Anstellung auf dem Arbeitsmarkt des zeitgenössischen Tanzes. Obwohl dieser Beruf von den Betroffenen als eine « Liberation » und eine reelle « Berufung » dargestellt wird, lässt die Beeinflussung des Privatlebens (Wahl des Partners und Mutterschaft) durch die Berufsbedingungen doch Zweifel an diesem Bild zu.

N°9, 2003

Mädchen und Jungen: in schlechten wie in guten Zeiten

Sohie Divay 
Der Schwangerschaftsabbruch zwischen Anrecht und Zugeständnis

Dieser Beitrag, der auf teilnehmenden Beobachtungen basiert, analysiert die Erfahrungsberichte von Frauen im Rahmen der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch. Die Frauen berichten von den Hindernissen auf dem Weg zur Anerkennung ihres Rechtes auf Schwangerschaftsabbruch. Ihre Schwierigkeiten, wenn nicht gar ihr Leiden, resultieren zum Teil aus den im medizinisch-sozialen Bereich und in ihrem sozialen Umfeld gültigen Moralvorstellungen, die ebenfalls im Gesetzestext enthalten sind. Es wird somit deutlich, dass der Schwangerschaftsabbruch auch 30 Jahre nach seiner Legalisierung die Frauen einer sozialen Brandmarkung aussetzt, vor der sie nur eine absolute Diskretion teilweise schützen kann. Der gemeinnützige Verein X, indem die Untersuchung stattgefunden hat, vertritt das Recht der Frauen auf Schwangerschaftsunterbrechung und fordert in diesem Sinne die Abschaffung der Pflichtberatung. Die Beraterinnen haben insbesondere die Gesprächssituation soweit angepasst, dass die vom Gesetz vorgeschriebene soziale Kontrollfunktion abgeschwächt wird. In diesem unterstützenden Rahmen können die Frauen die Gründe ihrer Entscheidung frei aussprechen, sowie ihre eigenen Moralvorstellungen in Bezug auf eine immer noch sozial nur wenig anerkannte Schwangerschaftsunterbrechung darlegen.

Florence Maillochon
Das Spiel mit Liebe und Freundschaft in der Oberstufe. Das Gemisch der Geschlechter.

Statt einer unilateralen Untersuchung des Einflusses von « Pairgroups »  auf das Sexualverhalten von Jugendlichen, untersucht dieser Artikel anhand einer quantitativen und qualitativen Methode die Veränderungen des freundschaftlichen Umfeldes der Gymnasiasten, die im Rahmen der ersten Sexualbeziehungen der Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren auftreten. Der Beginn der sexuellen Kontakte zwischen den Jugendlichen findet in einem gemeinschaftlichen Entwicklungskontext der heterosexuellen Beziehungen statt, deren Dynamik variiert jedoch je nach Geschlecht. Die Mädchen entwickeln einen gemischteren Freundeskreis als die Jungen, was letzteren ein grösseres Gewicht innerhalb der Soziabilität zwischen den Jugendlichen zuweist. Die Freundschaften der Mädchen werden ebenfalls stärker von einer Liebes- oder Sexualbeziehung beeinflusst als die der Jungen. Die Mädchen eignen sich auch in stärkerem Masse die Freundschaften ihrer Partner an, was teilweise ihre eigenen Beziehungen benachteiligt. Im Laufe der Liebesbeziehungen scheinen die Mädchen einer Art « Beziehungsnomadismus »  unterworfen zu sein, der eine Form von Domination der maskulinen sozialen Netze innerhalb der Soziabilität unter Jugendlichen entspricht, die sich mit den ersten sexuellen Kontakten einstellt.

Nicole Mosconi und Rosine Dahl-Lanotte
Das ist technisch – ist das etwas für sie ?

Die Mädchen in den technischen und industriellen Sektionen der gymnasialen Oberstufe

Dieser Artikel beschreibt anhand von Interviewanalysen die Schulerfahrung von Mädchen, die für sie unübliche  Zweige des technischen Schulwesens, ziviles Bauwesen und Heiztechnik, gewählt haben. Es werden nacheinander die Motivationen ihrer Wahl; die Beziehungen mit ihren männlichen Mitschülern, die vom freundschaftlichen Empfang von seiten einiger Ausnahmen bis zum Widerstand der Mehrheit reichen, was durch die sexistischen Witze im Atelier, den Protektionismus, die Ausgrenzung der Mädchen oder die Zuweisung untergeordneter Aufgaben deutlich wird; die Beziehungen mit dem Lehrkörper, die sich durch Hilfestellung bei einigen Wenigen und mehr oder weniger diskriminierenden Praktiken bei den Anderen auszeichnen; und letztendlich ihre Berufsprojekte, die ebenfalls differenziert sind zwischen den Mädchen, die hoffen einen Beruf ausüben zu können, der im Bezug zu ihrer Ausbildung steht, und denen, die aus ihrem Praktikum die pessimistischen Konsequenzen in Bezug auf ihre Berufslaufbahn ziehen, und eine mehr oder weniger radikale Umschulung anstreben, untersucht. Die Trennung der Territorien, die aus dem technischen und industriellen Bereich eine männliche Bastion macht, ist noch sehr wirkungsvoll und verwandelt die Präsenz von Mädchen in einen täglichen Kampf.

Hyacinthe Ravet 
Professionalisierung von Frauen und Feminisierung eines Berufes: freischaffende Musikerinnen

So wie in anderen qualifizierten Berufszweigen auch, befindet sich der Beruf des/r Musikers/in noch im Anfangsstadium seiner soweit unvollendeten Feminisierung. Als freischaffende Künstler/innen, insbesondere als Instrumentalisten/innen, haben die Musikerinnen in der zweiten Hälfte des 20igsten Jahrhunderts Zugang zu den symphonischen Orchestern erhalten, ohne jedoch zu allen Positionen und Rollen zugelassen zu werden: die Arbeitsteilung ist nach wie vor ausgeprägt und begrenzt die Anzahl der Frauen in Führungspositionen, wie Solisten/innen und Kapellmeister/innen. In diesem Artikel wird die Feminisierung der Orchesterberufsmusiker/innen im Vergleich zur Stellung der Frau in anderen Berufen, sowie zur allgemeinen Beschäftigungssituation der Frauen untersucht. Anhand einer quantitativen Untersuchung der verschiedenen Etappen dieser Feminisierung, sowie einer differenzierten Analyse der Berufswege von Männern und Frauen, untersucht der Artikel das Verhältnis zwischen Feminisierung und den damit verbundenen Befürchtungen, und stellt somit die Frage der Steigerung/Verminderung des Ansehens dieses Berufes. Die Untersuchung der Verbindungen zwischen den Veränderungen des Berufsfeldes von Orchestermusikern/innen und dessen Feminisierung, die eine allgemeine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ausschliessen, zeigt auf, in welchem Masse die Bewertung der Situation von der jeweiligen Position der Akteure innerhalb der musikalischen Praxis abhängt.

Stéphanie Rubi 
Das abweichende Verhalten von Jugendlichen in Arbeitervierteln: Delinquentin, wie und warum?

Die Untersuchungen von selbstdeklarierter Delinquenz oder „Veropferung“  zeigen den geringeren Täterbestand an Mädchen – im Vergleich zu den Jungen – bei kleinen Delikten auf. Das Verhalten der Mädchen weicht seltener von den sozialen Normen ab, als das der Jungen. Sobald man jedoch die Teilnahme der Mädchen an bestimmten Formen von Gewalt genauer betrachtet, wird die Notwendigkeit klar diese gewalttätigen und abweichenden Verhaltensformen unter dem Gesichtspunkt der „anthropologischen Komplexität dieser Gewalt“  anzugehen . Wir vergleichen die Ergebnisse dieser Untersuchungen, insbesondere der von Eric Debarbieux geleiteten Studie über das soziale Klima in der Schule, mit den offiziellen Gewaltstatistiken. Ethnographische Studien über die Sozialisationsformen von Jugendlichen in den Arbeitervierteln von Marseille, Paris und Bordeaux wurden im Zusammenhang mit der nationalen Untersuchung über das soziale Klima in der Schule durchgeführt. Es fällt auf, dass die Mädchen, obwohl sie bessere schulische Ergebnisse als die Jungen aufweisen, ebenfalls von der Schulkultur abweichende Verhaltensweisen annehmen. Ihre ablehnende Haltung der Schule gegenüber kann von verbalen und physischen Angriffen in Richtung auf ihre Mitschüler/innen und Erwachsene begleitet werden, wobei die moralischen Angriffe und eventuellen Delikte gegen Schwächere gerichtet sind. Auch wenn diese „Herausforderungen“  als abweichend und kriminell aus Sicht der legitimierten Normalkultur erscheinen, so erhalten sie eine völlig andere Bewertung im Rahmen des Gesetzes des Stärkeren, Sozialisationsmechanismus, der die Interaktionen zwischen Jugendlichen der Arbeiterviertel regiert. Manifestation des Sozialstatus zwischen Ebenbürtigen, werden diese gewalttätigen Verhaltensweisen ebenfalls zur privilegierten Beziehungsform der Delinquentinnen mit den anderen Jugendlichen.

Anne-Marie Sohn 
Die „Jungen-Mädchen Beziehungen“: von der Anstandsdame zur Geschlechtermischung (1870-1970)

Die Beziehungen zwischen den jungen Leuten beider Geschlechter haben schon immer die Aufmerksamkeit der Erwachsenen auf sich gelenkt, die über die Konsequenzen des kommerziellen Gebrauchs von Liebesbeziehungen beunruhigt waren. Sie entwickelten sich dementsprechend unter dem wachsamen Auge der Familie und des sozialen Umfeldes. In den hundert Jahren, die sich von 1870 bis 1970 erstrecken, emanzipieren sich die jungen Menschen jedoch nach und nach und erlangen ihre Unabhängigkeit von der familiären Aufsicht, was es ihnen möglich macht, miteinander auszugehen und sich mit ihresgleichen zu vergnügen. Die Überwachung der Beziehungen zwischen den Geschlechtern zu Beginn der Dritten Republik schwächt sich nach und nach ab und wird von der Geschlechtermischung abgelöst: Mischung der Geschlechter in der Arbeitswelt; Einführung der Gemeinschaftsschule zwischen den beiden Weltkriegen und deren Verallgemeinerung in den 60iger Jahren. Die Geschlechtermischung im Bereich des Freizeitangebotes, das seit der „Belle Epoque“ explodiert, macht die Kontrolle umso illusorischer, als mit der Liebesheirat die Verantwortung für die Wahl des Auserkorenen den jungen Leuten selbst zukommt. Unter diesen Bedingungen verwandeln sich die Verbote und die Überwachung der Eltern, die zu allem Überfluss ein immer stärkeres Interesse am Wohlergehen ihrer Kinder zeigen, zuerst in eine Kontrolle a posteriori und anschliessend in ein Vertrauen, dass auf gegenseitiger Verantwortung basiert. Es sind in erster Linie um die jungen Frauen, die einen Nutzen aus der Lockerung der Überwachung gezogen haben, und die, sei es mit Verspätung und um den Preis harter Kämpfe, die selben Rechte wie die jungen Männer erobert haben.

Bernard Vernier 
Gallimessé 1966-1997

Die Erfindung neuer Formen des Flirts bei den griechischen Pomaken Muslimen: Strukturen, Geschichte und Strategien

Dieser Artikel handelt von neuen Formen des Kennenlernens bei den Pomaken, griechische Muslime. Diese in 1997, in sechs verschiedenen Dörfern beobachteten Zusammenkünfte bieten tägliche und beinahe institutionalisierte Formen des Flirts. Ihre strukurale Form variiert von einem Dorf zum anderen je nach Alter der Teilnehmer, dem Zeitpunkt des Treffens (bei Tag oder Nacht), der Gegenwart von Musikern, der Art der weiblichen Bekleidung und seiner Tragweise, dem Grad der Individualisierung oder der Geschlechtermischung der Zusammenkünfte, dem physischen Abstand zwischen Frauen und Männern, dem Mobilitätsgrad der verschiedenen Teilnehmer, etc. Jedes Dorf charakterisiert sich durch eine spezifische Kombination von Eigenschaften. Die Auswahl einer dieser strukturalen Formen ist das Ergebnis diverser Bedingungen, wie das Wertesystem, welches vom Alter der Auswanderung und der physischen und sozialen Organisation des Raumes geprägt wird. Diese jugendliche Befreiungbewegung, die insbesondere von den jungen Frauen ins Leben gerufen wurde, ist das Ergebnis einer Summe von Gemeinschafts- und Individualstrategien, die in dem jeweiligen Dorf das Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern und den Generationen auf die Probe stellt und welche bei einem zu spektakulären Vorsprung in einem bestimmten Gebiet (z.B. nächtliche Treffen) mit einem Rückschritt in einem anderen Gebiet bezahlt wird (z.B. Tragen des Schleiers).

N°10, 2003

Prostitution: Märkte, Organisationen, Mobilisationen

Cristina Bruschini und Maria Rosa Lombardi 
Männer und Frauen auf dembrasilianischen Arbeitsmarkt. Ein Panorama der 90iger Jahre

Diesem Text liegt eine vergleichende Untersuchung der Stellung von Frauen und Männern auf dem brasilianischen Arbeitsmarkt in den 90iger Jahren zugrunde. Die Analyse bezieht sich insbesondere auf die Jahre zu Anfang sowie zu Ende der 90iger Jahre, sowie auf 1993 und 1995, zwei bestimmende Jahre für die brasilianische Wirtschaftskonjunktur. Es handelt sich darum den vorhergehenden Studien eine größere zeitliche Tiefe zu verleihen, sowie neue Ansätze miteinzubeziehen, wie z.B. ethnische Unterschiede und das Ausbildungsniveau von Frauen und Männern, eine Männern, eine Bedingung für eine bessere Anstellung und gute Arbeitsbedingungen, sowie für den Zugang zu anerkannten Berufen. Die Untersuchung beruht hauptsächlich auf Daten des Brasilianischen Instituts für Geographie und Statistik (IBGE), dem Arbeitsministerium (MTE) und dem Bildungsministerium (MEC). Die Daten sind verfügbar auf dem Internet. Bruschini, Cristina, Lombardi Maria Rosa, Banco de Dados sobre o Trabalho das Mulheres, Fundação Carlos Chagas, 1998 [http://www.fcc.org.br].

Chen Mei Hua 
Die männliche Begierde und ihre Widersprüche: Maskulinität, Lebensstil und Sexualität

Der Fall der Kunden der  taiwanesischen Prostituierten

Die Mehrheit der feministischen Untersuchungen sehen in der Prostitution einen Ausdruck von Maskulinität, obwohl eine solche Sichtweise weder zwischen den Kunden und noch den diversen sozialen Bedeutungen der Frequentation von Prostituierten differenziert. Dieser Artikel untersucht den Rückgriff auf Prostitution unter dem Gesichtspunkt der männlichen Sexualität und der sozialen Herkunft des Kunden  anhand von vertieften Interviews mit den Kunden und den taiwanesischen Arbeitnehmerinnen des Sexgewerbes. Der Artikel zeigt die Unterschiede zwischen der Art und Weise wie die Klienten diverser sozialer Herkunft ihre sexuelle Beziehung mit den Prostituierten erleben; wie sie mit den Widersprüchen zwischen den herrschenden Moralvorstellungen im Bereich der Prostitution, wie z.B. der Stigmatisierung der Kunden, der Treue in der Ehe und der Tatsache die Frauen in sexuelle Objekte zu verwandeln, umgehen. Der Artikel widerlegt jedoch jene Ideologie, die die Prostitution in Taiwan mit den « sexuellen Impulsen der Männer » rechtzufertigen sucht und zeigt, dass der Sexualkonsum zum Teil sehr geplant verläuft, besonders bei Männern aus dem sogenannten sozialen Mittelstand. Es handelt sich insbesondere darum zu zeigen, dass die emotionellen Wünsche der Kunden sich aus ihrer Sicht nicht auf den Geschlechtsverkehr begrenzen, sondern stark mit ihrer Definition von sexueller Lust zusammenhängen.

Chris Corrin 
Der Frauenhandel im Südosten Europas Lokale Unterschiede, internationale Übereinstimmungen

Im Hinblick auf eine Verbesserung der Situation der Frauen und die Verringerung des auf ihnen lastenden Druckes, wird hier die feministische Debatte zum Thema Frauenhandel und Prostitution mit der politischen Theorie und Praxis der Menschenrechte in Verbindung gebracht, sowie deren Handlungsspielraum untersucht. Der Zusammenhang zwischen der politischen Konzeption der Prostitution und deren Umsetzung in die entsprechenden politischen Strategien und Entscheidungen ist derartig, dass selbst die Politik von Nachbarländern völlig unterschiedlich sein kann. Der Entscheidungsspielraum der Frauen, ihre Veropferung und Widerstandspraktiken stellen die Kernfragen des Artikels dar. Die Natur selbst des Handels mit Frauen führt zu  Situationen von Gewalt und sozialer Kontrolle und zu komplexen Verbindungen zwischen Migration, Menschenhandel und Schleichhandel. Ein kurzer Überblick über den Frauenhandel im Südosten Europas stellt an erster Stelle den Einfluss der Militarisierung auf einige Völkergemeinschaften des ehemaligen Jugoslawien heraus. Der Handel mit Frauen in einem militarisierten Kontext führt zu einer Verstärkung der sozialen Kontrolle durch Gewaltanwendung die die Frauen durch spezielle Mittel zur Prostitution zwingt. Das Strafrecht und die Menschenrechte koexistieren nur  schwerlich mit den Sanktionen der ONU, die dazu dienen sollen diese Rechte zu verteidigen oder Menschenrechtsverstöße zu bekämpfen. Im Vordergrund dieser Diskussionen steht das sowohl soziale als auch intellektuelle Problem der Schuldzuweisung an die Frauen und ihrer moralischen Verurteilung. Feministische Forscherinnen kommen zu dem Schluss, dass praktische Veränderungen des Migrationsrechtes im Kampf gegen den Frauenhandel hilfreich sein könnten.

Viviane Dubol
Ich bin Prostituierte, du wirst Arbeitnehmerin des Sexualgewerbes, eine unmögliche Herkunft 

Dieser Artikel behandelt die universitäre und interassoziative Geschichte einer klinischen Untersuchung des Prostitutionsaktes. Selbst wenn es möglich ist den psychischen Zustand der Prostituierten zu beschreiben, so ist es wesentlich komplizierter die Mechanismen zwischen Unterwerfung und einer vierten Figur zu untersuchen, die zu der Autodeklaration führen: « Ich bin eine Prostituierte. » Das sinnliche Erlebnis, das den Prostituierten irriger Weise während des Sexualverkehrs nicht zugestanden wird, könnte neben einer Suche nach Selbsterkenntnis anhand der Sprache und durch die Eingänge des Körpers zu einer Subjektivierung dieser Erfahrung beitragen. Das Ziel der Autorin ist es die Aufmerksamkeit auf die moderne Figur der Prostituierten zu lenken und darauf, was es für die Betroffene heißen kann als eine « Arbeitnehmerin des Sexualgewerbes » bezeichnet zu werden.

Lilian Mathieu 
Prostituierte und Feministinnen (1975  – 2003) : die Unmöglichkeit einer neuen Annäherung 

Die Prostituierten haben zu zwei Gelegenheiten, in 1975 und in 2002, versucht sich gegen die polizeiliche Unterdrückung zu mobilisieren. Auch wenn sie bei der ersten Protestbewegung mit der aktiven Unterstützung der militanten Feministinnen und Befürworterinnen der Abschaffung der Prostitution trotz ihrer divergierenden Einschätzungen der Prostitution rechnen konnten, so konnte eine solche Annäherung 27 Jahre später nicht wieder stattfinden. Die Gründe für diese Abwendung von der Prostituiertenbewegung hängen sowohl mit den Veränderungen der Prostitution, ihrer medizinischen und sozialen Assistenz als auch des feministischen Militantismus selbst und seiner Denkansätze zusammen.

Insa Meinen
Die Reglementierung von Prostitution und Geschlechtsverkehr durch die Besatzungsmacht 

Der Beitrag steht im Schnittpunkt von Okkupationsforschung, gender history und Militärgeschichte. Auf der Basis unveröffentlichter Quellen deutscher und französischer Provenienz wird die Reglementierung der Prostitution durch die deutschen Besatzungsbehörden zwischen 1940-1944 beleuchtet. Vordergründig handelte es sich um eine seuchenhygienische Maßnahme, denn die Wehrmacht hatte eine panische Angst vor Geschlechtskrankheiten. Tatsächlich suchten die deutschen Führungsstäbe aus militärischen und politischen Gründen jeglichen unkontrollierten Kontakt ihrer Soldaten zu Französinnen zu unterbinden. Im Grunde ging es ihnen jedoch um die Reglementierung der Geschlechtsbeziehungen zwischen den Besatzungstruppen und der weiblichen Zivilbevölkerung  eine Reglementierung, die sich auf Zwangs- und Repressionsmaßnahmen der betroffenen Französinnen stützte und die den deutschen Soldaten die Möglichkeit bot auch noch anderweitig die Früchte des Sieges auszukosten.

Cyril Olivier
Verführerisch und unerreichbar,

die Prostituierten und die Regierung von Vichy

Die Prostitution nimmt in der schwarzen Vergangenheit2
Frankreichs ganz besondere Formen an. Auch wenn die Ausübung dieser lukrativen Tätigkeit keine radikalen Veränderungen erfährt, so führen die durch die Besatzung geschaffenen Bedingungen und die Machtergreifung einer der konservativsten Regierungen doch zu Veränderungen auf der Entscheidungsebene, die bis dahin unbekannte Praktiken zur Folge hatten. Dieser Artikel untersucht aus Sicht der französischen Prostituierten und ihres Aktionsrahmens diverse Aspekte ihrer Tätigkeit unter Vichy anhand einer systematischen Analyse bisher unerfasster Rechtsakten.
2
Anmerkung der Übersetzung: Im Original: « les années noires »

N° 7, 2002

Gleichheit, Ebenbürtigkeit, Diskriminierung: Fortsetzung folgt

Nadya Araujo Guimarães
Das Geschlecht der Mobilität: Industriearbeit im Brasilien der Neunziger Jahre

In diesem Artikel wird die intersektorielle Mobilität von brasilianischen Industriearbeitnehmern/innen anhand von Längsschnittdaten des Arbeitsministeriums über Einstellungen und Entlassungen in den Neunziger Jahren behandelt. Anhand des Vergleiches von zwei Industriezweigen (chemische Industrie und Automobilhersteller) auf zwei regionalen Arbeitsmärkten zeigt die Autorin die Bedeutung von Geschlechtsunterschieden für die Mobilität auf formalen Arbeitsmärkten, unabhängig von der Aufnahmefähigkeit der weiblichen Beschäftigsbereiche und der Natur des Restrukturationsprozesses der beiden untersuchten Industriezweige.

Geneviève Fraisse 
Die Parität, ein Begriff in aller Munde

Die politischen Maßnahmen zur Paritätsförderung  wurden von Debatten und Auseinandersetzungen begleitet. Die Umsetzung in die Praxis läßt eine Distanz zu: eine erste Bilanz kann gezogen werden, die sich zu den Erinnerungen gesellt. Der mathematische Charakter der Parität führte zu einer Verwechslung mit dem Prinzip der Gleichheit, was sowohl positive wie auch negative Auswirkungen hatte. Sinnverschiebungen und Phantasien über die angeblichen Wertvorstellungen der Geschlechter haben den mathematischen Wert der Parität übertüncht und überraschend veralteten Querelen das Feld überlassen. Die Auseinandersetzungen zwischen Demokraten sind oft angstbesetzt und beziehen sich auf das Neutrum als eine (Sicherheits)garantie. Ist dies jedoch die Rolle des Neutrum – sollte es nicht als eine Fiktion und eine historische Dynamik fungieren?

Fausta Guarriello
Die Promotion von beruflicher Gleichberechtigung: gesetzlicher Rahmen und Akteurmobilisierung in Italien

In den zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes 125, eine letzte Errungenschaft der Frauenbewegung, wurde der Begriff der Chancengleichheit – anstatt von Gleichbehandlung – geprägt. Dieser Begriffswandel beruht auf einem weitläufigen Netz von institutionnellen und konventionellen Organismen, die versucht haben, eine Kultur von pro-aktiven Maßnahmen zur Frauenförderung durchzusetzen um bestehende Ungleichheiten zu beseitigen und um die Effizienz der Antidiskriminierungsmaßnahmen zu verbessern. Diese institutionnelle Mobilisierung hat jedoch trotz verfeinerten Techniken und einer weitläufigen Sensibiliserung nur selten längerfristige Wirkungen auf die Organisationspolitik von Unternehmen und Gewerkschaften ausgeübt, welche die berufliche Gleichberechtigung niemals als eine wirkliche Priorität betrachtet haben. Das Gesetz zum Erziehungsurlaub und die Statusreform der Gleichberechtigungsbeauftragten sollten die Einbindung der Institutionen in einen effektiven Gleichberechtigungsprozess erneuern: der Kulturwechsel der neuen Regierung scheint diese Reformen auf Eis zu legen.

Nathalie Havet und Catherine Sofer
Die neuen Wirtschaftstheorien der Diskriminierung

Inwieweit können Wirtschaftstheorien der vergleichenden Situation von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt gerecht werden? Die ersten Diskriminierungsmodelle sagen ein spontanes Verschwinden der Unterschiede voraus. Die Modelle der darauf folgenden Generation bieten bessere Formalisierungs- und Erklärungsansätze hinsichtlich gewisser Charakteristika des Arbeitsmarktes, wie z. B. der Weiterbestand von Gehaltsunterschieden, die teilweise Segregierung des Arbeitsmarktes zwischen weiblichen und männlichen Berufsbildern, sowie die Karriereunterschiede, die Überrepresentierung von Männern in qualifizierten Berufen, größere Aufstiegsschwierigkeiten und Überqualifizierung von Frauen. Deshalb werden neuere Ansätze der Wirtschaftslehre im Bereich der Arbeit, wie z.B. die Theorie der Arbeitssuche, der Paarbildung oder die aktuellen Untersuchungen im Bereich der asymetrischen Information.

Janine Mossuz-Lavau
Die Parität im Bereich der Politik: Geschichte und erste Bilanz

Das Gesetz, welches dazu dienen soll « Frauen und Männern zu gleichen Zugangschancen zu elektoralen Mandaten und Wahlfunktionen zu verhelfen » ist am 6. Juni 2000 nach diversen Auseinandersetzungen und Kämpfen in Kraft getreten. Seitdem müssen in Frankreich – und dies ist eine weltweite Premiere -bei den meisten Wahlen die Hälfte der Kandidaten Frauen sein. Dieses Gesetz kam in 2001 zweimal zur Anwendung. Es handelt sich in diesem Artikel darum die Geschichte dieses Gesetzes aufzuzeigen und eine Bilanz der betroffenen Wahlen zu siehen, sowie der nicht betroffenen, um herauszufinden ob der paritätische Prozess weiterreichende Auswirkungen hatte.

Christian Trotzier
Die Destabilisierung von entlassenen Arbeiterinnen

Die Analyse der Laufbahnen von einhundertundacht entlassenen Arbeiterinnen aus dem Bruchetal, in der Nähe von Straßburg, über einen Zeitraum von achtzehn Jahren, schliesst für die Mehrheit auf eine langanhaltende Destabilisierung. Der Mangel an Arbeitsplätzen favorisiert einen Rückzug aus dem Arbeitsleben. Der Zusammenhang mit dem Alter und der Familiensituation macht die Geschlechtsunterschiede deutlich. Der Wille in das Berufsleben zurückzukehren, bleibt jedoch stark erhalten. Die Verbindung der Funktionsmechanismen des weiblichen Arbeitsmarktes und der Zwänge des Familienlebens führen in den meisten Fällen dazu, dass die arbeitslosen Arbeiterinnen vor Ort bleiben, wohingegen die Arbeiter in der Grosszahl täglich weite Strecken zurücklegen. Die Art und Weise wie die neue Anstellung gefunden wurde, bestimmt stark dessen Natur, Stabilitätsgrad und Lokalisierung. Das heißt dass insbesondere Beziehungen notwendig sind um eine feste Anstellung, oft im Dienstleistungsbereich, zu bekommen. Die arbeitslosen Frauen mit einem geringeren sozialen Kapital entgehen nur schwerlich einer langanhaltenden beruflichen Unstabilität. Sie wird oft von einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen begleitet.

N°8, 2002

Arbeiterinnen: die Hintergründe der Verschönerung

Anne-Sophie Beau
Die Gehaltsempfänger/innen  der großen Warenhäuser : Angestellte ? 

Die Berufslaufbahnen der Gehaltsempfänger/innen des Grand Bazar von Lyon im 19. und 20. Jahrhundert

Die unstetigen Berufslaufbahnen der Gehaltsempfänger/innen des Grand Bazar von Lyon während des 19. und 20. Jahrhunderts weichen von den allgemein üblichen geschichtlichen Darstellungen der Angestelltenkategorie ab, welche den Arbeitern gegenübergestellt werden. Zum einen entsprechen die Gehalts- und Arbeitsbedingungen im Grand Bazar nicht denen, die mit dem Angestelltenstatut verbunden werden, weit vorteilhafter als der der Arbeiter. Zum anderen erscheint es unmöglich die verschiedenen nacheinander, oder aber gleichzeitig ausgeübten unqualifizierten Tätigkeiten ihrer Laufbahn innerhalb der verschiedenen Bereiche des Warenhauses nach Angestellten- oder Arbeitertätigkeiten zu unterscheiden, und bestätigt, dass die Arbeiter/innen- und Angestelltentätigkeiten im 19. Jahrhundert zumindest teilweise von denselben Personen ausgeübt wurden.

Stéphane Beaud und Michel Pialoux
Junge Arbeiter/innen in der Fabrik. 

Anmerkungen zur Rivalität zwischen Jungen und Mädchen und über die Infragestellung des Männerbildes von Arbeitern

Die Autoren untersuchen anhand einer langfristigen Feldstudie in der Arbeiterregion von Sochaux-Montbéliard die aktuellen Veränderungen des Arbeitsmarktes im Rahmen des starken wirtschaftlichen Aufschwungs zwischen 1998 und 2001. Der Artikel handelt insbesondere von der Arbeitsaufnahme von Jugendlichen aus den Vorstädten, die lange von den Unternehmen ferngehalten wurden, und die jetzt massiv, via Zeitarbeitsunternehmen, in die Fabrik von Sochaux und bei Automobilzulieferern eintreten. Der Vergleich des Arbeitsverhaltens, das anhand von Interviews mit jungen Arbeiterinnen sowie mit älteren Arbeitern oder Vorarbeitern analysiert wurde, zeigt einen klaren Vorzug für die Mädchen (« zuverlässig », « motiviert », « umgänglich »), zum Nachteil der Jungen. Letztere, die sich oft nicht von der « Strassenkultur » lösen können in die sie während ihrer ganzen Pubertät eingebunden waren, werden an ihrem Arbeitsplatz in ihrer am Arbeiter orientierten Männlichkeit in Frage gestellt.

Elizabeth Brown, Dominique Fougeyrollas-Schwebel und Maryse Jaspard
Die Paroxysmen der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Gewalt am Arbeitsplatz und Gewalt in der Ehe

Die landesweite Studie über Gewalt gegen Frauen in Frankreich (Untersuchung Enveff) bringt neue Einsichten zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, die von dem üblichen Blickwinkel von zeit- und örtlichen Zwängen abweichen. Wohingegen die Unterschiede zwischen Männern und Frauen meistenteils aus Sicht der Zwänge untersucht worden sind, denen die Frauen am Arbeitsplatz und in der Familie ausgesetzt sind, im Vergleich zu den Männern, die erhebliche Freiheiten genießen, zeigt die Enveff-studie auf der anderen Seite die Zusammenhänge zwischen der Gewalt am Arbeitsplatz in den vergangenen 12 Monaten und der familiären Lebenssituation. Die unterschiedlichen Formen von Gewalt werden anhand von zwischenmenschlicher Gewalt, verbaler Gewalt, psychischer, physischer und sexueller Gewalt analysiert, die im Rahmen der Berufstätigkeit und durch den Partner ausgeübt werden. In den meisten Fällen erscheint eine berufliche Tätigkeit und Partnerschaft nicht unvereinbar, unter der Bedingung beide Lebensbereiche harmonisch miteinander zu vereinen, da die kleinste Schwierigkeit zu einer Kulmination von Gewalt in beiden Bereichen führt.

Noëlle Burgi 
Innere Emigration und Mittellosigkeit von arbeitslosen Frauen

Bei der Untersuchung der Laufbahnen von langzeitarbeitslosen Frauen aus dem Bereich der Textilindustrie wird deutlich, dass die klassischen Argumente, die ihren Motivationsmangel, ihre Unselbstständigkeit sowie die harten Gegebenheiten des Arbeitsmarktes anführen, nicht völlig überzeugend erscheinen. Als Frauen haben sie zwei-, wenn nicht dreifach die unveränderliche Unbeweglichkeit des politischen und sozialen Umfeldes erfahren, das dazu tendiert unqualifizierten Arbeitslosen kein Anrecht auf Arbeit zuzugestehen. Ihnen ist nicht nur das Recht auf Arbeit unter dem Vorwand der « Trauer » um ihr ehemaliges Unternehmen und der Realität der modernen Arbeitswelt genommen worden, sondern auch ihre Vergangenheit und die Möglichkeit sich vorurteilslos einer neuen Erwerbstätigkeit zu widmen. Diese innere Emigration, die aus der Negierung des Umfeldes ihrer Identität als erwerbstätige Frauen resultiert, und sich an der Ideologie der sich für ihre Mitmenschen aufopfernden abhängigen Ehefrau orientiert, ist oft schmerzhaft und wird von den Frauen als Ohnmacht empfunden.

Karine Clément
Russische Arbeiterinnen: Vermischung der Geschlechter und Unsicherheit

Die Situation der russischen Arbeiterinnen hat sich durch die sozialen Veränderungen des Marktes stark verschlechtert. Diese Veränderungen verstärken die sexuelle Arbeitsteilung und die Diskriminierungen denen sie unterliegen. Sie setzen insbesondere die Mehrheit der Arbeiter einer großen beruflichen Unsicherheit aus, was sie dazu veranlasst diverse informelle Praktiken zu entwickeln um sich « durchzuschlagen ». Die Männer kümmern sich insbesondere um die Praktiken in der Arbeitswelt, wohingegen sich die Frauen um die körperliche und insbesondere psychische Versorgung des häuslichen Bereiches kümmern. Diskriminierungen und sexuelle Arbeitsteilung hängen insbesondere mit den sozialen Rollenbildern zusammen, die von der Mutterfigur und die Weiblichkeit der Frauen geprägt sind. In der Realität ist die Arbeiterin jedoch vor allem eine Arbeitnehmerin in einem unsicheren Arbeitsverhältnis, die ihr Leben damit verbringt ihren Unterhalt zu verdienen. Durch dieses Hauptmerkmal unterscheidet sich ihr Leben wenig von dem der Arbeiter. Um die ganze Problematik der Existenz der Arbeiterinnen zu erfassen, muss neben dem geschlechtsspezifischen Ansatz die soziale Herkunft der Arbeiter mit in Betracht gezogen werden.

Michel Gollac und Serge Volkoff 
Der Abbau von sexistischen Vorurteilen. Die Arbeitsbedingungen von Arbeiterinnen

Die Zuordnung von Arbeitertätigkeiten nach Geschlecht erscheint im Licht von statistischen Untersuchungen von Arbeitsbedingungen wie eine Überspitzung von bestimmten Vorurteilen. Zwang, Monotonie und Isolierung characterisieren die Tätigkeit von Arbeiterinnen. Sie sind hingegen jedoch relativ geschützt, wenn nicht vor Zwängen, so zumindest vor den gewalttätigsten körperlichen Angriffen. Außerdem sind ihre Arbeitszeiten problemlos mit einer intensiven außerberuflichen Tätigkeit vereinbar. Es sind erhebliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen und deren Organisation vollzogen worden, ohne dass sich die relativen Positionen der Arbeiter und der Arbeiterinnen verändert hätten. Die Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen wurden wenig objektiviert. Ihre Einordnung unter dem Begriff einer « weiblichen » Tätigkeit, und ihre damit verbundene Normalisierung, stellen ein Hindernis zu ihrer Verbesserung dar.

Martine Lurol und Jérôme Pélisse
Die 35-Stundenwoche von Männern und Frauen

Anhand der Untersuchung von drei in unterschiedlichen Produktionsbereichen angesiedelten Unternehmen, die sich auch durch die Grösse und ihre geographische Lage voneinander unterscheiden, und die die Aubryverträge unterzeichnet haben, handelt der Artikel von M. Lurol und J. Pélisse von Unterschieden zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Realisierung der 35-Stundenwoche. In den drei untersuchten Unternehmen wirken sich die unterschiedlichen Vorstellungen von Arbeit indirekt auf die Wahl und die Anwendung der realisierten Arbeitszeitverkürzungen aus, die die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen verstärken. Somit entspricht die berufliche Gleichberechtigung, die in der Sozialbilanz eines Unternehmens in den Vordergrund gestellt wurde, eher einer Fiktion. Die Personalführungspraktiken sind sexistisch und von den Vorstellungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer von weiblicher Erwerbstätigkeit geprägt. Diese Praktiken führen zu Unterschieden zwischen Frauen und Männern was den Arbeitszeitausgleich betrifft. In einem anderen Unternehmen werden die Arbeitszeitverkürzungen insbesondere für unterqualifizierte Frauen durch die verstärkte Flexibilisierung der Arbeitszeit im Rahmen der Einführung einer Jahresarbeitszeit durch einer erhöhte Unregelmässigkeit der Arbeitszeiten und dessen Zeitspanne erschwert. Der Ausschluss einer bestimmten Personalgruppe von dem Arbeitszeitverkürzungsabkommen zeigt in einem dritten Unternehmen, dass die Arbeitszeit eindeutig die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und den verschiedenen sozialen Kategorien aufzeigt und verstärkt. Im Übrigen haben die Interviews mit (Ehe)paaren, die im selben Unternehmen tätig sind erlaubt, die Auseinandersetzungen und Entscheidungen im Privatleben näher zu beleuchten, insbesondere wenn die Rollenbilder und deren Verteilung nicht selbstverständlich ist.

Diane-Gabrielle Tremblay 
Die Frauen und der Arbeitsmarkt in der Provinz Quebec und in Kanada

Dieser Artikel handelt von der Situation der Frauen auf dem kanadischen, und insbesondere dem Arbeitsmarkt der Provinz Quebec. Es wird gezeigt, dass die weibliche Erwerbstätigkeit, besonders von Frauen mit Kindern, in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist. Ausserdem erhöht sich die Erwerbstätigkeit mit dem Alter der Kinder. Die Frauen befinden sich jedoch oft weiterhin in einem unsicheren Arbeitsverhältnis. Im aktuellen Kontext der Auflösung von Arbeitsnormen und von beweglichen Arbeitszeiten erleben die Frauen den Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Familie oft unter Schwierigkeiten.

N°5, 2001

Sexuelle Belästigung und Gewalt: Probleme der Arbeitswelt

Fabienne Bardot 
Auf der Suche nach Gewalt im Unternehmen : Betriebsärzte sprechen sich aus

Neue Arbeitsorganisationen und neue Mangamenttechniken haben die Benutzung von Frauen und Männern rationalisiert und somit instrumentalisiert, wobei die Frage der Arbeit in den Hintergrund geraten ist. Der Besitz eines Arbeitsplatzes ist zur eigentlichen Besorgnis geworden und hat zweifellos zu verstärkt arroganten Dominanzverhältnissen geführt. Nichtsdestotrotz hat die langsame allgemeine Anerkennung der Rechte des Einzelnen zu einer Verringung der Toleranzgrenze hinsichtlich der „Misshandlungen“1 in der privaten Arbeitswelt geführt. Die Mediatisierung des zur Zeit unter „moralischer Belästigung“2 bekannten Phänomens hat den verborgenen schmerzlichen Erfahrungen plötzlich zum Ausdruck verholfen. Die Betriebsmediziner kamen aus ihrer Sicht weitlaufend zu diesem Ergebnis, insbesondere auf Frauen bezogen, aber auch (andersartig ?) auf Männer. Diese beunruhigenden Eröffnungen nehmen diverse Formen an und beeinträchtigen die Gesundheit auf beängstigende Weise. Dieser Artikel behandelt diese Erfahrungen.

Paul Bouaziz 
Moralische oder sexuelle Belästigung ? Über die Schwierigkeiten eines juristischen Ansatzes

Alle äusseren Anzeichen scheinen darauf hinzudeuten, dass das weibliche Geschlecht sich lautstärker über moralische Belästigungen beklagt als die Männer. Die Untersuchung von Gerichtsurteilen lässt jedoch auf keine gesonderte Behandlung der weiblichen Arbeitnehmer schliessen. Falls die Erfassung der Techniken, Absichten und Mittel des Belästigungsprozesses durch den aktuellen Stand der Gesetzsprechung jedoch keinen markanten Geschlechtsunterschied erkennen lässt, so ist es jedoch notwendig sich über die eventuellen Folgen neuer Artikel zu befragen, die im Arbeitsgesetz vorgesehen werden müssen.

Marlaine Cacouault 
Die Feminisierung  eines Berufes – ein Zeichen von Prestigeverlust ?

Sobald Frauen einen bessergestellten Beruf ausüben, werden abfällige Bemerkungen laut. Sie beziehen sich auf die Berufstätigen und deren Tätigkeit, die scheinbar entwertet werden. Dasselbe Verhalten lässt sich beobachten, sobald der Anteil der weiblichen Beschäftigten zunimmt oder den der Männer übersteigt. Eine Untersuchung, die die Repräsentationen und Fallbeispiele, den Epochen-, Berufs- und Geschlechtervergleich berücksichtigt, erlaubt es, die eigentlichen Motive eines ständig sich wiederholenden Diskurses zu erforschen. Es ist insbesondere möglich zu unterscheiden, was der Verdrängung von Konkurrenz dient, und was mit einer Veränderung der sozialen und institutionnellen Ordnung zusammenhängt. Manche erscheinen problematisch, aber der Feminisierungsprozess wird nicht in Frage gestellt. Ausserdem üben die Frauen insgesamt nicht die am höchsten geschätzten und am meisten gefährdeten Berufe aus. Die ausgeübte Funktion, die Spezialisierung, die Art der Ausübung, die eine mehr oder weniger grosse Disponibilität für die Privatsphäre voraussetzen, scheinen heute die Trennlinien zu ziehen. Stellen die konkreten Situationen der Frauen und Männer am Arbeitsplatz und in der Familie wirklich die traditionnellen Divisionen und Hierarchien in Frage?

Damien Cru 
Unzufriedenheit mit der Arbeit, wie intervenieren ?

Die Theorie von Gewalt am Arbeitsplatz ist nicht nur mediatisiert. So unterschiedliche Arbeitnehmer wie Berufsfeuerwehrmänner, Busfahrer, Lehrer, Sozialarbeiter und noch viele mehr konnten vielfach jeweils auf dem individuellen Niveau innnerhalb der konkreten Arbeitsbedingungen ihres Aufgabenfeldes die Angriffe identifizieren, deren Opfer sie sind. Es stellt sich die Frage des Platzes der Arbeit in Bezug auf die diversen Phänomene der Gewalt die denunziert werden. Auf welche Art und Weise kann man auf die Arbeitsorganisation einwirken um das Risiko einer psychologischen Verfolgung zu verringern ? Wie stellen wir, die ausserbetrieblichen Mitarbeiter im Unternehmen uns der Gewalt, und welchen Einfluss können wir auf sie ausüben ? Dies unter dem Vorbehalt, dass die Geschlechter nicht undifferenziert sind, und dass mich weniger deren respektive Eigenheiten interessieren als ihre Vergleichbarkeit.

Marie Grenier-Pezé 
Körperzwänge : moralische Belästigung

Die Mediatisierung moralischer Belästigungen stellt ihre soziale und psychopathologische Legitimität in Frage. Das volle Erfassen des Ausmaßes der Tragik der Belästigungssituation macht eine nähere Untersuchung der Auswirkungen der Arbeitssituation auf die Identität nötig. Es handelt sich darum dieses neue Syndrom in das weitere Umfeld der positiven und negativen Effekte der Arbeitsorganisation auf die psychische und physische Gesundheit einzuordnen. Die individuellen Verteidigungsstrategien, und die von den Einzelnen mobilisierten Kollektivstrategien um es auf der Arbeit auszuhalten, können ein Arbeitskollektiv zusammenschweissen oder zerbrechen und somit zur Ernennung eines Sündenbockes führen. Die Verinnerlichung des Wertesystems des Unternehmens erlauben die Banalisierung der dem anderen zugefügten Gewalt, ihre Systematisierung in körperlichen Disziplinarisierungstechniken. Die symbolische Kraft der professionnellen Handgriffe machen sie zu einem besonders wirksamen Mittel der Destabilisierung des psychosomatischen Gleichgewichts. Die benutzten Verfahren sind mit Foltertechniken oder den Techniken von Initiationsritualen vergleichbar. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft setzt den Einzlnen einer grossen Einsamkeit aus. Das Auffangnetz von Arbeits- und Allgemeinmedizinern, Generalstabsärzten, Psychologen entspricht nur einer medizinisch-verwaltungstechnischen Strategie. Diese Resozialisierungssarbeit beendet die Isolierung des Belästigten auf symbolische Weise und setzt der laufenden psychosomatischen Desintrikation einen Schlusspunkt.

Armelle Testenoire 
Weibliche Karrieren : Kontingenz oder Projekt ?

Auch wenn sich die Erwerbstätigkeit von Frauen aus bescheidenen Verhältnissen in einer Zeitspanne von dreissig Jahren grundlegend verändert hat, so bleibt ihre Karriere jedoch problematisch. Die auf biographischen Interviews mit Männern und Frauen bescheidener Herkunft aufbauende Analyse zeigt auf, dass sie ihre beruflichen Laufbahnen unterschiedlich interpretieren und nachzeichnen. Während die Männer ihre Karriere als das Ergebnis eines Projektes (ursprünglich oder im Nachhinein konstruiert) darstellen, drücken die weiblichen Erzählungen ein starkes Gefühl der Kontingenz aus. Die weiblichen Karrieren, die nicht selbstverständlich sind, werden Schritt für Schritt zwischen den (Ehe)partnern ausgehandelt. Die männlichen Karrieren werden als Selbstverständlichkeit hingenommen, und profitieren aus diesem Grund von einer grossen Unabhängigkeit. Männer und Frauen manifestieren dadurch eine ungleiche Fähigkeit der Individualisierung auf beruflichem Niveau, was ihr Varhältnis zur Karriere stark beeinflusst.

N°6, 2001

Fürsorgliche Frauen, Kinder- und Familienlast

Jeanne Fagnani 
Die Politik der Kleinkinderbetreuung in Frankreich: Licht- und Schattenzonen

Der öffentliche Träger hat seit den 70er Jahren, in engem Zusammenhang mit der steigenden Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt, ein Arsenal von Maßnahmen in Richtung von Familien mit kleinen Kindern entwickelt, und insbesondere Einrichtungen zur Kleinkinderbetreuung geschaffen. Seit den 80er Jahren wurden unter dem Motto der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stärker Maßnahmen zur individuellen Betreuung privilegiert. Dennoch bestehen viele Lücken. Abgesehen von der unzureichenden Anzahl von Kinderhortplätzen, sind die Kinderpflege- und Betreuung in der privaten wie in der Berufssphäre weiterhin ausschließlich den Frauen vorbehalten. Die Arbeitsplätze von Kindergärtnerinnen oder Kinderfrauen sind oft prekär und schlecht bezahlt. Die sozialen Ungleichheiten in Bezug auf die Wahl und den Zugang zu den verschiedenen Betreuungsmöglichkeiten bleiben trotz kürzlicher Reformen, die diese etwas reduzieren, weiterhin bestehen.

Isabel Georges 
Einfache Angestellte im Bereich der Telekommunikation:

Deutsch – Französischer Vergleich

Der Status der weiblichen Erwerbstätigkeit ist weiterhin verschieden in zwei ansonsten sehr ähnlichen europäischen Ländern. Im Gegensatz zu Frankreich unterscheidet in Deutschland immer noch der Familienstatus, und die Tatsache Kinder zu haben oder nicht, die Frauen mit einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit von denen, die mit Unterbrechung arbeiten. Dieser Sachverhalt wird in Bezug auf Arbeitsplätze des öffentlichen Dienstes, sowie der Praktiken der Arbeitnehmerinnen, untersucht. Im Einzelnen wird die Rolle einer typisch weiblichen Erwerbstätigkeit am Beispiel der Operatoren der Telefonauskunft, eine als gering qualifiziert geltende Untergruppe der sozioprofessionellen Gruppe der Angestellten, anhand einer qualitativen Analyse des Bezugs zur Arbeit und zur Erwerbstätigkeit näher beleuchtet.

Ute Gerhard 
Sozialpolitik und Mutterschaft : der Fall Ost- und Westdeutschlands

Es werden die Art und Weise mit der die Sozialpolitik, oder genauer gesagt die institutionelle Regulierung und das Gesetz in die sozialen Praktiken und das tägliche Leben der Mütter eingreifen, untersucht. Unter Betracht der Tatsache, daß diese Praktiken den kulturellen Modellen und den sozialen Normen der jeweiligen Länder entsprechen, stellt sich die Frage inwiefern diese Orientierungen und Werte, die selbst ein Produkt der Geschichte sind, die Kultur der verschieden Wohlfahrtsstaaten bestimmen. Es handelt sich also darum zu erfahren inwieweit das Sozialverhalten von Gesetz und Ordnung bestimmt ist. Diese Fragen werden hier anhand einer Analyse der verschiedenen Sozialpolitik in der ehemaligen DDR und Westdeutschland, und deren Auswirkungen auf die Alltagspraxis und die Möglichkeiten der Frauen, behandelt. Es treten greifbare Unterschiede im Alltagsleben und in ihrer Auffassung der Mutterschaft auf: im Osten betrachten die Frauen ihre Fähigkeit Mutterschaft und Erwerbstätigkeit zu kombinieren als gegeben an, wogegen sich die Frauen im Westen in Bezug auf ihre Verantwortungen wesentlich ambivalenter zeigen. Der Fall Deutschlands ist besonders instruktiv da die ost- und westdeutschen Frauen denselben historischen Hintergrund teilen. Es erscheint besonders aufschlussreich zu untersuchen, wie die Ideen, Praktiken und die Politik verdrängt werden und wie sie die Zeit wieder zu Tage befördert. Die sehr unterschiedlichen Ausrichtungen der Sozialpolitik der deutschen Nachkriegszeit bilden ein fruchtbares Terrain um diese Signifikationen zu erforschen.

Jane Jenson 
Von einem Bürgerschaftsregime zum anderen : Das Pflegegeld

Die Altersabhängigkeit wird in mehreren Wohlfahrtsstaaten Europas als ein « Durchschnittsrisiko » betrachtet, ähnlich der Arbeitslosigkeit oder dem Krankheitsfall, die schon in das sozialen Bürgerschaftsregime der Nachkriegszeit aufgenommen wurden. Die Schaffung von speziellen Alterszulagen ist weit mehr als eine weitere soziale Maßnahme. Sie deutet auf eine Veränderung  des Sozialbürgerregimes hin und partizipiert an seiner Neufassung. Es werden die Folgen dieser Veränderungen unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechterverhältnisses im Rahmen der von den neoliberalen Strömungen veranlassten Restrukturierungen  untersucht.

Marie-Thérèse Letablier
Die Arbeit am Nächsten  und seine  Konzeptualisierung in Europa

Dieser Artikel hat zum Ziel das “care” Konzept, seine Entstehung und Gebrauch in der angelsächsischen feministischen Forschung zu untersuchen. Die Schwierigkeiten der Übersetzung dieses Konzeptes zeugen von seiner Komplexität in Hinblick auf den französischen Ansatz der Arbeit am Nächsten und der Dienstleistungen für Privatpersonen. Die angelsächsischen Ansätze des  » Care »- und  « Social Care » Konzeptes charakterisieren sich durch ihren Vergleich mit den Typologien der europäischen Wohlfahrtspflege und mit der unentgeltlichen Arbeit von Frauen innerhalb der Familie. Es wird die Originalität dieser Ansätze, sowie die Vielfalt der unterliegenden Konzeptualisierungen von geschlechtlicher Gleichberechtigung herausgearbeitet.

Claude Martin
Die Finanzierungspolitik zur Betreuung  von unselbständigen Senioren

Die Abhängigkeit von Senioren, d.h. ihr Hilfebedürfnis bei der Erledigung von alltäglichen Aufgaben, stellt seit Anfang der achtziger Jahre ein neues Problem des öffentlichen Lebens dar. Dieses Phänomen hat wichtige Auswirkungen auf das Zusammenleben der Geschlechter, nicht nur weil die Frauen durch die unterschiedliche Lebenserwartung von Frauen und Männern am meisten mit diesem Problem konfrontiert werden, sondern auch da Pflege – und Hilfsaufgaben in der Familie hauptsächlich von Frauen geleistet werden, sei es im Rahmen von Verwandschaftbeziehungen oder im Bereich professioneller Hilfsdienste. Es versteht sich also von selbst, dass bei der Definition von Politik in dieser Materie die Beachtung der Chancengleichheit von Frauen und Männern entscheidend ist. Zum Ersten stellt dieser Artikel einen Analyserahmen zur Untersuchung dieser Geschlechterverhältnisse in der Entwicklung der Wohlfahrtssyteme vor. Zum Zweiten wird diese Problematik im Hinblick auf eventuelle Reformen der Finanzierungspolitik von abhängigen Senioren hin beleuchtet und die Folgen für das Geschlechterverhältnis, sei es auf der privaten oder der beruflichen Ebene des caring, untersucht.

Rachel Silvera 
Geschlecht und Ökonomie: eine verpasste Auseinandersetzung

Die Geschlechterfrage ist in den meisten Wirtschaftstheorien und der Wirtschaftspolitik abwesend. Die neoklassischen Theorien (die Theorie vom menschlichen Kapital, der Diskriminierung, etc.) haben sich natürlich vielfach mit dem Arbeitsangebot für Frauen, insbesondere für verheirate Frauen, befasst, und sind dabei von einer familieninternen Rollenverteilung ausgegangen, die jedoch nie in Frage gestellt wurde. Die heterodoxen Ansätze haben, zumindest was die Gründungstexte betrifft, und vielleicht die Segmentierungstheorie ausgenommen, das Geschlechterverhältnis völlig außer Acht gelassen, und das obwohl der Kern der Analyse gerade die Ungleichheiten betrifft. Die neuere Wirtschaftspolitik zeugt von demselben Manko: die Geschlechterdimension der realisierten Maßnahmen wurde verschwiegen. Dieser Artikel leitet also zum einen anhand eines Überblicks über die wichtigsten Wirtschaftstheorien in Frankreich seit den sechziger und siebziger Jahren eine Reflexion über den Platz des Geschlechterverhältnisses in der Wirtschaftstheorie ein. Anschließend wird ein konkretes Beispiel dieses Stillschweigens im Rahmen der Wirtschaftspolitik anhand der Frage des Geschlechterverhältnisses bei minderbemittelten Arbeitnehmern  behandelt.

N°3, 2000

Das männliche Geschlecht ist nicht neutral

Anne Cova
Geschichte eines Sieges : Mutterschaft und Frauenrechte in Frankreich Ende des 19ten – Anfang des 20igsten Jahrhunderts

Vom Ende des 19ten Jahrhunderts bis 1939 verstreichen die Jahre währenddenen sich die Idee des Mutterschutzes einbürgert, eine lange Wegstrecke, die nicht unbedingt geradlinig verläuft, und anhand derer sich die Entstehung des Wohlfahrtsstaates in Frankreich aufzeigen lässt. Grosse Brüche werden offenbar, als am Ende des 19ten Jahrhunderts, das zu keinem spezifischen Gesetz zum Mutterschutz führt, mit dem Beginn des 20igsten Jahrhunderts die ersten Gesetze zum Mutterschutz gewählt werden, die das Recht bestimmter Mütter auf Schutz und die daraus entstehende Verpflichtung des Staates ihnen diesen Schutz zu versichern, anerkennen, bis zur Zwischenkriegszeit, wo ein Kreislauf beginnt, der zum Ersatz der Assistenz durch die Versicherung führt. Diverse Ausläufer der Frauenbewegung fordern ohne Unterlass den Schutz der Mutterschaft und sind Akteurinnen, unter anderen, da die Bildung dieses schützenden Staates nicht exklusiv ist.

Ute Frevert
Das Militär als Schule der Männlichkeit. Das Deutschland im 19. Jahrhundert.

Das Militär entwickelte sich in Deutschland im 19. Jahrhundert, d.h. unter den Bedingungen der allgemeinen Wehrpflicht, nicht zu einer  » Schule der Nation « , sondern auch zu einer  » Schule der Männlichkeit « . Dieser Auftrag, der in pädagogischen und politischen Diskursen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts bereits vorformuliert wurde, fand im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch unter den Offizieren Anklang. Über die Inhalte des Curriculums bestand allerdings keine Einigkeit; es entwickelte sich analog zu den militärinternen Strukturve-ränderungen, aber auch analog zu der sich wandelnden Stellung des Militärs in der Gesellschaft.

Charles Gadéa et Catherine Marry
Die Väter, die gewinnen. Nachwuchs und Berufserfolg bei den Ingenieuren

Im Gegensatz zu den Frauen, erfahren männliche Ingenieure einen umso bemerkenswerteren Erfolg im Beruf, als sie mehr Nachfahren haben. Wir untersuchen anhand einer Literaturstudie über Männer und Ingenieure die wichtigsten Annahmen, die sich aus dieser Feststellung ableiten lassen. Sind diese Väter, denen beruflich das Glück lacht, « Breadwinners » (1) im Sinne Parsons, die in ihrer Karriere von einer gutsituierten Ehefrau unterstützt werden und deren von den Arbeitgebern geschätzter Arbeitseifer von der Verantwortung der zu ernährenden Kinder angetrieben wird, oder Ingenieure, die sich stärker als andere den herrschenden Vorstellungen von Virilität unterwerfen ? Zu Ende unserer Analyse, die sich auf diverse statistische Untersuchungen von Diplomingenieuren und leitenden Angestellten (2) bezieht, erweist es sich als schwierig zwischen diesen diversen Haltungen zu wählen, sowie auch die, weitaus erstaunlichere, der alleinstehenden kinderlosen Ingenieure mit wesentlich weniger glänzenden Laufbahnen zu beurteilen.

(1) Anmerkung der Übersetzung : im Original auf Englisch, wörtlich : die « Brotverdiener ».
(2) Anmerkung der Übersetzung : im Original « cadres », deren soziale Stellung nicht direkt mit der der leitenden Angestellten vergleichbar ist.

Pascale Molinier
Defensive Virilität, kreative Männlichkeit

Die Autorin vertritt anhand klinischer und theoretischer Forschungen im Bereich der Arbeitspsychodynamik die Idee, daß die Analyse von sozialen und subjektiven Prozessen, die zur Bildung von kreativer Männlichkeit führen, im Unterschied zu defensiver Virilität, ein essentieller Schritt der Dekonstruktion des geschlechtlichen Sozialsystems darstellt.

Gilles Moreau
Schein oder Sein in der Lehre

Die Geschlechtsstruktur der Berufe, die auf die Struktur der Ausbildungen aufbaut, gibt Anlass zu der Annahme, daß die Differenzierungen der männlichen und weiblichen Integrations-laufbahnen in das Berufsleben hauptsächlich von der Organisation des Arbeitsmarktes abhängen. Diese sicherlich unverzichtbare Idee entbehrt jedoch jedwede Reflexion darüber, was es eigentlich heißt einen Beruf zu erlernen. Das Beispiel der Ausbildung im Unternehmen, einem Bereich wo die Geschlechtertrennung stark verbreitet ist, zeigt, daß über die Geschlechtsstruktur der Berufe hinaus auch noch mentale Strukturen existieren, die das Verhältnis zum Erlernen eines Berufes tief beeinflussen. So orientieren sich die weiblichen Lehrlinge stark am Zugang zum Beruf und am Fachwissen, wohingegen die männlichen Lehrlinge sich sofort in ein Angestelltenverhältnis eingliedern, was den Stellenwert der Ausbildung reduziert. Die Tatsache, daß diese sozialisierten Denkstrukturen im Falle der untypischen Lehrlinge (d.h. in einem vom anderen Geschlecht dominierten Berufszweig) weiterbestehen, zeigt wie sehr sie verinnerlicht sind. Die Vermeidung einer direkten Konkurrenz von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt reicht nicht aus, um eine freundlich Neutralität zu ermöglichen.

Françoise Picq
Der internationale Frauentag. Auf der Suche nach einem Mythus

Der 8. März wird auf der ganzen Welt als der Tag der Frauen gefeiert. Dieses Datum, so hieß es, gedenkt einem Streik der Näherinnen von New York in 1857. Es gibt jedoch keine Spur eines Arbeiterinnenaufstandes an diesem Datum in der amerikanischen Geschichte. Die Internationale Sozialistische Frauenkonferenz, die in 1910 entschieden hat jährlich diese Feier zu organisieren, bezieht sich weder auf ein solches Ereignis, noch hat sie das Datum des 8. Märzes festgelegt. Die Legende der Newyorker Näherinnen ist erst viel später, in den 50iger Jahren, entstanden und hat sich verbreitet. Dieser Artikel legt die verschiedenen Abschnitte und Ergebnisse der Untersuchung dar, die diese Richtigstellung erlaubt hat und hinterfragt die Beweggründe der sozialistischen Frauen in 1910, und diejenigen, die später andere Frauen dazu geführt haben, dieser alten Gedächtnisfeier einen neuen Ursprung zu geben.

Sophie Pochic
Wie seinen Platz wiederfinden ? Arbeitslosigkeit und Familienleben von männlichen leitenden Angestellten
(3)

Um zu verstehen, wie die Arbeitslosigkeit den Platz des Mannes innerhalb seiner Familie destabilisiert, ist es notwendig dieses Ereignis mit der Familienkonstellation, d.h. mit der häuslichen Arbeitsteilung in Verbindung zu setzen, die mit der Ehegeschichte entstanden ist. Innerhalb einer Bevölkerung von arbeitslosen männlichen leitenden Angestellten in der Region Süden konnten zwei Idealtypen von Maskulinität erfasst werden. Das traditionnelle Modell des „männlichen Hauptverdieners » erscheint stark destabilisiert, da er über schwindende Mittel verfügt um weiterhin seine Rolle als Vater und Ehemann zu erfüllen. Das eher nach Gleichberechtigung ausgerichtete Modell des „Mannes und Partners » scheint dieser Prüfung besser Stand zu halten, da er während dieser Periode eine erhöhte Anwesenheit und Verfügbarkeit für sein familiäres Umfeld beweisen kann. Die Arbeitslosigkeit bleibt jedoch eine Verweigerung des Hauptstützens der modernen Vaterschaft : die Arbeit.
(3) Anmerkung der Übersetzung : im Original « cadres »

N°4, 2000

Geschichten von Pionierinnen

Konstantinos Chatzis 
Ingenieurinnen in Griechenland (1923-1996) : die wachsende Feminisierung eines Berufes in der Krise

Dieser Artikel behandelt das Aufeinandertreffen des weiblichen Geschlechts und des Berufsbildes des Ingenieurs. Er versucht die wichtigsten Episoden einer „Eroberung”, die vor einem dreiviertel Jahrhundert begonnen hat, und sich in immer schnelleren Rythmen bis zum heutigen Tag fortsetzt, zu rekonstruieren und zu analysieren. Die verschiedenen Etappen des steigenden Zugangs der griechischen Frau zum Ingenieurberuf werden hier im Hinblick auf die Welt der Ingenieure untersucht, deren besonders untypische Struktur, im Vergleich zu den Hauptmerkmalen dieses Berufes in anderen europäischen Ländern, mit der ebenfalls originalen wirtschaftlichen Entwicklung der griechischen Gesellschaft zusammenhängt.

Carole Christen-Lécuyer 
Die ersten Studentinnen der Pariser Universität

Selbst wenn einige Frauen sich in Frankreich unter dem zweiten Kaiserreich bis zur Universität vorgewagt haben, so erobern die Frauen diesen den Männern vorbehaltenen Ort jedoch erst unter der Dritten Republik. Am Anfang des 20igsten Jahrhunderts stellen sie 3% der Kommilitoninnen dar, verglichen mit 30% in 1938. Es gibt unter ihnen vier verschiedene Typen von Pionierinnen. Der Erste sind die Abiturientinnnen, Autodidakten, da die erst spät entstandenen weiterführenden Schulen für Frauen (seit 1880) diese nicht auf das Abitur vorbereiten, was den ersten Universitätsgrad darstellt. Der Zweite Typus, die Studentinnen der Pariser Universität, zeigt die Schwierigkeiten dieser Frauen zu bestimmten Fachbereichen Zugang zu erlangen – insbesondere zur Rechtswissenschaft – und sich als studierende Frauen zu behaupten. Der Dritte Typus, die ausländischen Studentinnen, holt diejenigen aus der Vergessenheit, die den französischen Studentinnen die Bahn gebrochen haben. Der Vierte Typus sind die Diplomandinnen, die zuguterletzt eine Überlegung zum Zweck, oder zur Unzweckmäßigkeit des Studiums von Frauen ermöglichen.

Marielle Delorme-Hoechstetter 
Louli Sanua, die Gründerin der höheren Handelsschule für junge Mädchen

Louli Sanua, eine auffallende Persönlichkeit in der Welt des bourgeoisen Feminismus zu Anfang des Jahrhunderts, hat 1916 die erste höhere Handelsschule1 für junge Mädchen gegründet, die zur HECJF, der höheren Schule für Handelsstudien junger Mädchen wird2. Diese junge Grundschullehrerin von dreissig Jahren, talentierte Pädagogin und Organisatorin, kreiert innerhalb weniger Jahre ein solides Netzwerk von Verbindungen in der Welt von Bildung und Politik, was innerhalb weniger Jahre die Existenz eines schnell anerkannten Ausbildungs- instituts ermöglicht. HECJF, die ihre Tore bei Aufhebung der Geschlechtertrennung in 1975 schließt, hat ca. 4500 junge Frauen ausgebildet. Seit den Anfängen dieser Schule hat sich ihre Gründerin für die Berechtigung von Frauen zu bezahlter Arbeit, die Anerkennung der Legitimität von Frauenarbeit und deren Fähigkeit, Positionen mit Führungsaufgaben mit dem Status und Gehalt der Männer einzunehmen, eingesetzt.

Irina Gouzévitch und Dmitri Gouzévitch
Der russische Weg der Professionalisierung von Ingenieurinnen (1850-1920)

Den russischen Fall, den wir hier darstellen, bezieht sich auf den Ursprung und die Geschichte einer sehr originalen Institution, dem polytechnischen Institut für Frauen, das in Sankt Petersburg im Jahr 1906 gegründet wurde. Diese Studie ist in mehr als einer Hinsicht interessant. Zum Ersten scheint es sich um das erste Phänomen des 20igsten Jahrhunderts der Geschichte des weiblichen Schulwesens zu handeln. Ein anderes vergleichbares Beispiel, die französische „école polytechnique”3 für junge Mädchen, stammt erst aus 1924. Zum Zweiten spielt dieses Phänomen eine besonders stimulierende Rolle in der Entstehung und der weiteren Entwicklung des technischen Schulwesens dieses Niveaus für Mädchen. Zum Dritten handelt es sich in einem gewissen Sinne um ein Symbol, das einen über ein Jahrhundert dauernden schwierigen Kampf für die Gleichheit der Rechte und den freien Zugang der russischen Frauen zur höhen Bildung abschließt. Letztlich ist es ein Paradox, da selbst seine Existenz eng mit der Geschichte der russischen Revolutionen, sowie der von 1905 wie auch der von 1917, verknüpft war: die Erste hat zur Entstehung des Schulwesens für Mädchen geführt, die Zweite hat es als unabhängige Institution wieder abgeschafft. Es werden folgende Fragen beantwortet um den russischen Fall in die internationale Frauen- und Technikgeschichte zu integrieren: Wie kam es zur Gründung dieses Institutes in Russland? Warum hat es in dieser Form zu diesem spezifischen Zeitpunkt existiert? Was waren seine Anforderungen, Ziele und Schwierigkeiten? Wer waren seine wichtigsten Akteure und Unterstützer? Was war seine Position innerhalb des Bildungssystems des russischen Kaiserreichs? In welchem Sinne gleicht oder differenziert sich der russische Weg des weiblichen technischen Schulwesens von dem anderer westeuropäischer Länder?

Michel Lallement 
Teilzeitarbeit bei der Post4

Die Post5 hat seit einigen Jahren eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung von Teilzeitarbeit ergriffen, die teilweise auf der Professionalisierung von Arbeit und der Flexibilisierung von Erwerbsarbeit beruhen, um sich den neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen, denen sie ausgesetzt ist. In diesem Sinne wurde für Teilzeitarbeit  durch eine interne Kampagne geworben. Anhand der Ergebnisse einer Untersuchung in zwei Postbüros außerhalb von Paris zeigt dieser Artikel, daß Teilzeitarbeit nicht etwa auf einer Logik der Vereinbarkeit von „Erwerbstätigkeit-Familienarbeit”6 beruht, sondern daß insbesondere die Arbeitnehmer teilzeitarbeiten, die ihre Arbeitsbedingungen als schwer zu ertragen betrachten und denen ein beruflicher Aufstieg aussichtslos erscheint. Im Übrigen, um den Gegensatz zwischen „gewählter/erzwungener”7 Teilzeitarbeit zu überwinden, wird eine Typologie der verschiedenen Formen von Teilzeitarbeit nach den Hirschmanschen Kategorien von Gemeinschaftsaktion vorgeschlagen.

Carola Sachse 
Hausarbeit und Ungerechtigkeit. Eine vergleichende Studie der beiden deutschen Staaten nach 1945

Der weibliche Bevölkerungsüberschuss stellte eines der am stärksten umstrittenen sozialen Probleme der Nachkriegszeit dar. Diese Frage verschwand jedoch aus der öffentlichen Debatte nach 1949, dem Gründungsdatum der beiden deutschen Staaten. Die unverheirateten Frauen wurden also zu einer ignorierten Minderheit, die sich unter diversen Gesichtpunkten den verheirateten Frauen gegenüber benachteiligt vorkamen. Dieses Gefühl der Diskriminierung kristallisierte sich unter Anderem am „Haushaltstag” und seiner juristischen Organisation. Es handelte sich um einen arbeitsfreien Tag pro Monat, der den Arbeitnehmerinnen zur Erledigung von groben Hausarbeiten vorbehalten war. Dieses Privileg wurde nicht nur den Männern, sondern zum großen Teil auch den unverheirateten Frauen verweigert. Im Osten wie im Westen haben sich Letztere, wie auch einige Männer, stark gegen diese unegalitäre Maßnahme aufgelehnt. Diese Konflikte drücken ein Ungerechtigkeitsgefühl aus, welches, nach der zentralen These des Textes, von der Kontinuität der Mentalitäten über die Unterschiede des politischen Systems und der Geschlechterdifferenzen hinaus zeugt.

1 Anmerkung der Übersetzung : HEC, école supérieure de commerce

2 Anmerkung der Übersetzung : HECJF, école de haut enseignement commercial pour jeunes filles.

3 Anmerkung der Übersetzung : Anführungszeichen hinzugefügt

4 Anmerkung der Übersetzung : im Original : “En poste à temps partiel”

5 Anmerkung der Übersetzung : im Original : “La Poste”

6 Anmerkung der Übersetzung : im Original in Anführungszeichen
7 Anmerkung der Übersetzung : im Original in Anführungszeichen

N° 1, 1999

Arbeit und Armut: der Anteil der Frauen

Tania Angeloff
Die Überbleibsel von Arbeit : Teilzeitarbeit und Armut

Die Arbeitslosigkeit, die sich mit guter Absicht zu einer fixen Idee von Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern entwickelt hat, scheint eine andere Wahrheit zu kaschieren. Unterbeschäftigung und Flexibilisierung gehen mit der Entwicklung von Teilzeitarbeit einher und sind gleichbedeutend mit Prekarität und Verarmung im Rahmen der Erwerbstätigkeit. Dieser Artikel basiert auf einer Studie von Arbeitnehmern in prekären Situationen (prekäre Arbeitsverhältnisse oder zu wenig Arbeitsstunden ohne oder mit unzureichender institutionneller Verankerung) in den Bereichen der häuslichen Dienstleistungen für Privatpersonen, im Reinigungsgewerbe und im Bereich des Warenvertriebs. Er zeigt die Zweideutigkeit von Arbeit auf, die sich auf Frauenerwerbstätigkeit, Teilzeitarbeit, Hilfstätigkeiten oder unterqualifizierte Tätigkeiten ohne längerfristige Arbeitsplatzgarantie oder Karriereaussichten beläuft. Ohne direkt eine Kartographie der Armut zu erstellen, so handelt es sich jedoch darum zu zeigen, in welcher Art und Weise die in den letzten Jahren geschaffene Erwerbsmöglichkeiten (im Rahmen einer Politik gegen zweistellige Arbeitslosenzahlen) zur Verbreitung von Armut im Erwerbsalltag beitragen, insbesondere durch die Entwicklung von Teilzeitarbeit, die hauptsächlich Frauen betrifft.

Françoise Battagliola
Frauen am Rande der Erwerbstätigkeit, im Zentrum der Flexibilität

Seit drei Jahrzehnten ist der Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit nicht zurückgegangen, selbst für Frauen mit Kleinkindern. Seit Mitte der neuziger Jahre macht sich jedoch eine Umkehrung der Tendenz bemerkbar. Nach der Geburt des zweiten Kindes unterbrechen die Frauen immer häufiger ihre Erwerbstätigkeit, insbesondere die Jüngsten und Sozialschwachen unter ihnen. Die frühzeitige Verbindung von familiärem Engagement und Eintritt in die Arbeitswelt beeinträchtigen die Berufslaufbahnen der jungen Mütter, die von Arbeitslosigkeit und Prekarität unterbrochen sind. Diese jungen Mütter werden vom Arbeitsmarkt verdrängt, obwohl ihr Bezug zur Erwerbstätigkeit erhalten bleibt, da sie der Flexibilität der Arbeitszeit ausgesetzt und von untypischen Erwerbsformen betroffen sind. Die Sozialpolitik, die sie zur Erziehung ihrer Kinder einlädt, und das Kräftegefälle zwischen den Geschlechtern innerhalb der Familie tun ein Weiteres.

Pierre Concialdi und Sophie Ponthieux
Das Risiko des geringen Einkommens : die Frauen haben Vorrang

Der Anstieg von geringen Einkommen ist während der letzten fünfzehn Jahre insbesondere zu Lasten der Frauen gegangen. Das Risiko geringen Einkommens hängt in erster Linie von den Karakteristika der besetzten Stelle ab und insbesondere mit der Ausübung von Teilzeitarbeit, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Die Entwicklung der Teilzeitarbeit ist auch mit einem Anstieg der unfreiwilligen Teilzeitarbeit verbunden. Die geringen Einkommen stellen nicht systematisch Zusatzeinkommen dar, in einem Drittel der Fälle sind sie das einzige Einkommen des Haushaltes. Die seit fünfzehn Jahren beobachtete anhaltende Steigerung geringer Einkommen trifft insbesondere Frauen. Für Männer scheint ein gemindertes Einkommen eher einer vorübergehenden Situation zu entsprechen.

Geneviève Fraisse
Die Grundlagen der ökonomischen Gleichberechtigung

Die Legitimität von Frauenarbeit ist noch immer nicht selbstverständlich. Der Schlüssel dieser Infragestellung liegt offensichtlich seit dem 19ten Jahrhundert bei der Gehaltsunabhängigkeit. Arbeit steht in einem Wort für Freiheit. Vor einer Untersuchung der Mittel zur wirtschaftlichen und beruflichen Gleichberechtigung der Frauen gilt es daran zu erinnern, daß Arbeit eine Bedingung zur Freiheit von Frauen ist. Aus diesem Grund ist der Paritätsbegriff in diesem Zusammenhang unzutreffend. Die Parität ist ohne Zweifel politisch, sprachlich und häuslich. Diese paritätischen Adjektive weisen auf die Orte der demokratischer Macht und Debatte hin, von Regierung, die hauptsächlich häuslicher und politischer Natur ist. Es besteht weiterhin die Notwendigkeit diese Gleichberechtigung durch juristische, soziale und politische Aktionen umzusetzen. Die Umsetzung und Realisierung der Gleichberechtigung steht auf dem Spiel.

Martine Lurol
Wenn die Institutionen sich der Frage der Frauenarbeit annehmen, 1970-1995

Die Feminisierung der Arbeitnehmerschaft und der ständige Anstieg von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind die Ursache der Gründung von Institutionen, die dazu bestimmt sind spezifische Probleme zu untersuchen, die mit der Verrichtung von weiblicher Lohnarbeit zusammenhängen und um diese Erwerbstätigkeit zu fördern. Die zunehmende Verbreitung dieser Institutionen läßt sich in drei Phasen einteilen, die den Höhepunkten der Entwicklung dieser Strukturen und der Behandlung der Frage der Frauenarbeit in den jeweiligen Kontexten der untersuchten Perioden entsprechen. Die Periode von 1970 bis 1980 trägt zu einer langsamen, aber stetigen Entwicklung der Institutionen bei, währendder ein Studien- und Verbindungsbureau1 in ein Staatsbureau2 umgewandelt wird; die Periode von 1981 bis 1986 zeichnet sich durch eine starke Institutionalisierung und die Gründung eines Frauen- und Gleichstellungsministeriums3 aus, dessen Aufgabenbereich die Verteidigung der Rechte der Frau als vollwertigem Individuum und insbesondere im Rahmen der beruflichen Gleichberechtigung mit den Männern umfaßt; der Zeitraum von 1988 bis 1995 zeichnet sich durch die Aufgabe einer volontaristischen Frauenpolitik aus, die sich durch den Übergang eines eigenständigen Ministeriums in ein Staatsbureau, und letztendlich in eine Dienststelle innerhalb des Arbeitsministeriums übersetzt, eine Verwaltungs-
struktur ohne Entscheidungs- und Anstoßkapazitäten.

Maria Jepsen, Danièle Meulders und Isabelle Terraz 
Teilzeitarbeit und drohende Armut: die Situation der Frauen in Belgien

In einer Situation, in der das Dilemma der Arbeitslosigkeit sich scheinbar zwischen einer größeren Flexibilisierung des Arbeits-marktes, das geringen Gehältern und Armut freie Bahn läßt, und einem Arbeitsschutzsystem, das nur Armut für vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene anerkennt, befindet, befassen sich nur wenig Artikel mit dem Zusammenhang von geringen Gehältern und Armut. Diejenigen, die sich mit dem Thema befassen, sind außerdem nur auf die Vollzeitbeschäftigten, die das ganze Jahr gearbeitet haben und per Definition eine stabile Bevölkerung darstellen, bezogen. Im Zusammenhang mit der Verbreitung von Teilzeitarbeit, die in einer großen Anzahl von Ländern als Mittel zur Arbeitsteilung gepriesen wird, erscheint es uns essentiel den Bezug zwischen geringen Gehältern und Armut unter Miteinbeziehung der Teilzeitarbeiter zu untersuchen. Unter Anderem erscheint es uns interessant diesen Zusammenhang hinsichtlich der Arbeitszeit und des Geschlechts zu untersuchen, da die Teilzeit eine typisch weibliche Beschäftigungs-form zu sein scheint.
Die Frauen, die Teilzeit arbeiten, stellen den Hauptteil der geringen Einkommen in Belgien dar. Diese Personen sind jedoch nicht fragilisiert solange sie im Paar oder in einer paarähnlichen Gemeinschaft leben, da man sie hauptsächlich in Haushalten mit mittleren Einommen findet. Diese Situation stellt jedoch einen Risikofaktor für die Zukunft in Bezug auf Armut im Zusammenhang mit dem Anstieg der Trennungsrate und für die Rentenzeit dar. Tatsächlich haben die Personen, die unter Gefahr der Verelendung stehen, keine oder wenig eigene Anrechte im Rahmen des aktuellen Sozialsystems.

Elisabetta Ruspini und Chiara Saraceno
Geringe Gehälter/Prekäres Einkommen. Der Fall der italienischen Frauen

Die Untersuchung der von der italienischen Bank zur Verfügung ge-stellten Daten bieten den Autoren die Möglichkeit ihre Hypothese, das heißt die Annahme, daß die Armut der berufstätigen Frauen oft durch die Familie aufgefangen, aber auch kaschiert wird, zu testen. Die Daten über die individuellen Einkommen zeigen tatsächlich, daß berufstätige Frauen öfter als Männer Einkommen unterhalb der Armutsgrenze beziehen, insbesondere wenn sie selbstständig sind. Andere Untersuchungen zeigen ebenfalls, daß der Anteil der Frauen an den unterbemittelten Arbeitnehmern zweimal so hoch ist, wie der der Männer, und daß der Gehaltsunterschied zwischen den Männern und den Frauen im Schnitt bis zu 20 % erreicht; außerdem ist der Unterschied am größten für Frauen. Selbst wenn dies nicht immer bedeutet, daß die Frauen am Rande des Elends stehen, da sie Zugang zu einem Teil des Familieneinkommens haben, so entspricht diese Sachlage jedoch einer größeren Verletzlichkeit entweder bei partnerschaftlichen Auseinandersetzungen oder im Falle einer Trennung. In ihrer Schlußfolgerung legen die Autoren eine besondere Betonung auf die Risiken, denen die Frauen aufgrund der immer häufiger auf einer Erhebung des Familieneinkommens aufbauenden Sozialpolitik ausgesetzt sind.

Agnès Thiercé
Die arme Frau im Neunzehnten Jahrhundert aus der Sicht von J.-V. Daubié

Die arme Frau im Neunzehnten Jahrhundert, erschienen in 1866, das Ergebnis einer weitläufigen Untersuchung über die Kondition und Existenzmittel von Frauen, ist eine unveröffentlichte Darstellung des Elends von Arbeiterinnen. Der Autor, Juli-Victoire Daubié, eine Persönlichkeit des Feminismus unter dem Zweiten Kaiserreich, ist niemand Anderes als die erste Abiturientin Frankreichs. Sie denunziert eine vielfältiges Elend, das besonders unerbittlich die allein-  stehende, verwitwete oder unverheiratete Frau trifft. Dieses Elend ist wirtschaftlich – bedingt durch das ungleiche Entgeld, das durch die Unterqualifizierung der Frauen, die vom allgemeinen und beruflichen Ausbildungssystem weitläufig ausgeschlossen sind, gerechtfertigt wird – aber auch politisch und moralisch, und stellt die Verantwortlichkeit des Staates und der Männer heraus.

N°2, 1999

Der Arbeitsplatz, ist er ein Recht?

Cynthia Cockburn
Die internationalen Beziehungen sind nicht geschlechtsneutral in Europa

Die Europäische Union hat Maßnahmen zur Bildung einer europäischen Gewerkschafts- (und Arbeitgeberpolitik) ergriffen. Die Strukturen und Prozesse dieses « Europäischen Sozialdialogs » werden einen internationalen Raum zur Erarbeitung eines gemeinsamen Programmes der Gewerkschafter der verschiedenen Mitgliedsstaaten bilden. Die Frauen haben sich in diesem Zusammenhang mobilisiert um eine geschlechterspezifische Perspektive in das Zentrum der Arbeitnehmerbeiträge zur Europapolitik zu stellen und an der politischen Arena teilzuhaben. Dieser Artikel, der auf mein neuestes Forschungsfeld aufbaut, zielt auf eine Untersuchung dieser Entwicklungen ab. Anhand aktueller feministischer Kritik zur Theorie der internationalen Beziehungen, zeigt er auf welche Art und Weise der Einzug der Frauen in den internationalen Raum dessen Anliegen, Akteure und Konzepte neudefiniert.

Annie Fouquet und Claude Rack
Die Frauen und die Arbeitsplatzpolitiken

Hat einjeder ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz ? Ein Bürgerrecht ? Ein Frauenrecht ? Wie gehen die Arbeitsplatzpolitiken auf die Geschlechterfrage ein ?  Das Recht auf Arbeit hält seinen Einzug in das Rechtswesen erst am Anfang der achtziger Jahre, als die Arbeitsplatznorm nicht mehr ein erklärtes Ziel der Wirtschaftspolitik ist („die Vollbeschäftigung »), um Teil der Sozialpolitik zu werden. Die Frauen sind dort wenig präsent, da die begriffliche Definition der Erwerbstätigkeit sich auf den Arbeitsplatz des männlichen, qualifizierten, vollbeschäftigten Industriearbeitnehmers in unbegrenztem Beschäftigungsverhältnis bezieht, Garenten einer sozialen Sicherung, der wenig der Situation von Frauen entspricht. Häufiger unqualifiziert, im Dienstleistungsbereich tätig, teilzeitbeschäftigt und in einem begrenzten Beschäftigungsverhältnis oder „unbeschäftigt », ziehen sie ihre soziale Sicherung aus ihrer Doppelrolle als angestellte Beschäftigte und Ehefrau (abgeleitete Rechte).  Die spezifischen Arbeitsplatzpolitiken, die sich seit den achtziger Jahren ohne eine Infragestellung dieser Definition der Erwerbstätigkeit entwickeln, haben den spezifischen Platz der Frauen nicht berücksichtigt und insgesamt die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt reproduziert. Mit schwachen, beziehungsweise symbolischen Beträgen ausgestattet, haben die spezifischen Massnahmen vom Anfang der achtziger Jahre nur eine unbedeutende Rolle gespielt, bevor sie vollständig abgeschafft worden sind. Die universalistische Erbschaft, die in Frankreich Recht und Praxis der Akteure stark beeinflusst, verhindert dass „positive Massnahmen » in Betracht gezogen werden können. Die neue Europäische Arbeitsplatzpolitik, die in Frankreich ihren Niederschlag im Nationalen Aktionsplan für Erwerbsbeschaffung (PNAE) 1999 gefunden hat, beinhaltet nominale Indikatoren der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Wird er einen dauerhaften Wandel der französischen Praktiken verursachen ?

Antoine Jeammaud und Martine Le Friant
Das unstete Recht auf Arbeit

Im Vorwort der französischen Konstitution von 1946 steht zu lesen „ein jeder (…) hat das Recht auf einen Arbeitsplatz ». Die Zweifel bleiben jedoch hinsichtlich der positiven Auswirkungen eines derartigen Rechtes bestehen. Die Spezialisten des Arbeitsrechtes gestehen diesem Wortleut jedoch einen geringen „Rechtswert » zu : als konstitutionstreue Rechtsgrundlage der öffentlichen Arbeitsmarktpolitik, autorisieren sie den Gesetzgeber insbesondere zur Erstellung von Regeln, die angeblich der Vollbeschäftigung dienen. Eine „realistische » Bestandsaufnahme der Rechtspraxis innerhalb der Republik (das „positive Recht ») zeigt jedoch, dass dieser auf den ersten Blick erstaunliche Rechtsstand eine weitaus grössere Tragweite hat. Die Untersuchung der tatsächlichen, oder äusserst wahrscheinlichen, Auswirkungen dieses „Rechtsspielraums » (als Rechtfertigungs- und Hindernisfolge, Interpretationsorientierung anderer gesetzlicher Regelungen) führt zu seiner tatsächliche Umsetzung. Sie lässt als Schlussfolgerung zu, dass das französische Rechtssystem dem Recht auf Arbeit einen Platz einräumt, unabhängig vom eigentlichen Gesetzestext oder seiner Struktur.

Sarah Lecomte
Der Zugang zur Erwerbstätigkeit : ein Trugbild für die Erzieherinnen

Die Berufstätigkeit von Erzieherinnen, die direkt für private Haushalte arbeiten, gehört vollständig zum Universum der Privatsphäre. Auf einen neuen und mehr als unstabilen Rechtsstand aufbauend, vereinigt sie institutionalisierte (Berufs)unsicherheit und Unsichtbarkeit der Arbeit. Die Internalisierung dieser Tätigkeit, die häufig nicht deklariert ist, unentgeldlichen Diensten oder ausserwirtschaftlichen Tauschhandlungen ähnelt; eine Arbeit und Tätigkeit, die so ausgeführt wird als ob sie, oder tatsächlich, im „natürlichen Lauf der Dinge » läge, die ein deklariertes Angestelltenverhältnis umgeht und erzieherische Fähigkeiten „naturalisiert », stellen alles Eigenheiten dar, die den Zugang dieser Tätigkeit zu einem wirklichen Beruf verhindern und bleigt somit ein Sinnbild der Unterbeschäftigung und der unqualifizierten Tätigkeiten. Innerhalb der privaten Haushalte bleibt die Erwerbstätigkeit zwischen Privatpersonen ein Trugbild, das Frauen geringer sozialer Herkunft vorbehalten ist.

Michel Miné
Das Gesetz der 35-Stundenwoche am Prüfstein der Frauenrechte

Dieser juristische Beitrag untersucht die Hauptaussagen des Gesetzentwurfes zur Reduzierung der gesetzlichen Arbeitszeit in Bezug auf die Rechte von Frauen. Anhand der Methode der indirekten Diskriminierung zeigt er insbesondere mögliche, oder schon beobachtete negative Auswirkungen auf gewisse Handhabungen der Arbeitszeit auf. Er zeigt jedoch auch die Lücken des Entwurfes, die zur beruflichen Ungleichbehandlung von Frauen und Männern führen können. Er zieht insbesondere die Aufmerksamkeit auf die Hauptauswirkungen für die erwerbstätige Bevölkerung, die oft von der Debatte vernachlässigt werden, wie die Verschiebung der Arbeitszeiten oder die Rechte des Einzelnen. Er stellt die insgesamt noch stark unterschätzte Wichtigkeit der innerbetrieblichen Verhandlungen hervor. Er schliesst mit Überlegungen zu einer Neuschreibung des Arbeitszeitrechtes ab, die sich insbesondere auf die individuelle Grundrechte und allgemeine Rechtsprinzipien beziehen, die die Gleichbehandlung von Frauen garantieren sollen.

Sylvie Schweitzer
Die Frauen als Staatsvertreterinnen

Die Geschichte der Frauen ist oftmals die der Widersprüche zwischen der öffentlichen Meinung und den Tatsachen, aber auch der Paradoxe. Tabous, sozialer Druck und Infragestellung der weiblichen Kompetenzen und Intelligenz : die Diskurse fehlen nicht um den Ausschluss der Frauen von den Orten der Entscheidungsfällung und der Macht zu rechtfertigen, die den Männern vorbehalten sind. Der Staat hat jedoch den Frauen eine Stellung innerhalb der Institution zuerkannt, wenn auch kurzfristig und auf örtlichem Niveau, so wie mit den Bureauvorsteherinnen und den Arbeitsinspektorinnen, und manchmal von Bedeutung, wie die Inspektorinnen der Gefängnishallen und die Generalinspektorinnen des Innenministeriums. Die Untersuchungen dieser Berufe und Aufgabenbereiche sind zur Zeit gerade im Anfang begriffen : wir wollen jedoch darauf hinweisen, das die Frauen inmitten der allgemein deklarierten Frauenfeindlichkeit des 19ten und 20igsten Jahrhunderts in den höheren Ebenen des öffentlichen Dienstes präsent sind, was auf starke soziale Widersprüche hinweist.